BSG Urteil v. - B 12 KR 8/18 R

Instanzenzug: SG Darmstadt Az: S 8 R 528/15 Urteilvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 1 KR 551/16 Urteil

Tatbestand

1Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in allen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Pflegefachkraft für die Beigeladene zu 1. vom 4. bis zum .

3Am beantragte der Kläger die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Beklagte stellte nach Anhörung ihm und der Beigeladenen zu 1. gegenüber fest, dass während der streitigen Zeit die Tätigkeit als Altenpfleger im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und in allen Zweigen der Sozialversicherung Versicherungspflicht bestanden habe (Bescheide vom , Widerspruchsbescheide vom ).

4Das SG Darmstadt hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Hessische LSG hat die Berufung der Beigeladenen zu 1. unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen. Der Kläger sei in ganz erheblichem Umfang in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Er sei in einem Wohnbereich eingesetzt gewesen, der organisatorisch einer Wohnbereichsleitung unterstanden habe. Auch sei er in das Schichtdienstsystem mit fest abgestimmten Einsätzen eingebunden gewesen, sodass er seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort nicht frei habe bestimmen können. Dass er eigene Arbeitskleidung und ein eigenes Namensschild verwendet habe, falle nicht ins Gewicht. Auch habe er nach den vertraglichen Regelungen mit den angestellten Kranken- und Altenpflegern sowie Ärzten zusammenarbeiten müssen. Der Kläger habe sich an ärztliche Anweisungen anpassen und zu Beginn und Ende der jeweiligen Schicht Übergaben durchführen müssen. Auch in die Abläufe auf den Stationen sei der Kläger eingegliedert gewesen, da dort ein durchstrukturiertes Programm eingehalten worden sei. Dass er bestimmte Pflichten nicht habe übernehmen müssen und mit ihm andere Vereinbarungen getroffen worden seien als mit angestellten Pflegekräften, ändere nichts. Dass ein Weisungsrecht der Pflegeeinrichtung bestanden habe, ergebe sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen des Heimrechts und des SGB XI. Ein Unternehmerrisiko habe nicht bestanden (Urteil vom ).

5Die Beigeladene zu 1. rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV, § 103 SGG und Art 12 Abs 1 sowie Art 20 Abs 2 Satz 2 GG. Aus den gesetzlichen Regelungen des Heimrechts und des SGB XI lasse sich weder ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht noch eine betriebliche Eingliederung herleiten. Sie erlaubten vielmehr auch den Einsatz selbstständiger Dienstleister. Zudem habe das LSG die maßgeblichen Umstände nicht zutreffend ermittelt und gewürdigt. Der Kläger habe ein Vielfaches des Pflegemindestlohns verdient und ein Honorar bezogen, das deutlich über der üblichen Vergütung eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers liege sowie Eigenvorsorge ermögliche. Neben der Vergütung komme dem Umstand, ob die Pflegekraft für mehrere Auftraggeber tätig sei, ein besonderes Gewicht zu. Der Kläger habe auch ein Unternehmerrisiko getragen. Er sei in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig versichert und bei der Berufsgenossenschaft als Selbstständiger gemeldet gewesen. Ferner habe er eine Berufshaftpflicht abgeschlossen, zeitweise versicherungspflichtiges Personal beschäftigt und über die Möglichkeit verfügt, Arbeitsangebote anzunehmen oder abzulehnen. Außerdem habe der Kläger seine Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen vorzeitig abbrechen können. Mit ihren Entscheidungen hätten die Vorinstanzen die Reichweite der grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit verkannt. Deren Auslegung des Begriffs der Beschäftigung laufe auf ein Berufsverbot für freiberufliche Pflegepersonen hinaus. Schließlich sei der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt. Der Gesetzgeber habe in § 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI die Rentenversicherungspflicht selbstständig tätiger Pflegepersonen nur insoweit angeordnet, als sie in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind.

6Die Beigeladene zu 1. beantragt,die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Darmstadt vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Pflegefachkraft für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom bis zum nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat.

7Die Beklagte beantragt,die Revision der Beigeladenen zu 1. zurückzuweisen.

8Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Gründe

9Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat deren Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist rechtmäßig und verletzt die Beigeladene zu 1. nicht in ihren Rechten. Der Kläger war in seiner Tätigkeit als Pflegefachkraft vom 4. bis zum gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt und deshalb in der gesetzlichen Renten- (GRV) und GKV, der sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

10Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil es sich bei der Vermittlung des Klägers um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handeln würde (hierzu I.). Das LSG ist mit § 7 Abs 1 SGB IV und den durch die Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Grundsätzen vom richtigen Maßstab zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung ausgegangen (hierzu II.). Für die Beurteilung einer Tätigkeit als Pflegefachkraft gelten keine abweichenden Maßstäbe (hierzu III.). Aufgrund der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen ist das LSG zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt war (hierzu IV.). Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis (hierzu V.). Die maßgeblichen Vorschriften des Versicherungs- und Beitragsrechts verletzen auch keine Grundrechte der Beteiligten (hierzu VI.).

11I. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. wird nicht schon aufgrund § 10 Abs 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG; hier in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AÜG - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom , BGBl I 642) fingiert. Danach gilt bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen. Wären die Voraussetzungen der gesetzlichen Fiktion erfüllt, würde die Beigeladene zu 1. als Arbeitgeber gelten, der nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV (in der Fassung der Bekanntmachung vom , BGBl I 3710) zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet gewesen wäre. Dass eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinn von § 1 Abs 1 Satz 1 AÜG gegeben sein könnte, ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

12II. In dem streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV, GKV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom , BGBl I 926; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB - BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr 31, RdNr 17 <Kreishandwerksmeister>; - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 21 <Erziehungsbeistand>; - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden ( - BSGE 123, 180 = SozR 4-2400 § 26 Nr 4, RdNr 24 <Taxifahrer>).

13Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen ( - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17 mwN).

14III. Für die Statuszuordnung einer - hier ausschließlich zu beurteilenden - Tätigkeit als sog Honorarpflegefachkraft in einer stationären Pflegeeinrichtung gelten keine abweichenden Maßstäbe. Derzeit nicht vom Senat zu entscheiden sind andere Ausprägungen der Tätigkeit als Honorarpflegefachkraft, etwa im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung als Intensiv- oder Anästhesiepfleger oder im Rahmen ambulanter Pflege.

151. Es spielt keine Rolle, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt ist, dass Honorarkräfte im Gesundheitswesen selbstständig tätig sind oder sein können. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (vgl dazu - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 32 mwN <Rackjobbing II>; ferner bereits zB - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN <Tagesmutter>; - juris RdNr 30 <Hauswirtschaftliche Pflegerin>; - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 10-13 <Arzt als pharmazeutisch-wissenschaftlicher Fachreferent>; - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 25 <Physiotherapeutin>).

162. § 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI lässt sich keine prinzipielle "Anerkennung" selbstständiger Pflegekräfte durch den Gesetzgeber in dem Sinne entnehmen, dass diese Berufsgruppe generell selbstständig tätig wäre. Diese Vorschrift begründet über die Beschäftigtenpflichtversicherung nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI hinaus eine Versicherungspflicht (auch) für selbstständig tätige Pflegepersonen in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Altenpfleger wie der Kläger sind bereits vom Wortlaut der Vorschrift nicht umfasst. Die Auswahl der rentenversicherungspflichtigen Personen in § 2 Satz 1 Nr 1 bis 8 SGB VI beruht auf einer typisierenden Betrachtungsweise ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit, da die bezeichneten Berufsgruppen weitgehend ohne wirtschaftlich bedeutendes eigenes Betriebsvermögen arbeiten und überwiegend auf den Einsatz der eigenen Arbeitskraft angewiesen sind (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Mai 2019, § 2 RdNr 5). Der Begriff der Pflegepersonen in Nr 2 geht davon aus, dass es sich grundsätzlich um weisungsabhängige (und insoweit arbeitnehmerähnliche) Tätigkeiten handelt, da sie aufgrund ärztlicher Verordnung verrichtet werden (vgl BT-Drucks 11/4124 S 149; - SozR 3-2600 § 2 Nr 2). Die Vorschrift setzt es als möglich voraus, dass die erfassten Pflegepersonen selbstständig tätig sein können, fingiert oder vermutet dies aber nicht allein aufgrund der ausgeführten Tätigkeiten.

