Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
LSG Berlin-Brandenburg Urteil v. - L 9 KR 110/16

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Patientenlifters des Modells "Hor-cher Lexa L" als Sachleistung. Der 1987 geborene Kläger leidet an einem Apallischem Syndrom mit schweren ce-rebralen Störungen und Tetraspastiken. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt mit den Merkzeichen B, Bl, aG, H, RF und T. Er ist ca. 1,85 m groß und wiegt ca. 85 kg. Der Kläger ist vollständig immobil, kann weder gehen noch stehen, hat keine Kontrol-le über seine Kopf- und Rumpfmuskulatur, ist harn- und stuhlinkontinent, kann nicht sprechen sowie nicht eigenständig schlucken und wird daher über eine PEG-Sonde ernährt. Er reagiert jedoch auf Schmerzreiz sowie akustische Reize und ist insbe-sondere bei akustischen Reizen mitunter sehr schreckhaft. Er hat Spastiken in den oberen und unteren Extremitäten, insbesondere eine ausgeprägte Beugespastik der Ellenbogen beidseitig, Kontrakturen in den Armen, Händen, Fingergelenken und Bei-nen. Der Kläger hatte die Pflegestufe 3 und hat aktuell Pflegegrad 5. Er erhält von der Pflegekasse der Beklagten Leistungen bei stationärer Pflege, die seit 2003 im Wohnheim der Beigeladenen im PPB durchgeführt wird. Diesbezüglich schloss die Mutter des Klägers als dessen rechtliche Betreuerin mit der Beigeladenen am 28. März 2011 einen Wohnheimvertrag. Nach § 3 des Vertrages leistet der Unternehmer Betreuung gemäß der vorvertraglichen Information. Nach § 4 erbringt der Unterneh-mer pflegerische Leistungen, soweit diese im Rahmen der Eingliederungshilfe er-bracht werden können. Leistungen der medizinischen Behandlungspflege werden nach § 4 (5) unter der Voraussetzung angeboten, dass die Hilfsmittel durch den Be-wohner beschafft bzw. er der Anspruch gegenüber der Krankenkasse durchgesetzt hat. Das Wohnheim ist eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne des §§ 43a SGB XI. Das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe erbringt Hilfe in dieser Ein-richtung in vollem Umfang und nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches/ Zwölftes Buches (SGB XII) gegenüber dem pflegebedürftigen Behinderten. Es schloss mit der Beigeladenen eine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII i.V.m. dem Berliner Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für Hilfen in Einrichtungen ab. Nach § 9.1 der Vereinbarung sind in der vereinbarten Vergütung Pflegeleistungen enthalten. Nach § 9.2 leistet das Land Berlin die nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarte Vergütung in voller Höhe an die Einrichtung und macht nach § 95 SGB XII den Anspruch auf Leistungen nach § 43a SGB XI gegenüber der Pflegekasse direkt geltend. Nachdem der Kläger von 2003 bis 2012 den Patientenlifter eines anderen Pflegebe-dürftigen mitnutzen konnte, beantragte er nach dessen Wegzug unter Vorlage einer Verordnung seiner behandelnden Ärzte für Allgemeinmedizin vom 27. Juli 2012 und eines Kostenvoranschlages vom 21. August 2012 in Höhe von 5.561,23 Euro die Gewährung eines Patientenlifter des Typs "Horcher Lexa L" nebst Zubehör als Sach-leistung. Zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes beauftragte die Beklagte den Medizini-schen Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK) sowie einen Hilfsmittel-berater zur Begutachtung der Hilfsmittelsituation. Der Hilfsmittelberater kam nach einem erfolgten Hausbesuch in der Wohngruppe des Klägers zu dem Ergebnis, dass mit einem Lifter mit schwenkbaren Sitz-/Liegebügel sowohl ein bequemes Umsetzen des Klägers, als auch eine Reduzierung der zum Teil sehr athetotischen Bewegun-gen des Klägers möglich sei. Durch die konstruktionsbedingte weite Anordnung des Trapezbügels sowie durch eine entsprechende Sitzeinstellung werde die Verlet-zungsgefahr bei den überstreckten Bewegungsmustern des Klägers reduziert. Da der Kläger jedoch in einer auf Spastiker spezialisierten Wohneinheit lebe und eine Reduzierung der Geräuschkulisse zur Vermeidung des Erschreckens auch durch einfache Maßnahmen möglich sei, sei die Versorgung des Klägers mit einem Standardpatientenlifter mit Liegendtransportbügel/-tuch ausreichend. Der MDK kam in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 20. Dezember 2012 zum Ergebnis, dass bei dem Krankheitsbild des Klägers ein fahrbarer Lifter der Pro-duktart 22.40.01.0 mit 4 Punkt-Aufhängung für das Hebetuch medizinisch sinnvoll sei. Jedoch sei die stationäre Pflegeeinrichtung zur Vorhaltung von Pflegehilfsmitteln, welche für eine angemessene Pflege ihrer Kunden erforderlich seien, verpflichtet. Hierzu würden auch Patientenlifter nebst Zubehör in ausreichender Menge und ge-eigneter Ausführung gehören. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse sei daher nicht geboten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2013 die beantragte Kos-tenübernahme mit der Begründung ab, dass die Versorgung mit einem Patientenlifter in die Leistungspflicht der Beigeladenen als Träger des Wohnheimes gehöre. Den hiergegen am 19. Februar 2013 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 11. März 2013 sowie Beiziehung des Wohnheimvertrages und der Vereinbarung zwi-schen dem Land Berlin und der Beigeladenen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII mit Wi-derspruchsbescheid vom 21. Mai 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Heimträger im Rahmen des üblichen Pfle-gebetriebes alle notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen habe, welche erfor-derlich seien, um den Versicherten ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und in medizinischer Behandlungspflege zu versorgen. Dabei umfasse die