BFH Urteil v. - V R 14/17 BStBl 2020 II S. 720

Steuerfreie Leistungen eines Dirigenten

Leitsatz

1. Die Leistungen eines Dirigenten, dem die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass er die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie z.B. ein Orchester oder Kammermusikensemble, sind nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei (Änderung der Rechtsprechung, , BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876).

2. Der Dirigent, dessen Leistungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei sind, kann die Vorsteuerbeträge auf im Inland erbrachte Vermittlungsleistungen ausländischer Konzertagenturen auch dann nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG abziehen, wenn er sie für Leistungen bezieht, die er im Ausland erbringt und die dort steuerbar und steuerpflichtig sind.

Gesetze: AO § 171 Abs. 10; AO § 182; UStG 2011 § 3a Abs. 2; UStG 2011 § 4 Nr. 20 Buchst. a; UStG 2011 § 13b Abs. 1 und 2; UStG 2011 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4; UStG 2011 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; EUGrdRCH Art. 20; EU Vertrag Art. 4; Richtlinie 2006/112/EG Art. 132 Abs. 1 Buchst. n; Richtlinie 2006/112/EG Art. 169 Satz 1 Buchst. a;

Instanzenzug: (EFG 2017, 1220), ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2011) als Dirigent selbständig tätig. Er übt seine Tätigkeit in Konzert-, Opern- und Theaterhäusern im Inland und im Ausland aus. Die Landesdirektion Sachsen bescheinigte ihm ab dem unbefristet, die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (UStG) zu erfüllen. Für die Vermittlung von Engagements in Spanien, Italien und in den Niederlanden stellten zwei im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Großbritannien und Italien) ansässige Künstleragenturen dem Kläger im Streitjahr Provisionen in Höhe von ... € in Rechnung, die auch im Streitjahr bezahlt wurden.

2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gelangte im Rahmen einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass die Agenturen als im Ausland ansässige Unternehmer Vermittlungsleistungen an den Kläger erbracht hätten, die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerbar seien. Die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge schulde der Kläger als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG. Die Beträge könnten aber nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, weil sie zur Verwendung für Leistungen im Ausland bezogen worden seien, die im Inland steuerfrei wären (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Dementsprechend setzte das FA mit Bescheid vom die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf ... € fest.

3 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1220 veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts (FG) sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen. Die Vermittlungsleistungen stünden im Zusammenhang mit Umsätzen im Ausland, die nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt worden wären.

4 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Die Steuerfreiheit der Dirigentenumsätze ergäbe sich nicht aus § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG, denn der Kläger sei keine einem „Orchester“ vergleichbare Einrichtung. Er berufe sich auch nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Überdies wäre die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren.

5 Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sächsischen aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid von 2011 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2011 um einen Betrag in Höhe von ... € gemindert wird.

6 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

7 Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Der Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, weil die vermittelten Dirigentenleistungen im Inland nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei wären.

8 1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen i.S. des § 13b Abs. 1 und 2 UStG, die —wie hier die Vermittlungsleistungen der im Ausland ansässigen Künstleragenturen— für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Dem Leistungsempfänger wird damit der Vorsteuerabzug für die Steuer eröffnet, die er nach § 13b UStG schuldet. Der Vorsteuerabzug ist aber nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen für Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Unionsrechtliche Grundlage dafür ist Art. 169 Satz 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach berechtigen im Ausland ausgeführte Umsätze nur insoweit zum Vorsteuerabzug, als für diese Auslandsumsätze das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn sie im Inland bewirkt worden wären. Die Richtlinienregelung formuliert mithin in positiver Weise das, was die nationale Regelung als Ausschluss im Zusammenhang mit Auslandsumsätzen regelt.

9 Auf dieser Grundlage hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— (Urteil Morgan Stanley & Co. International vom  - C-165/17, EU:C:2019:58, Rz 32, unter Hinweis auf die Urteile Monte Dei Paschi Di Siena vom  - C-136/99, EU:C:2000:408, Rz 28, und RBS Deutschland Holdings vom  - C-277/09, EU:C:2010:810, Rz 31 und 32) das in Art. 169 Satz 1 Buchst. a MwStSystRL vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug von zwei Voraussetzungen ab, nämlich zum einen davon, dass die Umsätze, die ein Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen bewirkt, in dem die Mehrwertsteuer für die zur Bewirkung dieser Umsätze verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet oder entrichtet wird, in diesem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, und zum anderen davon, dass diese Umsätze auch steuerpflichtig wären, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet oder entrichtet wird, bewirkt worden wären.

10 2. An dieser zweiten Voraussetzung fehlt es hier, so dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen ist. Der Kläger hat die Vermittlungsleistungen für die Ausführung von kulturellen sonstigen Leistungen verwendet, die nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitzort der unternehmerischen Auftraggeber in den anderen Mitgliedsländern ausgeführt und dort steuerbar sind, die aber —wenn sie im Inland erbracht worden wären— unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG fallen würden.