17IV. Das LSG hat ausgehend von den Maßstäben zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung eine zutreffende Gesamtwürdigung vorgenommen.

181. Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien. Vertraglich haben die beigeladene Pflegeeinrichtung als "Auftraggeber" und die klagende Pflegefachkraft als "Auftragnehmer" zwar eine "Dienstleistungsvereinbarung" abgeschlossen. Wenn aber wie vorliegend Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung bestehen, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (vgl - BSGE 51, 164, 168 = SozR 2400 § 2 Nr 16 S 20; - juris RdNr 28 <telefonische Gesprächspartnerin>).

192. Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit von Pflegefachkräften in stationären Pflegeeinrichtungen Besonderheiten aufweist. Deshalb können einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbstständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden. Pflegefachkräfte, die eine staatlich anerkannte Abschlussprüfung an einer Pflegefachschule absolviert haben, arbeiten weitgehend eigenverantwortlich. Sie haben auch die Möglichkeit, in gewissem Umfang flexibel auf Wünsche und Bedürfnisse der zu pflegenden Personen zu reagieren. Daraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Die Berufsausbildung zum Altenpfleger befähigt zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Pflege alter Menschen (vgl § 3 Abs 1 Altenpflegegesetz in der Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom , BGBl I 874). Dieses Merkmal kennzeichnet Fachkräfte gegenüber Pflegehilfskräften (Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl 2014, Abschn G RdNr 15) und prägt das Berufsbild unabhängig von ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Pflegeheimes eine abhängige Beschäftigung angenommen werden.

20Der Versorgungsauftrag einer stationären Pflegeeinrichtung sowie die Regelungen über die Erbringung stationärer Pflegeleistungen nach dem SGB XI und dem Heimrecht des jeweiligen Landes haben zwar keine zwingende, übergeordnete und determinierende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von in stationären Einrichtungen tätigen Pflegefachkräften. Entsprechendes hat der Senat für ein Zulassungserfordernis in der ambulanten Versorgung und für die entsprechenden Vorgaben für Leistungserbringung und -abrechnung im Krankenhaus bereits entschieden. Regulatorische Vorgaben sind jedoch bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen ( - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 <Physiotherapeutin>; - SozR 4-2400 § 7a Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; - <Honorarärzte>, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

