BGH Beschluss v. - 1 StR 54/19

(Einziehung bei Einstellung eines Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO)

Gesetze: § 374 Abs 2 S 2 AO, § 73 Abs 1 StGB, § 73b Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 73c StGB, § 76a Abs 3 StGB, § 73 Abs 3 Nr 1 StGB, § 154 Abs 2 StPO, § 435 Abs 1 S 1 StPO, § 435 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 2 KLs 3/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.        wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Mitangeklagte Sa.       hat es wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat das Landgericht gegen die Angeklagten die „erweiterte Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen“ in Höhe von 388.630 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.

2Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie jeweils mit der ausgeführten Sachrüge, der Angeklagte S.       zusätzlich mit einer Verfahrensrüge, begründet haben.

3Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

41. Die Verfahrensrüge des Angeklagten S.       , mit der er beanstandet, das Urteil beruhe auf einem „unverhältnismäßigen Verlangen im Rahmen des Verständigungsvorschlags“, ist unbegründet.

5Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Strafkammer nicht an den Verständigungsvorschlag (Strafobergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe bei umfassendem Geständnis) gebunden war, weil eine Verständigung nicht zustande gekommen ist und das vom Angeklagten erst nach Abschluss der Beweisaufnahme abgelegte Teilgeständnis mit geringerem Gewicht zu berücksichtigen war.

6Soweit die Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auch davon abhängig gemacht hatte, dass die Angeklagten bis zum Schluss der Beweisaufnahme 200.000 Euro an die „Landeskasse“ zahlen sollten, und zugesichert hatte, dass dann eine weitere Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen nicht erfolgen würde, kann dahinstehen, ob die Verfahrensbeteiligten über die nach § 73c Satz 1 StGB zwingend anzuordnende Einziehung des Wertes von Taterträgen (st. Rspr.; vgl. z.B. , Rn. 42 und vom - 2 StR 262/18, Rn. 6; Beschluss vom - 1 StR 326/18, Rn. 6) überhaupt im Rahmen einer Verständigung disponieren können.

72. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler ergeben.

8In Bezug auf die im Urteil angegebenen Tatzeiten und Mengen der jeweiligen Steuerhehlerei hat der Angeklagte eingeräumt, dass die in der Anklageschrift benannten Lieferanten und die von diesen gelieferten Mengen zuträfen. Sein Geständnis wird durch die gegen die Angeklagten und gegen mehrere Lieferanten durchgeführten Observations- und Telekommunikationsmaßnahmen, insbesondere durch observierte Anlieferungen von Zigaretten sowie Telefonate über Bestellungen bestimmter Mengen an Zigaretten von den Abnehmern bei den Angeklagten und von den Angeklagten bei den Lieferanten bestätigt.

93. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

10a) Die Strafkammer hat bei dem Angeklagten S.        einen minder schweren Fall der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 Satz 2 AO abgelehnt und gegen ihn Einzelstrafen verhängt, die sich an der Menge der angekauften Stangen von Zigaretten und des sich hieraus ergebenden Tabaksteuerhinterziehungsbetrages orientieren. Dabei hat die Strafkammer der Bemessung der Einzelstrafen ein abstraktes Schema zugrunde gelegt. Danach sind bei bis zu 100 Stangen sechs Monate Freiheitsstrafe (das betrifft zwei Fälle mit Lieferungen von 40 Stangen und 60 Stangen) zu verhängen, bei „bis unter“ 300 Stangen sieben Monate, bei über 300 Stangen acht Monate, ab 350 Stangen neun Monate, ab 600 bis 1.000 Stangen zehn Monate und darüber hinaus elf Monate. Welche Strafe für genau 300 Stangen zu verhängen ist, hat die Strafkammer nicht festgesetzt. Dies beschwert den Angeklagten aber nicht, da die Strafkammer in den Fällen mit genau 300 Stangen auf die niedrigere Strafe von sieben Monaten erkannt hat. Entsprechendes gilt für Fall 28 (1.050 Stangen), für den die Strafkammer zehn Monate verhängt hat, obwohl es nach dem vorangestellten Schema elf Monate hätten sein müssen. Für die Tat 18 (1.800 Stangen) hat die Strafkammer ein Jahr Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe festgesetzt. Dies widerspricht dem von der Strafkammer verwendeten Schema und beschwert den Angeklagten auch.

11Bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren knüpft die Strafkammer an diese Einsatzstrafe an, indem sie ausführt, sie habe „aus den Einzelstrafen unter der Erhöhung der höchsten verwirkten Freiheitsstrafe von einem Jahr als Einsatzstrafe eine Gesamtstrafe gebildet“ (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB).

12b) Bei der Angeklagten Sa.       hat die Strafkammer zwar einen minder schweren Fall angenommen, aber trotz des verminderten Schuldgehalts regelmäßig dieselben Einzelstrafen wie bei S.       verhängt; in zwei Fällen erhält sie sogar einen Monat mehr (Fälle 11, 12), nur in einem einzigen Fall einen Monat weniger (Fall 13).

13c) Der Senat hat deshalb bei beiden Angeklagten sämtliche Einzelstrafen aufgehoben, um der Strafkammer eine neue und in sich stimmige Strafzumessung in allen Einzelfällen zu ermöglichen. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter darf ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

144. Die Entscheidung über die „erweiterte“ Einziehung des Wertes von Taterträgen hält nur teilweise einer rechtlichen Überprüfung stand.

15Der Steuerhehler erlangt im Sinne des § 73 StGB zunächst die Zigaretten, indem er sie ankauft oder sich sonst verschafft (§ 73 Abs. 1 StGB), und durch den Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös als Tatertrag (§ 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB; BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 407/18, Rn. 11; vom - 1 StR 244/18, Rn. 8; vom - 1 StR 613/14, Rn. 15 und vom - 1 StR 37/11, Rn. 11). Der Wert dieser Taterträge ist nach § 73 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 73c StGB einzuziehen. Die Bezeichnung als erweiterte Einziehung ist unzutreffend.

16Wird das Verfahren - wie hier hinsichtlich der Angeklagten Sa.        - hinsichtlich eines Teils der Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, können die diesen Taten zugeordneten Taterträge nach § 76a Abs. 3 StGB nur noch im selbstständigen Einziehungsverfahren eingezogen werden. Dieses setzt einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO voraus (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 407/18, Rn. 13 mwN und vom - 3 StR 421/02, Rn. 9). Fehlt es daran (vgl. SA IV HVP S. 165), steht der dennoch ausgesprochenen Einziehung das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 605/17, Rn. 8 und vom - 3 StR 28/18, Rn. 4).

17Die Anordnung der Einziehung von Wertersatz hinsichtlich der eingestellten Taten kann nicht - anders als der Generalbundesanwalt meint - auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gestützt werden.

18Nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73, 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat. Die Angeklagte Sa.       ist hinsichtlich der Verkaufserlöse in den eingestellten Fällen nicht „ein anderer“ im Sinne dieser Vorschrift, sondern Mittäterin. § 73b Abs. 1 StGB enthält die Grundregel, wonach bei Drittbegünstigten die aus rechtswidrigen Taten erlangten Vermögenswerte durch Einziehung abzuschöpfen sind (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB „Vertretungsfall, Nr. 2 „Verschiebungsfall“, Nr. 3 „Erbfall“). In allen Fällen richtet sich die Einziehungsanordnung gegen Personen, die nicht Tatbeteiligte im Sinne von § 73 StGB sind, aber infolge der Tat selbst etwas erlangt haben (Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73b Rn. 3).

19Die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat hinsichtlich der Angeklagten Sa.        daher nur in Höhe von 148.192 Euro (6.736 Stangen à 22 Euro) Bestand.

205. Die Taten 13 bis 15 der Urteilsgründe sind von der am beschlossenen und die Angeklagte Sa.       betreffenden Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht erfasst (vgl. SA IV HVP S. 162, 163). Insoweit ist hinsichtlich der Angeklagten Sa.       weder ein Schuldspruch noch ein Freispruch erfolgt. In diesem Umfang ist das Verfahren noch beim Landgericht anhängig.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:250419B1STR54.19.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2020 S. 13 Nr. 1
wistra 2019 S. 453 Nr. 11
RAAAH-29756