Bereitstellungspflicht der Pflegeheime und Einrichtungen nach § 43a SGB XI alle Hilfsmittel, die zur Durchführung einer dem allgemein anerkannten Stand der medizi-nisch-pflegerischen Erkenntnisse entsprechenden Pflege und sozialen Betreuung innerhalb des Pflegeheimes und auf dem Heimgelände erforderlich seien. Patienten-lifter, welche in den Nutzungsbereich der Pflegeeinrichtungen fallen, seien keine Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung. Dabei könne bei Versicherten in vollstationärer Pflege unterstellt werden, dass der Patientenlifter mit entsprechendem Zubehör ganz bzw. überwiegend der Erleichterung der Pflege dienten. Bei dem be-antragten Patientenlifter handele es sich nicht um ein individuell an die Behinderung des Klägers angepasstes Hilfsmittel, da dieses lediglich allgemein diverse Verstell-möglichkeiten anbiete. Die hiergegen am 24. Mai 2013 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Ur-teil vom 3. Februar 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Gewährung eines Patientenlifter Horcher Lexa L als Sachleistung zu, da ihm ein die Pflege erleichternder Charakter im Sinne des § 40 Abs. 2 SGB XI zukomme und er nur mittelbar dem Behinderungsausgleich diene, so dass dem Träger der Wohneinrichtung die Verpflichtung obliege, den Kläger mit ei-nem Patientenlifter zu versorgen. Bei vollstationärer Pflege habe der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebes notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet sei, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versor-gen. Eine Ausnahme ergebe sich auch nicht daraus, dass es sich um ein individuel-les Hilfsmittel handele, da der begehrte Patientenlifter serienmäßig hergestellt und nicht individuell angepasst werde. Er könne auch nicht nur von einem Pflegebedürfti-gen allein genutzt werden, wie bereits das jahrelange Mitbenutzen des Lifters ande-rer Pflegebedürftiger zeige. Gegen das ihm am 10. Februar 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. März 2016 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf Gewährung des Patientenlifters als Sachleistung zustehe, da die Beigeladene keine Vorhaltepflicht treffe. Eine solche ergebe sich insbesondere nicht aus der Vereinbarung mit dem Träger der Sozialhilfe nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass es sich bei der Beigeladenen nicht um ein Pflegeheim nach § 71 Abs. 2 SGB XI handele, sondern um eine stationäre Einrich-tung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, in der Leistungen zur medizinischen Vorsor-ge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder be-hinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stünden. Das durch den Versorgungsauftrag einer Einrichtung bestimmte Profil bestimme auch den Um-fang seiner Ausstattung mit pflegerischem Inventar und den der Grundpflege dienen-den Hilfsmitteln. Dieses werde durch die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII definiert. Daher müsse die Beigeladenen nur solches Inventar vorhalten, was in der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII geregelt sei, im Übrigen sei die Beklagte für die Erbringung der notwendigen Hilfsmittel zuständig. Die Vorhaltung des Inventars sei nicht von den dem Hilfebedürftigen bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe umfasst. Der Beigeladene sei als Träger einer Einrichtung der Behindertenhilfe, der sich zur Aufnahme Versicherter mit unterschiedlichsten Bedürfnissen bereit erklärt habe, nicht automatisch verpflichtet, alle Vorhalteaufwendungen zu treffen, um über seine Verpflichtungen aus dem Heimvertrag und der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII hinaus alle Grundbedürfnisse der aufgenommenen Versicherten zu decken. Überdies sei die Benutzung des speziellen Patientenlifters nicht behinderungstypisch. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2016 sowie den Ableh-nungsbescheid vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 21. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Klä-ger einen Patientenlifter des Typs "Horcher Lexa L" nebst Zubehör als Sach-leistung zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und hält das erstin-stanzliche Urteil für zutreffend. Die Beigeladene sei im Rahmen des üblichen Pflege-betriebes verpflichtet, die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, da sie von der Pflegekasse gemäß § 43a SGB XI Aufwendungen für Pflegebedürftige be-ziehe und der Verwendungszweck des Patientenlifters überwiegend darin bestehe, die Durchführung der Pflege zu ermöglichen. Die Beigeladene habe sich verpflichtet auch schwerstpflegebedürftige Personen aufzunehmen und daher gemäß ihrem Ver-sorgungsauftrag deren Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand der medizi-nisch-pflegerischen Erkenntnisse nach § 11 Abs. 1 SGB XI zu gewährleisten. Sofern hierfür die Nutzung eines Patientenlifters notwendig sei, müsse diesen die Einrich-tung vorhalten. Es handele sich auch nicht um ein ausnahmsweise doch von der Be-klagten zu gewährendes Hilfsmittel, da es sich bei dem Patientenlifter nicht um ein individuelles Hilfsmittel des Pflegebedürftigen handele. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug ge-nommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Ver-handlung und der Entscheidungsfindung war.

Fundstelle(n):
CAAAH-30995

Preis:
€5,00
Nutzungsdauer:
30 Tage
Online-Dokument

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 04.06.2019 - L 9 KR 110/16

Erwerben Sie das Dokument kostenpflichtig.

Testen Sie kostenfrei eines der folgenden Produkte, die das Dokument enthalten:

NWB MAX
NWB PLUS
NWB PRO
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen