Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - konkrete Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontexts der herangezogenen Entscheidung
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Instanzenzug: SG Trier Az: S 4 R 9/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 4 R 186/17 Urteil
Gründe
1I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es um die Aufhebung eines Erstattungsbescheids im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Die Beklagte hob den Bescheid vom über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom ab dem mit der Begründung auf, dass der Kläger einen Hinzuverdienst aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielt, aber nicht gemeldet hatte. Mit Bescheid vom wurde die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom bis gefordert. Über das Vermögen des Klägers wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum wurde Restschuldbefreiung erteilt. Mit Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom lehnte die Beklagte nach Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom die Erteilung eines Zugunstenbescheids nach § 44 SGB X ab. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG hat das zurückgewiesen.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht allein das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.
3II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
4Divergenz im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; - juris RdNr 6).
5Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
8Der Kläger zitiert damit ersichtlich keine wörtlichen Aussagen der Entscheidungen, sondern fasst aus seiner Sicht die wesentlichen Erwägungen der jeweiligen Entscheidungen abstrakt zusammen. Anders als nach dem oben Gesagten erforderlich, zeigt er aber nicht auf, dass das BSG die von ihm (dem Kläger) formulierte Aussage "zu demselben Gegenstand", also in Anwendung (grundsätzlich) derselben Vorschrift (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 379 mwN) bzw der gleichen Rechtsmaterie (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 13a mwN) gemacht hat. Dafür genügt es nicht, isoliert eine einzelne aus der Entscheidung abgeleitete Passage zu referieren und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich um einen tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz (vgl - BeckRS 2016, 72069 RdNr 11 mwN). Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz steht (vgl hierzu - juris RdNr 10). Zum Kontext der herangezogenen Entscheidung ist der Beschwerdebegründung aber nichts zu entnehmen. Sie verschweigt, welchen Sachverhalt das BSG zu beurteilen hatte und macht auch nicht deutlich zu welchen Normen es die vom Kläger formulierte Aussage getroffen hat. Eine konkrete Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontexts auch der herangezogenen BSG-Entscheidung gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben oder zumindest inhaltsgleichen Rechtsnormen anzuwenden sind. Ansonsten ergeben sich ggf nur rechtliche Anhaltspunkte, deren Reichweite im Rahmen einer sog Grundsatzrüge zu prüfen wäre, die der Kläger hier aber nicht erhoben hat.
9Im Übrigen setzt die Bezeichnung einer Abweichung im Sinne von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG die Darlegung voraus, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG im angefochtenen Urteil infrage stellt, was nicht der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN). Zwar genügt eine objektive Abweichung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 14a mwN), dennoch hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB BSG Beschlüsse vom - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 23; vom - B 9 SB 10/15 B - juris RdNr 6; vom - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73; vom - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). Sonst kritisiert die Beschwerde letztlich nur eine falsche Rechtsanwendung des LSG im Fall des Klägers. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB - juris RdNr 14).
10Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
11Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
12 Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:011019BB13R36017B0
Fundstelle(n):
XAAAH-35858