21Die Zulassung einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt durch Abschluss eines Versorgungsvertrages, der den Versorgungsauftrag konkret bestimmt (§ 72 SGB XI in der Fassung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes vom , BGBl I 2246; § 73 SGB XI in der Fassung des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes vom , BGBl I 830). Nach § 71 Abs 2 Nr 1 SGB XI muss bei stationären Pflegeheimen - wie nach § 71 Abs 1 SGB XI bei ambulanten Pflegediensten - die Pflege unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft stehen. Dies bedeutet, dass eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft die Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung tragen und auch wirksam wahrnehmen können muss. Das ist der Fall, wenn die verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für jeden betreuten Pflegebedürftigen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Notwendig ist eine Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen auf der Grundlage eines in jedem Einzelfall gesondert zu erhebenden Bedarfs. Diese pflegerische Gesamtverantwortung muss von der Pflegefachkraft ständig wahrgenommen werden ( - BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 14, 19). Der Senat muss nicht entscheiden, ob eine verantwortliche Pflegefachkraft ihre pflegerische Gesamtverantwortung nur dann effektiv wahrnehmen kann, wenn ihr eine Weisungsbefugnis gegenüber den einzelnen Pflegekräften bei der Ausübung von deren Pflegetätigkeiten zusteht und ob dies stets ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Pflegefachkräften und Pflegedienst voraussetzt (so für einen ambulanten Pflegedienst ua - juris RdNr 11; Wahl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl 2017, § 71 RdNr 25 und 16; Schmidt in Kasseler Komm, SGB XI, Stand Dezember 2016, § 71 RdNr 15; Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl 2014, Abschn H SGB XI, § 71 RdNr 5; kritisch Weber/Philipp, NZS 2016, 931 ff). Jedenfalls setzt das SGB XI einen hohen Organisationsgrad zur Qualitätssicherung voraus. Auch das Heimrecht sieht in § 9 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (vom - GVBl 34) für den Betrieb einer stationären Einrichtung strenge Vorgaben hinsichtlich der Kontrolle und Verantwortlichkeit des Betreibers für Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vor, die durch die Heimaufsicht kontrolliert werden. Diese regulatorischen Rahmenbedingungen haben im Regelfall die Eingliederung von Pflegefachkräften in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung zur Folge. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen.

223. Die klagende Pflegefachkraft unterlag einem Weisungsrecht der beigeladenen Pflegeeinrichtung und war darüber hinaus in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in deren Betriebsablauf eingegliedert.

23Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale der Weisungsgebundenheit und Eingliederung stehen nicht in einem Rangverhältnis zueinander und müssen nicht kumulativ vorliegen. Sie sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl auch BT-Drucks 14/1855 S 6). So hat der Senat bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG zu Chefärzten ( - BAGE 11, 225) ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog Diensten höherer Art - heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen - aufs Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" ( - BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO <Prediger>). Diese Grundsätze können auch auf ausgebildete Fachkräfte in verantwortungsvollen und von Eigenverantwortlichkeit geprägten Tätigkeiten wie der Pflege zur Anwendung kommen. Der Gesetzgeber hat das vom Senat entwickelte Kriterium der Weisungsgebundenheit wie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen.

24Die Weisungsgebundenheit des Klägers während der übernommenen Dienstzeiten war nach den vom LSG bestätigten und damit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG (vgl 9a RV 6/90 - juris RdNr 16) möglicherweise eingeschränkt, aber nicht entfallen. Ergeben sich etwa Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus vertraglichen Vereinbarungen oder mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten, kommt es darauf an, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich - anders als hier - die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt ( - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 30 <Rackjobbing II>). Der konkrete Inhalt der vom Kläger geschuldeten fachgerechten Pflege bedurfte der näheren Konkretisierung zumindest insoweit, als er seine Arbeitsleistung im Wesentlichen nach Maßgabe der Pflegeplanung und im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern erbringen musste.

25Seine Pflegeleistungen hat der Kläger nicht frei verrichten können. Zu einer Delegation der geschuldeten Pflegemaßnahmen ist es nicht gekommen. Seine Tätigkeit unterschied sich nicht wesentlich von derjenigen angestellter Pflegefachkräfte. Abweichungen gegenüber angestellten Mitarbeitern beruhten nicht auf individuellen Gestaltungsfreiheiten der klagenden Pflegefachkraft, sondern auf der von der beigeladenen Pflegeeinrichtung vorgegebenen arbeitsteiligen Aufgabenverteilung. Der Kläger übernahm im Wesentlichen die von der Beigeladenen zu 1. zu erbringenden und in einer vorgegebenen Pflegeplanung vorgesehenen Pflege- und Behandlungsleistungen. Er hatte Pflegedokumentationen zu erstellen und Übergaben durchzuführen. Schließlich waren die Schichtzeiten des Klägers festgelegt. Er war damit in fachlicher und zeitlicher Hinsicht von Weisungen der Pflegeeinrichtung abhängig und konnte die Arbeit nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt abbrechen. Dem steht nicht entgegen, dass er angesichts des kurzfristigen Einsatzes bestimmte Pflichten nicht zu erfüllen hatte und mit ihm andere Vereinbarungen getroffen wurden als mit angestellten Pflegekräften.

