BGH Beschluss v. - 3 StR 337/18

(Überweisung von Serverkosten als Beihilfe zur Volksverhetzung)

Gesetze: § 129 Abs 1 StGB, § 130 StGB, § 206a Abs 1 StPO, § 264 StPO, § 349 Abs 2 StPO, § 349 Abs 4 StPO, § 354 Abs 1 StPO, § 467 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 2 StE 21/16-5

Gründe

1Das Oberlandesgericht hat die Angeklagte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zur Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Das auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel der Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Soweit das Oberlandesgericht die Angeklagte im Fall II. B. 20 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Volksverhetzung verurteilt hat, fehlt es an den Verfahrensvoraussetzungen einer Anklageerhebung und eines Eröffnungsbeschlusses, sodass das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO einzustellen ist.

3a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom war der Angeklagten zur Last gelegt worden, seit dem Teil einer Personenvereinigung gewesen zu sein, deren Zweck darauf gerichtet gewesen sei, die Internetplattform "A.            " zu betreiben. Diese Internetseite sei nach dem Willen ihrer Betreiber darauf angelegt gewesen, unter Ausnutzung ihrer Reichweite und Themenvielfalt mittels aggressiver nationalsozialistischer Propaganda eine ideologisch geprägte Berichterstattung zu tagesaktuellen Ereignissen im Sinne einer rechtsextremistischen "Gegenöffentlichkeit" zu schaffen. Wesentlicher Bestandteil der auf diese Weise betriebenen Verbreitung einer verfassungs- und fremdenfeindlich, antisemitisch und nationalsozialistisch geprägten Weltanschauung sei die uneingeschränkte Veröffentlichung nach § 130 StGB strafbewehrter Artikel, Nutzeräußerungen und sonstiger Inhalte gewesen. Durch die Ausübung der ihr am von dem Mitangeklagten K.   in Übereinstimmung mit der Mitangeklagten V.    verliehenen Moderatorenrechte habe die Angeklagte wesentlich zur Aufrechterhaltung der Internetplattform "A.           " beigetragen und so gemeinschaftlich handelnd mit den Mitangeklagten V.     , K.    , P.    und T.    die Veröffentlichung einer Vielzahl strafrechtlich relevanter Beiträge ermöglicht. In der Anklageschrift wird dieser Sachverhalt rechtlich als zwei tatmehrheitliche Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlich begangener Volksverhetzung (§ 129 Abs. 1, § 130 StGB aF, § 130 StGB, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB) gewürdigt.

4b) Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts (Fall II. B. 20 der Urteilsgründe) überwies die zu diesem Zeitpunkt lediglich als Nutzerin der Plattform registrierte Angeklagte am auf Bitte des Mitangeklagten K.      insgesamt 40 € an den Betreiber des für den Betrieb der Internetplattform genutzten Servers, um eine drohende Abschaltung desselben zu vermeiden. Dabei war der Angeklagten die Zwecksetzung von "A.           " wie auch der Umstand bekannt, dass dort auch strafrechtlich relevante Inhalte veröffentlicht werden. Das Oberlandesgericht hat diesen Sachverhalt als Beihilfe (§ 27 StGB) zu dem uneigentlichen Organisationsdelikt der Mitangeklagten V.    und K.    gewertet, deren Verantwortlichkeit für die durch die Nutzer der Plattform eingestellten strafrechtlich relevanten Beiträge sich aus der Zurverfügungstellung und Aufrechterhaltung der Internetplattform ergebe. Entgegen der rechtlichen Bewertung der Anklageschrift hat der Strafsenat indes in den Moderatorenhandlungen der Angeklagten keine wesentlichen, auf die Aufrechterhaltung der Plattform und damit der Verbreitung strafrechtlich relevanter Beiträge gerichteten Beteiligungshandlungen gesehen. Das Oberlandesgericht hat diesen Sachverhalt vielmehr ausschließlich als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gewürdigt.

5c) Die auf die Überweisung von Serverkosten gestützte Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zur Volksverhetzung hat keinen Bestand; das Verfahren ist insoweit einzustellen. Dieser Sachverhalt ist von der Anklageschrift nicht umfasst.

6Zwar muss das Tatgericht seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden. Die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne ist erschöpfend abzuurteilen. Das Tatgericht ist dabei an die rechtliche Beurteilung, wie sie der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde liegt, nicht gebunden. Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Sachverhalt, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll; zu dieser Tat gehört deshalb das gesamte Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt (, juris Rn. 7 mwN).

7An diesen Maßstäben gemessen sind die Überweisungen vom jedoch nicht Gegenstand der Anklage. Das Geschehen liegt zeitlich deutlich vor der Verleihung der Moderatorenrechte an die Angeklagte. Es findet in der Anklageschrift, die der Angeklagten ausschließlich Handlungen im Zusammenhang mit "A.           " nach dem zur Last legt, keine Erwähnung.

8Die Überweisung der Serverkosten und die von der Anklage umfasste Ausübung der Moderatorenrechte stellen damit unterschiedliche prozessuale Taten nach § 264 StPO dar, weshalb auch der gerichtliche Hinweis vom auf eine mögliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Volksverhetzung durch Überweisung der Serverkosten und die pauschale Wiedereinbeziehung von in der Anklage nach § 154a StPO ausgeschiedenen Tatteilen die fehlende Anklageerhebung nicht ersetzen konnten (vgl. , NStZ 1985, 515).

9Das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Beihilfe zur Volksverhetzung auf Kosten der Staatskasse (§ 467 Abs. 1 StPO) zur Folge hat (vgl. , juris Rn. 9 mwN).

10Die Einstellung des Verfahrens im Fall II. B. 20 der Urteilsgründe führt zur Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist die Einzelstrafe, die für den einzustellenden Verfahrensteil ausgeurteilt worden ist, hier nicht mit Blick auf eine abweichende rechtliche Bewertung des anhängig bleibenden, eine andere Tat im materiellen und prozessualen Sinne darstellenden Sachverhaltes aufrechtzuerhalten.

112. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Offen bleiben kann dabei, ob die durch das Oberlandesgericht festgestellte Moderatorentätigkeit (Urteilsgründe S. 73, 74) rechtlich auch als Beihilfe zur Volksverhetzung zu werten ist, denn insoweit ist die Angeklagte jedenfalls nicht beschwert.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:050619B3STR337.18.1

Fundstelle(n):
WAAAH-32471