Vermögensabschöpfung bei Steuerstraftaten
Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, Art 316h S 1 StGBEG
Instanzenzug: Az: 145 Js 115383/16 jug - 11 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in sieben Fällen, wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel in drei Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten - als Gesamtschuldner mit dem Nichtrevidenten E. - in Höhe von 106.099,60 Euro angeordnet.
2Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten hat - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision, mit der der Verwerfungsbeschluss des gegenstandslos wird - nur hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
3Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 106.099,60 Euro gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
41. Die Strafkammer hat folgende für die Einziehungsentscheidung bedeutsame Feststellungen und Wertungen getroffen:
5Der nichtrevidierende Mitangeklagte E. handelte mit Wasserpfeifentabak aus der Schweiz, indem er regelmäßig große Mengen Wasserpfeifentabak bei verschiedenen Wasserpfeifentabaklieferanten in der Schweiz erwarb, diesen entgegen Art. 40 ZK aF i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG, §§ 19, 21 TabStG ohne Gestellung bei der nächstgelegenen annahmebereiten Zollstelle sowie ohne Anmeldung der fälligen Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) über die Grenze in die Bunderepublik Deutschland in das Gemeinschaftsgebiet einführte, um diesen gewinnbringend im Inland an Betreiber diverser Shisha-Bars oder Tabakhändler zu verkaufen.
6Der Angeklagte beteiligte sich in 11 Fällen in unterschiedlicher Weise an den Einfuhrtaten des Mitangeklagten E. . Er fuhr in sieben Fällen jeweils auf dessen Weisung mit einem zuvor hierfür angemieteten Fahrzeug von Deutschland in die Schweiz, wobei er jeweils zuvor Bargeld für den Ankauf des von dem Mitangeklagten E. bestellten Wasserpfeifentabaks erhalten hatte (Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe). Nach Ankauf des Wasserpfeifentabaks lenkte der Angeklagte den PKW als Fahrer mit dem unversteuerten und unverzollten Wasserpfeifentabak selbst über die Grenze nach Deutschland.
7Der Angeklagte erhielt für jede der Fahrten aus der Schweiz nach Deutschland sowie in Deutschland eine Entlohnung in Höhe von 150 Euro, im Übrigen für Fahrten in der Schweiz in Höhe von 100 Euro. Das Landgericht hat, gestützt auf die Fälle 1-5, 8 und 10 der Urteilsgründe, die Einziehung von Wertersatz der von dem Angeklagten als zollamtlichem Verbringer (Art. 40 ZK) der Waren hinterzogenen Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 106.099,60 Euro angeordnet.
82. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB.
93. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom - 1 StR 244/18 Rn. 7; vom - 1 StR 118/16 Rn. 8; vom - 1 StR 239/10, wistra 2010, 406 und vom - 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415).
10Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Im Hinblick auf die Struktur der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer (dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN) ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen - anders als das Landgericht meint - nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Abschöpfung nach §§ 73 ff. StGB setzt mehr voraus als die bloße Erfüllung des Steuerstraftatbestandes. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.
11Der Angeklagte hat die Steuerersparnis in vorgenanntem Sinne zu keinem Zeitpunkt des Tatablaufs wirtschaftlich erlangt. Denn aufgrund der zwischen den Beteiligten getroffenen Abreden war der Wasserpfeifentabak, auf den sich die Hinterziehung der Einfuhrabgaben bezog, allein für den Weiterverkauf durch den Mitangeklagten E. bestimmt, so dass der Angeklagte durch die Taten zu keinem Zeitpunkt selbst einen wirtschaftlichen Vorteil gezogen hat. Als Gegenleistung und mithin „für die Tat“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat er lediglich die Löhne für die von ihm durchgeführten Fahrten, sodass diese gemäß §§ 73, 73c StGB abzuschöpfen sind.
II.
12Die Entscheidung über die Einziehung bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das Landgericht die Höhe der von dem Angeklagten erhaltenen Entlohnung nicht im Einzelnen festgestellt hat, sieht sich der Senat gehindert, selbst zu entscheiden. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen hinsichtlich der entlohnten Schmuggel- bzw. Begleitfahrten treffen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:230519B1STR479.18.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2020 S. 12 Nr. 1
PStR 2019 S. 229 Nr. 10
wistra 2019 S. 450 Nr. 11
AAAAH-30439