26Die klagende Pflegefachkraft war auch in die Arbeitsabläufe der beigeladenen Pflegeeinrichtung eingebunden. Jedenfalls, wenn eine Pflegefachkraft eine von der stationären Pflegeeinrichtung geschuldete (Teil-)Leistung innerhalb der von dieser vorgegebenen Organisationsabläufe erbringt, die Betriebsmittel des Pflegeheimes nutzt und arbeitsteilig mit dem übrigen Personal in den vorgegebenen Strukturen zusammenarbeitet, ist sie in der Regel in einer ihre Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb der Pflegeeinrichtung eingegliedert. Der Kläger hat Bewohner des Pflegeheimes gepflegt, wobei der gesamte organisatorische Rahmen vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Pflege und Betreuung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Hand der Beigeladenen zu 1. lag und von dieser vorgegeben wurde. Er arbeitete in einem fest vereinbarten Wohnbereich, der organisatorisch einer Wohnbereichsleitung unterstand. Dabei wurden Pflegehilfsmittel, Pflegedokumentationen, Arzneimittel sowie sonstige Arbeits- und Betriebsmittel von der beigeladenen Pflegeeinrichtung vorgehalten. Der Betriebsablauf folgte einem "Schichtdienstsystem", in das sich der Kläger einordnete. Innerhalb seines Schichtdienstes war er in ein "durchstrukturiertes Programm", bestehend aus Pflegeleistungen und Pflegedokumentationen, eingegliedert. Im Rahmen dieser Betriebsstruktur hat er - nicht anders als bei der Beigeladenen zu 1. angestellte Pflegefachkräfte - seine Arbeitskraft eingesetzt. Innerhalb der betrieblich vorgegebenen Ordnung hatte er - verglichen mit angestellten Pflegefachkräften - keine ins Gewicht fallende Freiheit hinsichtlich Gestaltung und Umfang der Arbeitsleistung innerhalb des einzelnen Dienstes. Seine Tätigkeit war zudem durch die Zusammenarbeit mit anderem Pflegepersonal gekennzeichnet. Nach der Dienstleistungsvereinbarung vom hatte er mit den "Angestellten des Auftraggebers sowie den zuständigen Ärzten" zu kooperieren.

274. Das LSG hat auch keine für Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte festgestellt, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Klägers auch nur annähernd hätten auf- oder überwiegen können. Insbesondere war er nicht einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist ( - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 36 mwN <Rackjobbing II>). Daran fehlt es hier. Die klagende Pflegefachkraft erhielt einen festen Lohn für geleistete Stunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Für sie bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Das einzig in Betracht kommende Risiko des Klägers, von der Beigeladenen zu 1. keine weiteren Folgeaufträge zu erhalten, ist für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Ein speziell für selbstständige Tätigkeit sprechendes Merkmal ist auch nicht die Mitgliedschaft in der freiwilligen GKV oder der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung (vgl - juris RdNr 24). Dass der Kläger als Selbstständiger bei der Berufsgenossenschaft gemeldet war und zeitweise versicherungspflichtiges Personal beschäftigt hat, vermag die Beschäftigung nach Maßgabe des § 7 Abs 1 SGB IV ebenfalls nicht auszuschließen.

285. An die der Gesamtwürdigung zugrunde liegenden vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Die Beigeladene zu 1. hat entgegen § 164 Abs 2 Satz 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den geltend gemachten Verfahrensmangel ergeben.

