Anfechtbarkeit eines Beschluss über öffentliche Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags
Leitsatz
Der Beschluss des Prozessgerichts über die öffentliche Bekanntmachung eines gemäß § 2 KapMuG gestellten Musterverfahrensantrags im Klageregister ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG selbst dann unanfechtbar, wenn der Rechtsmittelführer geltend macht, der Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 1 Abs. 1 KapMuG) sei nicht eröffnet.
Gesetze: § 1 Abs 1 KapMuG, § 2 KapMuG, § 3 Abs 2 S 1 KapMuG
Instanzenzug: Az: 17 W 65/16vorgehend LG Krefeld Az: 3 O 328/15
Gründe
I.
1Der Kläger begehrt von der Beklagten im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung.
2Nach einem Beratungsgespräch Ende 2005 zeichnete der Kläger am eine Beteiligung am L. Fonds in Höhe von 10.000 US-Dollar zuzüglich eines Agios in Höhe von 5% der Anlagesumme. Der Kläger zahlte am die Anlagesumme in Höhe von 10.000 US-Dollar zuzüglich des Agios in Höhe von 500 US-Dollar. In der Folgezeit erhielt er Ausschüttungen in Höhe von 1.217,84 €.
3Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger mit Schriftsatz vom einen Musterverfahrensantrag nach dem KapMuG gestellt, der unter anderem in Bezug auf den von der Streithelferin der Beklagten herausgegebenen Emissionsprospekt die Feststellung diverser Prospektfehler zum Gegenstand hat. Das entschieden, den Musterverfahrensantrag weitgehend, insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachten Prospektfehler, im Klageregister des Bundesanzeigers bekannt zu machen, im Übrigen aber den Antrag als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist am im Klageregister veröffentlicht worden.
4Die Streithelferin der Beklagten ist der Ansicht, dass der Musterverfahrensantrag unzulässig sei, weil der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet sei.
5Gegen den Bekanntmachungsbeschluss des hat die Streithelferin der Beklagten sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie dessen Aufhebung und die Verwerfung des Musterverfahrensantrages als unzulässig begehrt hat. Sie meint, der Anwendungsbereich des KapMuG sei hier nicht eröffnet, so dass der Anfechtungsausschluss des § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG keine Anwendung finde. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom als unzulässig verworfen.
6Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht im Wesentlichen ausgeführt, dass das Rechtsmittel unzulässig sei, weil § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG die Unanfechtbarkeit des Beschlusses zur Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrages anordne.
7Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Streithelferin der Beklagten ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
8Die von der Streithelferin der Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
91. Die Rechtsbeschwerde ist weder gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO noch gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG ist die Anfechtung des Bekanntmachungsbeschlusses ausgeschlossen. Die Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts entfaltet für das Rechtsbeschwerdegericht keine Bindungswirkung.
10a) Durch die Zulassungsentscheidung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich eröffnet ist, nicht aber in den Fällen, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch den Ausspruch eines Gerichts der Anfechtung unterworfen werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14, 15 und vom - III ZB 69/14, BGHZ 207, 306 Rn. 7 jeweils mwN).
11b) So liegt der Fall hier. Der Bekanntmachungsbeschluss ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG unanfechtbar. Etwas anderes gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht in den Fällen, in denen der Rechtsmittelführer - wie hier die Streithelferin der Beklagten - geltend macht, der Anwendungsbereich des KapMuG (§ 1 Abs. 1 KapMuG) sei nicht eröffnet (offengelassen von , BGHZ 207, 306 Rn. 9).
12aa) Allerdings gehen Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass der Anfechtungsausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG keine Anwendung findet, wenn das Ausgangsverfahren nicht in den Anwendungsbereich des KapMuG fällt. Vielmehr sei in diesen Fällen eine Anfechtung des Bekanntmachungsbeschlusses analog § 252, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft (vgl. KG, WM 2015, 71 f.; KG, Beschlüsse vom - 7 Kap 2/14, juris Rn. 8, vom - 4 Kap 14/14, juris Rn. 10 und vom - 4 Kap 1/14, juris Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Großerichter, ZPO, 4. Aufl., § 3 KapMuG Rn. 77; KK-KapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 3 Rn. 122 ff.; vgl. zu § 3 KapMuG aF: Plaßmeier, NZG 2005, 609, 610 Fn. 16 und Varadinek/Asmus, ZIP 2008, 1309, 1310). Diese Ansicht stützt sich auf die Senatsrechtsprechung zur Anfechtbarkeit eines Aussetzungsbeschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF), wonach der in § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG aF angeordnete Anfechtungsausschluss solche Rechtsstreitigkeiten nicht erfasst, in denen ein Musterfeststellungsantrag nach § 1 KapMuG aF nicht gestellt werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 8 ff., vom - XI ZB 4/09, juris Rn. 5, vom - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 10, vom - XI ZB 2/11, juris Rn. 8 und vom - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 13).