11 a) Die Leistungen des Klägers als Dirigent wären nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG im Inland steuerfrei.

12 aa) Danach sind steuerfrei solche Umsätze von —mit § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartigen— Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist eine „Einrichtung“ in diesem Sinne, die —im hier gegebenen Zusammenhang— einem Orchester oder einem Kammermusikensemble gleichsteht. Unionsrechtliche Grundlage für diese Steuerbefreiung ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL. Die Mitgliedstaaten befreien danach u.a. bestimmte kulturelle Dienstleistungen von der Steuer, die von durch den Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden. Dieser Norm kommt zwar keine unmittelbare Wirkung zu, so dass Steuerpflichtige sich nicht darauf berufen können (EuGH-Urteil British Film Institute vom  - C-592/15, EU:C:2017:117, Leitsatz, Rz 24). Sie ist aber bei der Auslegung der nationalen Steuerbefreiungsvorschrift heranzuziehen.

13 bb) Danach gilt:

14 (1) Der Begriff der „anerkannten Einrichtungen“ (Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL und demgemäß auch der Ausdruck der gleichartigen Einrichtung (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG) schließt Einzelkünstler nicht aus (EuGH-Urteil Hoffmann vom  - C-144/00, EU:C:2003:192, Rz 30; in diesem Sinne auch EuGH-Urteil Gregg vom  - C-216/97, EU:C:1999:390, Rz 21; EuGH-Urteil Les Jardins de Jouvence vom  - C-335/14, EU:C:2016:36, Rz 39). Kann mithin der Kläger als natürliche Person und als Dirigent eine Einrichtung sein, kommt es für die weitere Voraussetzung der Gleichartigkeit auf die Vergleichbarkeit mit den im § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen an. Diese Voraussetzung ist im Rahmen der Steuerfestsetzung grundsätzlich selbständig zu prüfen (, BFH/NV 2012, 798). Denn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG bezieht sich auf die im konditionalen zweiten Halbsatz des Satzes 2 nach dem Wort „wenn“ aufgeführten Voraussetzungen. Nur insoweit tritt auch eine Bindungswirkung dieser Bescheinigung als Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO) ein. Die Bescheinigung entscheidet nach § 182 AO verbindlich darüber, ob die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen (, BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876, und vom  - V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15).

15 (2) Indes ist der Inhalt der Bescheinigung auch für den Begriff der Gleichartigkeit in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG heranzuziehen. Wenn danach eine natürliche Person eine Einrichtung sein kann, so ist auch die Leistung eines Dirigenten der Leistung eines Orchesters oder Kammermusikensembles gleichartig, wenn —was sich aus der Bescheinigung ergibt— der Dirigent die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Orchester oder wie ein Kammermusikensemble erfüllt. Beide Einrichtungen, das Orchester ebenso wie der Dirigent, wirken bei der Erbringung der Leistung —z.B. bei einem Konzert— zusammen und erfüllen ihre kulturellen Aufgaben gemeinsam.

16 (3) Mithin ist der Kläger mit seinen Dirigentenleistungen eine gleichartige Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, dessen Umsätze wie die eines Orchesters steuerfrei sind. Das entspricht im Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, der in seinem Urteil in BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876 die Leistungen eines Orchestermusikers gegenüber seinem Orchester als steuerfrei angesehen hat. Allerdings hat der Senat das nicht aus § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG hergeleitet, sondern direkt aus der Richtlinie abgeleitet. Dies entspricht aber nicht mehr der unional vorgegebenen Rechtslage, nachdem der EuGH in seinem Urteil British Film Institute (EU:C:2017:117, Leitsatz, Rz 24) die unmittelbare Wirkung und deshalb auch die Berufbarkeit auf diese Steuerfreiheit in Abrede stellt (zutreffend Oelmeier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 20 Rz 26). Die Ziele des Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL (Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) müssen deshalb über eine richtlinienkonforme Auslegung im nationalen Recht bei der Interpretation des auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL gründenden § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG berücksichtigt werden, deren Rechtsgrundlage sich in Art. 4 Abs. 3 des Vertrags zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EU-Vertrag) findet (zur Methodik vgl. Kokott, Steuerrecht der EU, § 8 Rz 255 ff.; Heuermann, Steuer und Wirtschaft 2018, 123 ff.). Das entspricht auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. z.B. Wäger in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 20 Rz 23; Oelmeier in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 20 Rz 26; Heidner in Bunjes, UStG, 18. Aufl., § 4 Nr. 20 Rz 10 und Rz 4). Der erkennende Senat hält also im Ergebnis (so auch Abschn. 4.20.2. Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses i.d.F. des Streitjahres), nicht in der Begründung an seiner Entscheidung in BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876 fest.

17 cc) Auch die übrigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG liegen vor. Die Landesdirektion Dresden als zuständige Landesbehörde hat durch Bescheid vom rückwirkend (zur Zulässigkeit BFH-Urteil in BFHE 228, 474, BStBl II 2010, 876, Rz 26, m.w.N.) für das Streitjahr bescheinigt, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen als Dirigent erfüllt. An diese Bescheinigung sind die Finanzgerichte nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO gebunden.