29Bei dem hier gerügten Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG), muss der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen. Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte ( - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 14 mwN). Diesen Anforderungen ist nicht mit dem Vorbringen genügt, es fehle an jeglicher Sachverhaltsaufklärung durch die Tatsacheninstanzen.

306. Für die Abgrenzung ist es nicht von Bedeutung, ob die Pflegetätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelt. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dazu gehört nicht eine wirtschaftliche Abhängigkeit ( - SozR 2200 § 1227 Nr 19 <Propagandistin>; - juris RdNr 19 <Profirennreiter>). Eine wirtschaftliche Abhängigkeit steht auch einem objektiven Weisungsrecht nicht gleich ( - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 35 <Erziehungsbeistand>). Das Sozialversicherungsrecht ordnet Versicherungspflicht nicht nur für unbefristete Dauerbeschäftigungen an. Vielmehr sind - sofern die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten sind - auch zeitlich befristete Arbeitseinsätze der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht unterworfen. Für unständig Beschäftigte sieht das Sozialversicherungsrecht ebenfalls spezielle Regelungen vor, ohne generell Versicherungsfreiheit anzuordnen (vgl für das Recht der Arbeitsförderung und die GRV § 27 Abs 3 Nr 1 SGB III, § 163 Abs 1 SGB VI). Eine zusätzlich hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit hat lediglich für die GKV und sPV Bedeutung (§ 5 Abs 5 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI).

317. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Kläger für mehrere Auftraggeber tätig war oder hierzu grundsätzlich bereit war. Eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erhält erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit Gewicht, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen ( - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 28). Solche Umstände hat das LSG nicht festgestellt. Zwar hat der Senat entschieden, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein kann, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt ( - SozR 4-2400 § 7a Nr 10 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Das gilt aber nicht, wenn die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag abgestellt wird ( - juris RdNr 35 <Honorarärzte>, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

328. Auch die Höhe der erzielten Vergütung schließt die abhängige Beschäftigung nicht aus. Sie ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien (vgl - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 50 <Erziehungsbeistand>) und vorliegend als Ausdruck des Parteiwillens nicht ausschlaggebend. Dem Willen der Vertragsparteien kommt nach der Rechtsprechung des Senats generell nur dann eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl - SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38 f; zur Situation eines non-liquet - BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36, RdNr 13 <Musiklehrer>; Schlegel in Küttner, Personalbuch, 26. Aufl 2019, Arbeitnehmer <Begriff> RdNr 82). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die potentielle Bedeutung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (vgl - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit = juris RdNr 33; - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26 <Rackjobbing II>).

33Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungs-systemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Beteiligten steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlags zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann. Ebenso führt eine überlegene Verhandlungsposition von Auftragnehmern schon aus Gleichbehandlungsgründen für sich genommen nicht dazu, dass sie aufgrund möglicher Eigenvorsorge aus den Pflichtversicherungssystemen entlassen wären. Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich beim Einzelnen im Laufe der Zeit wandeln kann. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben ( 3/12 RK 6/74 - BSGE 40, 208, 209 = SozR 2200 § 169 Nr 1 S 2; vgl auch - SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 32; Schlegel in Küttner, Personalbuch, 26. Aufl 2019, Arbeitnehmer <Begriff> RdNr 57).

34V. Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis. Für Unternehmer bestehende Schwierigkeiten, qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen, und Erfordernisse einer Kostenoptimierung sind für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit nicht relevant (vgl auch Berchtold, 26. Sozialrechtliche Jahresarbeitstagung 2014, 241, 254). Dies gilt selbst für etwaige Versorgungsprobleme im Gesundheitswesen. Entsprechende Tatsachen sind ungeachtet dessen weder vom LSG festgestellt worden noch sind sie offenkundig. Da der Senat in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren über die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung und in der Folge Versicherungspflicht bei verschiedenen Gesundheitsberufen zu entscheiden hatte, hat er rein informatorisch zur Sammlung von Prozessstoff eine Befragung und Anhörung von Verbänden und Kostenträgern durchgeführt. Daraus haben sich keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der flexible Einsatz von Honorarkräften im Gesundheitswesen für die Aufrechterhaltung der Versorgung unerlässlich wäre. Finden Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Pflegeeinrichtungen nicht genügend Personal, das bereit ist, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, weil die Arbeitsbedingungen als nicht attraktiv angesehen werden (Bezahlung, Arbeitszeiten, Schicht- und sonstige Dienste), können Pflegeheime und Pflegekräfte die insoweit bestehenden Probleme nicht dadurch lösen, dass sie einen Honorarvertrag vereinbaren. Zwingende Regelungen des Sozialversicherungsrechts können nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass Arbeitsverhältnisse als Honorartätigkeit bezeichnet werden.

