Revisionsverfahren - Revisionsbegründung bei einer behaupteten Unvereinbarkeit einer Vorschrift mit dem GG - richterlicher Hinweis bei Mängel der Revisionsbegründung
Gesetze: § 106 Abs 1 SGG, § 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 169 SGG, GG
Instanzenzug: Az: S 1 R 147/13vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 2 R 352/13 Urteil
Gründe
1I. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom einen Anspruch der im Jahr 1951 geborenen Klägerin auf Vormerkung weiterer Kindererziehungszeiten für ihre 1971 und 1974 geborenen Kinder verneint. Es hat darin in Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung des BVerfG ausführlich begründet, weshalb für Mütter vor dem geborener Kinder aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG über die Regelung in § 249 Abs 1 SGB VI hinaus kein aktuell durchsetzbarer Anspruch auf Berücksichtigung von mehr als zwölf Monaten an Kindererziehungszeiten herleitbar sei.
3Die Klägerin beantragt,unter Aufhebung der ergangenen Bescheide der Behörde und der Vordergerichte die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, der Revisionsführerin Rentenanwartschaften für die vor 1992 geborenen leiblichen Kinder O. und S. Kindererziehungszeiten zuzuerkennen, wie für Kinder, die nach 1992 geboren sind.
5II. Die Revision ist unzulässig (§ 169 SGG). Die Klägerin hat das Rechtsmittel nicht ausreichend begründet (§ 164 SGG).
6Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift muss die Begründung "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlichen Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f - jeweils mwN; zustimmend bereits BVerfG <Dreier-Ausschuss> SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29).
7Wendet sich die Revision - wie hier - dagegen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine mit der Verfassung nicht vereinbare Vorschrift angewandt worden sei, ist in der Begründung näher darzulegen, weshalb ein Verstoß gegen das GG vorliegen soll. Der Revisionsführer muss sich dabei - zumindest kurz - mit den Gründen der Vorinstanz rechtlich auseinandersetzen; er muss erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Vorschriften anderer Auffassung ist (BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17 und Nr 20 S 33 f mwN; - Juris RdNr 14; - Juris RdNr 10). Dafür bedarf es der Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird ( - Juris RdNr 15 mwN; BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 17; BSG SozR 1500 § 164 Nr 22 S 36 und Nr 28 S 44).
8Dieses Formerfordernis soll im Interesse der Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer bzw sein Prozessbevollmächtigter das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (vgl - Juris RdNr 10; - Juris RdNr 10 mwN), bevor er durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für die Revision übernimmt und so ggf von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht ( - Juris RdNr 16 mwN).
9Die vorliegende Revisionsbegründung genügt den genannten Anforderungen nicht. Ihr kann lediglich entnommen werden, dass die Klägerin eine Verletzung (wohl) von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG geltend macht, wenn sie meint, dass eine unberechtigte Ungleichbehandlung zwischen Müttern stattfinde, die ihre Kinder vor 1992 bzw danach geboren hätten. Sie versäumt es aber, im Einzelnen darzulegen, weshalb diese Verfassungsnormen durch die angefochtene Entscheidung verletzt werden. Weder gibt sie den Sachverhalt, über den das Berufungsgericht entschieden hat, noch dessen (verfassungs-)rechtliche Argumentation wieder; auch mit den von ihr erwähnten einschlägigen Entscheidungen des BSG und des BVerfG, "dass keine Ungleichbehandlung vorliegt", setzt sie sich nicht auseinander. Die pauschale Behauptung, dass die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Rechtsansicht "im Wanken begriffen" sei, genügt für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung bei Weitem nicht.
10Nichts anderes folgt aus der Bitte der Klägerin um einen Hinweis des Gerichts, falls weiterer Vortrag erforderlich sein sollte. Der Senat war nicht verpflichtet, die anwaltlich vertretene Klägerin vorab auf Mängel in ihrer Revisionsbegründung hinzuweisen; die Bestimmung des § 106 Abs 1 SGG wird insoweit von der spezielleren Regelung in § 164 Abs 2 SGG verdrängt. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass ein Rechtsanwalt auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage sein muss, eine Revision formgerecht zu begründen. Gerade dies ist ein rechtfertigender Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG; diese Bestimmung darf nicht unter Berufung auf die Hinweispflicht des Gerichts umgangen werden (vgl - Juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom - B 13 R 317/11 B - BeckRS 2012, 70222 RdNr 6; - BeckRS 2013, 71677 RdNr 8).
11Die mithin nicht formgerecht begründete Revision ist nach § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:280114BB13R3113R0
Fundstelle(n):
LAAAH-26900