13bb) Andere Stimmen in Rechtsprechung und Literatur nehmen demgegenüber an, dass der Anfechtungsausschluss des § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG unabhängig davon greift, ob das Ausgangsverfahren im Anwendungsbereich des KapMuG liegt (vgl. OLG Braunschweig, BKR 2017, 173 Rn. 19 ff.; OLG Bremen, WM 2018, 180, 181; KG, WM 2015, 1415; KG, WM 2015, 2363; KG, AG 2015, 904 f.; KG, WM 2018, 178; , juris Rn. 8; , juris; Blankenheim, WM 2017, 795, 796; Elzer, FD-ZVR 2017, 400054; vgl. zu § 2 KapMuG aF: Riedel in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 2 Rn. 5).
14cc) Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend.
15Die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG bestimmt, dass das Prozessgericht einen zulässigen Musterverfahrensantrag im Klageregister durch unanfechtbaren Beschluss öffentlich bekannt macht. Damit ist die Anfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses ausgeschlossen (vgl. OLG Braunschweig, BKR 2017, 173 Rn. 20; OLG Bremen, WM 2018, 180, 181; KG, WM 2015, 1415). Der Gesetzgeber überlässt die Entscheidung, ob der Musterverfahrensantrag statthaft und auch sonst zulässig ist, mithin zunächst ohne weitere Überprüfungsmöglichkeit dem jeweiligen Prozessgericht. Das ist in diesem Stadium des Verfahrens hinzunehmen, weil gegen erstinstanzliche Aussetzungsentscheidungen eine zeitlich versetzte Rechtsschutzmöglichkeit gegeben ist. Denn im Zuge der Novellierung des KapMuG hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Senatsrechtsprechung zur Anfechtbarkeit eines Aussetzungsbeschlusses nach § 7 Abs. 1 KapMuG aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 8 ff., vom - XI ZB 4/09, juris Rn. 5, vom - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 10, vom - XI ZB 2/11, juris Rn. 8 und vom - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 13) den vormals in § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG aF normierten Anfechtungsausschluss aufgehoben, so dass die Aussetzungsentscheidung des erstinstanzlichen Prozessgerichts nunmehr gemäß § 252, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der sofortigen Beschwerde unterliegt (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 21). Mit ihr kann auch geltend gemacht werden, dass das ausgesetzte Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des KapMuG fällt (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 40/11, WM 2014, 992 Rn. 23 und vom - XI ZB 13/18, XI ZB 14/18, XI ZB 15/18, n.n.v.; vgl. zu § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF bereits Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 7 und vom - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 10).
16Ein zeitlich versetzter Rechtsschutz ist von dem Antragsgegner auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) hinzunehmen, weil der Gesetzgeber das Verfahren so ausgestaltet hat, dass ihm bei gesetzeskonformer Handhabung keine unverhältnismäßigen Belastungen drohen (vgl. BVerfGE 88, 118, 123 f.; OLG Braunschweig, BKR 2017, 173 Rn. 25 ff.; OLG Bremen, WM 2018, 180, 181; , juris Rn. 8; KG, AG 2015, 904, WM 2015, 2363, 2364 und WM 2018, 178, 179 f.). Zwar sieht sich der Antragsgegner im Falle der Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrages auf Grund der gemäß § 5 KapMuG eintretenden Unterbrechung des Verfahrens einer Verzögerung seines Rechtsstreits auch dann ausgesetzt, wenn das Verfahren tatsächlich nicht in den Anwendungsbereich des KapMuG fällt. Die mit der Unterbrechung einhergehende Verzögerung des Verfahrens dauert aber nach den gesetzlichen Vorgaben regelmäßig maximal sechs Monate (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 KapMuG). Diese Verzögerung ist in Anbetracht der vom Gesetzgeber mit dem Anfechtungsausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KapMuG verfolgten Rechtsklarheit und Verfahrensbeschleunigung bei Ermittlung des Quorums für den Erlass eines Vorlagebeschlusses gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG hinzunehmen (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 17; , juris Rn. 8; KG, AG 2015, 904, WM 2015, 2363, WM 2015, 2363, 2364 und WM 2018, 178, 179 f.).
172. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (vgl. , BGHZ 207, 306 Rn. 25 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:300419BXIZB1.17.0
Fundstelle(n):
DB 2019 S. 1957 Nr. 35
DStR 2019 S. 11 Nr. 33
NJW 2019 S. 10 Nr. 35
NJW-RR 2019 S. 1137 Nr. 18
WM 2019 S. 1551 Nr. 33
ZIP 2019 S. 1569 Nr. 33
YAAAH-27681