18 b) Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG mithin vor, ist der Vorsteuerabzug des Klägers gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ausgeschlossen. Eine einschränkende Auslegung des § 4 Nr. 20 Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG dergestalt, dass der Vorsteuerausschluss nicht zur Anwendung kommt, wenn die in einem anderen Mitgliedstaat aufgeführten Verwendungsumsätze dort steuerpflichtig sind (so Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 1111), ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und widerspricht Art. 169 Buchst. a MwStSystRL.

19 c) Die vom Kläger angeführte einschränkende Auslegung ist auch nicht durch den unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung geboten.

20 aa) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union —EUGrdRCH—) gehört zu den Grundprinzipien des Unionsrechts. Er verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (EuGH-Urteile Ruckdeschel und Hansa-Lagerhaus Ströh vom  - 117/76 und 16/77, EU:C:1977:160, Slg. 1977, 1753, Rz 7; Jetair und BTWE Travel4you vom  - C-599/12, EU:C:2014:144, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2014, 466, Rz 53; bpost vom  - C-340/13, EU:C:2015:77, Rz 27; , BFHE 260, 573, BStBl II 2018, 676).

21 bb) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen besondere Ausprägung auf Ebene des abgeleiteten Unionsrechts und auf dem Spezialgebiet des Steuerrechts der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist, setzt voraus, dass die verschiedenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, gleich behandelt werden, damit jede Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt vermieden wird (EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom  - C-380/16, EU:C:2018:76, Rz 57; NCC Construction Danmark vom  - C-174/08, EU:C:2009:669, Rz 44).

22 cc) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist keine Regel des Primärrechts, die für die Geltung einer Ausnahme bestimmend sein könnte, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben anderen Grundsätzen anzuwenden ist (EuGH-Urteile Kommission/ Deutschland, EU:C:2018:76, Rz 58; vgl. in diesem Sinne auch EuGH-Urteil Deutsche Bank vom  - C-44/11, EU:C:2012:484, Rz 45). Dieser Grundsatz kann nicht einer vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Ausnahme entgegenstehen und deren praktische Wirksamkeit beeinträchtigen (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland, EU:C:2018:76, Rz 58).

23 dd) Der Ausschluss des Vorsteuerabzugs durch die Steuerbefreiung im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ist auch dann nicht gleichheitswidrig, wenn die in dem anderen Mitgliedstaat ausgeführten Umsätze dort steuerpflichtig sind. Indem der Kläger in anderen Mitgliedstaaten steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbringt und dabei mit vorsteuerabzugsberechtigten Dirigenten mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten konkurriert, während er wegen der Steuerfreiheit seiner Umsätze im Inland vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, kommt darin nur zum Ausdruck, dass es nach den Vorgaben des Art. 169 Buchst. a MwStSystRL auf das Recht des Staates des Leistungsbezuges und nicht auf das Recht des Staates der Leistungserbringung ankommt (s. oben II.1.). Daraus ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber die Situationen beider Gruppen (hier die Situation des Klägers mit steuerfreien Umsätzen im Inland und die Lage der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dirigenten mit dort steuerpflichtigen Umsätzen) nicht als vergleichbar angesehen hat (vgl. dazu auch EuGH-Urteil Jetair und BTWE Travel4you, EU:C:2014:144, HFR 2014, 466, Rz 55 f.; grundlegend auch Kokott, a.a.O., § 3 Rz 14). Insofern ist die vom Kläger gerügte „Ungleichbehandlung“ zu den Dirigenten, die in einem anderen Mitgliedstaat (z.B. Italien) ansässig sind und dort bei gleicher Leistungstätigkeit am gleichen Ort die entsprechenden Vorsteuerbeträge abziehen können, nur eine systeminhärente und evidente Folge des Unionsrechts. Ein Ersuchen an den EuGH zur Vorabentscheidung kommt deshalb nicht in Betracht.

24 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.220819.VR14.17.0

Fundstelle(n):
BStBl 2020 II Seite 720
BB 2019 S. 2777 Nr. 47
BFH/NV 2020 S. 65 Nr. 1
BFH/PR 2020 S. 46 Nr. 2
BStBl II 2020 S. 720 Nr. 17
DB 2019 S. 6 Nr. 46
DStR 2019 S. 2414 Nr. 46
DStRE 2019 S. 1483 Nr. 23
DStZ 2020 S. 5 Nr. 1
GStB 2020 S. 6 Nr. 2
HFR 2020 S. 62 Nr. 1
KÖSDI 2019 S. 21518 Nr. 12
NJW 2020 S. 800 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2019 S. 3470
PIStB 2020 S. 34 Nr. 2
RIW 2020 S. 791 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 23/2019 S. 938
UR 2019 S. 926 Nr. 24
UVR 2020 S. 3 Nr. 1
TAAAH-34964