BGH Beschluss v. - V ZB 39/19

Anwesenheit eines Rechtsanwalts bei Anhörung in Haftverlängerungsverfahren

Leitsatz

Ist dem Haftrichter, der über einen Haftverlängerungsantrag zu entscheiden hat, bekannt, dass der Betroffene in dem vorangegangenen Haftanordnungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, muss er den Betroffenen fragen, ob dieser ihn auch im Verfahren über die Haftverlängerung vertreten soll, und, wenn die Frage bejaht wird, dem Rechtsanwalt eine Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen. Kann dieser den schon anberaumten Anhörungstermin nicht wahrnehmen, ist ein neuer Termin zu bestimmen.

Gesetze: § 420 Abs 1 S 1 FamFG, § 425 Abs 3 FamFG, § 427 FamFG

Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 26 T 2/19vorgehend AG Darmstadt Az: 271 XIV 31/19 B

Gründe

I.

1Der Betroffene, ein jamaikanischer Staatsangehöriger, reiste 2016 nach Deutschland ein. Mit Beschluss vom ordnete das Amtsgericht Homburg Abschiebungshaft bis zum an. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Darmstadt mit Beschluss vom die Verlängerung der Sicherungshaft bis einschließlich angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das zurückgewiesen. Am ist der Betroffene abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts ihn für den Zeitraum vom bis zum in seinen Rechten verletzt haben. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

2Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht zu Recht die Verlängerung der Abschiebungshaft angeordnet. Der für die Abschiebung vorgesehene sei der nächstmögliche Termin. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig und der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) liege vor.

III.

3Die mit dem Feststellungsantrag gemäß § 62 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet und führt zur Feststellung der Rechtsverletzung für den beantragten Zeitraum bis zum . Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hat die Verfahrensweise des Amtsgerichts den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt; dieser Verfahrensmangel ist erst in der Beschwerdeinstanz geheilt worden.

41. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 4 und vom - V ZB 79/18, juris Rn. 5). Dies gilt auch für die Verlängerung der Abschiebungs- oder Rücküberstellungshaft, auf die nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt anzuwenden sind (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 167/16, juris Rn. 7).

52. Danach ist das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt.

6a) Ausweislich des Terminvermerks vom war dem Amtsgericht bekannt, dass der Betroffene in dem vorangegangenen Haftanordnungsverfahren vor dem Amtsgericht Homburg durch eine Rechtsanwältin vertreten wurde. Hieraus folgt zwar nicht zwingend, dass er auch in dem Verfahren über die Haftverlängerung durch diese Rechtsanwältin vertreten wurde, wie die beteiligte Behörde in ihrer Erwiderung im Ausgangspunkt zu Recht bemerkt. Es handelt sich bei der Haftanordnung und der Haftverlängerung um zwei unterschiedliche Verfahren (vgl. Senat, Beschlüsse vom - V ZB 230/17, Asylmagazin 2018, 387 Rn. 7 und vom - V ZB 144/17, z. Veröff. best.). Dass die Rechtsanwältin den Betroffenen auch in dem Verlängerungsverfahren vertreten würde, lag jedoch angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs beider Verfahren nahe.

7b) In einem solchen Fall erfordern die Grundsätze des fairen Verfahrens, dass der Haftrichter das Haftverlängerungsverfahren so gestaltet, dass der Betroffene von seinem Recht, seinen Anwalt zu der Anhörung hinzuzuziehen, effektiv Gebrauch machen kann. Der zur Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung einer Sicherungshaft berufene Haftrichter ist zwar nicht verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob sich in dem Verfahren über die vorangegangene Haftanordnung ein Rechtsanwalt bestellt hat (Senat, Beschluss vom - V ZB 144/17, z. Veröff. best.). Über den ihm bekannten Umstand, dass der Betroffene in dem vorangegangenen Haftanordnungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, darf er aber nicht hinweggehen. Der Haftrichter muss in diesem Fall den Betroffenen fragen, ob dieser ihn auch im Verfahren über die Haftverlängerung vertreten soll, und, wenn die Frage bejaht wird, dem Rechtsanwalt eine Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen. Kann dieser den schon anberaumten Anhörungstermin nicht wahrnehmen, ist ein neuer Termin zu bestimmen. Dies bedeutet nicht, dass der Betroffene gegebenenfalls aus der Haft entlassen werden müsste. Der Haftrichter hat bis zu dem neuen Termin nur von einer endgültigen Entscheidung über die Haftverlängerung abzusehen, kann aber bis dahin auf entsprechenden Antrag Haft vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 427 FamFG anordnen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 5).

8c) Diesen Anforderungen an eine faire Verfahrensgestaltung ist das Amtsgericht hier nicht gerecht geworden. Es hat ungeachtet seiner Kenntnis davon, dass der Betroffene im Verfahren über die vorangegangene Haft durch eine Rechtsanwältin vertreten war, das Verfahren über die beantragte Haftverlängerung durchgeführt, ohne den Betroffenen danach zu fragen, ob er durch diese Rechtsanwältin auch im Verlängerungsverfahren vertreten werden wolle, und ohne ihr Gelegenheit zur Teilnahme an der Anhörung zu geben. Damit hat es deren Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen vereitelt. Die Haftverlängerung war deshalb rechtswidrig.

93. Der Verfahrensfehler des Amtsgerichts ist - mit Wirkung für die Zukunft (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 167/16, juris Rn. 9) - in der Beschwerdeinstanz geheilt worden. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen am in Anwesenheit seiner Verfahrensbevollmächtigten nochmals angehört und am selben Tag über die Fortdauer der Haft entschieden. Damit ist am Heilung des Verfahrensfehlers eingetreten (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 71/17, FGPrax 2018, 136 Rn. 6), so dass die Rechtsverletzung bis zum angedauert hat.

IV.

10Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

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Fundstelle(n):
JAAAH-31875