35VI. Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungs- und Beitragsrechts verletzen keine Grundrechte des Klägers und der Beigeladenen zu 1.

361. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit in Art 12 Abs 1 GG wird durch die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und der daraus folgenden Sozialversicherungspflicht nicht berührt.

37Für Steuer- und Abgabevorschriften ist seit langem anerkannt, dass sie nur dann an Art 12 Abs 1 GG zu messen sind, wenn sie in einem engen Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Hat eine Vorschrift hingegen keine Berufs-, sondern Beitragspflichten zum Gegenstand, steuert der Gesetzgeber insoweit weder die Wahl noch die Ausübung des Berufes (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 131/13 ua - BVerfGK 20, 327, 331 f = juris RdNr 18; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 2204/00 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 27). § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV regelt keine Berufspflichten, sondern allgemein die Merkmale der Beschäftigung als Grundlage der Versicherungs- und Beitragspflicht. Selbst wenn nach den Umständen des Einzelfalls manche Dienstleistungen praktisch nur in Form einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden können, wird Art 12 GG dadurch nicht verletzt ( - juris RdNr 3).

38Auch die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit wird durch die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer konkreten Tätigkeit nicht beschnitten. Maßstab ist auch insoweit Art 12 Abs 1 GG; das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art 2 Abs 1 GG tritt im Bereich beruflicher Betätigung als Prüfungsmaßstab zurück ( ua - BVerfGE 134, 204 RdNr 67). Welchen vertraglichen Inhalt ein Arbeitsverhältnis haben soll, wird durch die Frage nach der Beitragspflichtigkeit der vereinbarten und praktizierten Tätigkeit jedoch nicht berührt.

392. Die gesetzliche Anordnung der Zwangsmitgliedschaft und damit verbundener Beitragspflichten ist zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG (vgl ua - BVerfGE 97, 271, 286 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 7; - BVerfGE 109, 96, 111 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 38). Beschränkungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sind jedoch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig. Im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfGE 29, 221, 235 = SozR Nr 7 zu Art 2 GG; BVerfGE 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2 S 1 f). Die Sozialversicherungspflicht dient dabei einem legitimen Zweck und ist geeignet, angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie schützt - wie bereits ausgeführt - neben den Betroffenen selbst auch die Allgemeinheit vor einer übermäßigen Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 2204/00 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 29). Der Gesetzgeber darf dabei einen generalisierenden Maßstab anlegen und davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfGE 18, 257, 270 f = SozR Nr 55 zu Art 3 GG; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13).

403. Schließlich ist der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) nicht verletzt. Zur verbindlichen Auslegung von Normen ist allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die gemäß Art 92 GG den Richtern anvertraut ist ( ua - BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Zum Kernbereich der rechtsprechenden Gewalt gehört auch die letztverbindliche Streitentscheidung durch Anwendung des geltenden Rechts, soweit Art 19 Abs 4 Satz 1 GG den Rechtsweg zu den Gerichten garantiert ( - BSGE 125, 233 = SozR 4-2400 § 89 Nr 7, RdNr 51).

41VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

42VIII. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:070619UB12KR818R0

Fundstelle(n):
EAAAH-33141