Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - keine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung - Nichterhalt der Ladung
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 63 Abs 1 S 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: SG Detmold Az: S 11 AS 1877/10 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 12 AS 93/11 Urteil
Gründe
1I. Streitig ist, ob der Beklagte dem Kläger die Aufwendungen für eine Erstausstattung der Wohnung nach dem SGB II zu erstatten hat bzw, ob die Verweigerung des Anspruchs rechtswidrig war.
2Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom auf Leistungen zur Wohnungserstausstattung ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende in der mündlichen Verhandlung vom , in dem es die beiden Verfahren L 12 AS 1205/10 und L 12 AS 93/11 in zeitlicher Abfolge terminiert hat, zurückgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter Bezugnahme auf seine Entscheidungsgründe im gleichfalls den Kläger betreffenden Urteil vom (L 12 AS 1205/10) ausgeführt, dieser habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Erstausstattung nach dem SGB II bzw auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Leistungsverweigerung, weil es unter Würdigung aller Gesamtumstände an einer Hilfebedürftigkeit fehle.
3Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Revision sei wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, weil das LSG gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß §§ 62, 128 Abs 2 SGG iVm § 106 SGG, Art 103 GG verstoßen habe. Zu der Verhandlung vom , auf der das Urteil des LSG beruhe, sei er weder geladen worden noch habe er von der Verhandlung Kenntnis gehabt. Die Ladung sei an seine Postfachadresse adressiert gewesen und habe dort nicht zugestellt werden können. Die Entscheidung des LSG sei eine Überraschungsentscheidung. Nachdem die Zeugin B im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom krankheitsbedingt nicht habe gehört werden können, sei zunächst mit einem erneuten Beweisaufnahmetermin zu rechnen gewesen. Im Verhandlungstermin hätte er seine Hilfebedürftigkeit für den streitigen Zeitraum weiter darlegen und beweisen und so zu einem günstigeren Ergebnis gelangen können.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision konnte deshalb ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG verworfen werden.
5Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Einzelumstände hat der Kläger nicht substantiiert dargetan, dass das Berufungsurteil unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ergangen ist. Dieses Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert, dass den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen gegeben werden muss, dies vor allem in der mündlichen Verhandlung (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 14). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit haben, hieran teilzunehmen.
6Der Kläger hat nicht ausreichend dargetan, dass er diese Möglichkeit nicht hatte. Nicht ausreichend ist sein Vortrag, dass ihm die Terminsmitteilung unter der von ihm angegebenen Postfachadresse nicht habe zugestellt werden können. Insofern ist zu berücksichtigen, dass Terminbestimmungen und Ladungen nach § 63 Abs 1 S 2 SGG (idF des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom - BGBl I 2144) nicht (mehr) zugestellt werden müssen; es genügt schon die Bekanntgabe, etwa durch einfachen Brief oder durch Einwurfeinschreiben.
7Es kann nicht in allen Fällen einer "schlichten" Bekanntgabe einer Terminbestimmung oder Ladung - wie hier durch Telefaxübermittlung der Terminsmitteilung in dem gleichzeitig anberaumten Verfahren L 12 AS 1205/10 (vgl Sendebericht vom ) - von einer Verletzung des § 63 SGG ausgegangen werden, wenn ein Beteiligter behauptet, die Ladung nicht erhalten zu haben. Dies gilt etwa dann, wenn sich nach Aktenlage bereits Besonderheiten und Auffälligkeiten im Zugangs- und "Herrschaftsbereich" des Adressaten ergeben haben (vgl hierzu auch BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 2). Ein derartiger Fall liegt hier vor, weil der Kläger keine aktuelle Wohnanschrift angegeben und in seinen Schriftsätzen ausdrücklich darum gebeten hat, ihm alle Schriftsätze auch per Telefax zuzusenden. Nach den Gegebenheiten des Einzelfalls, der durch regelmäßig erforderlich gewordene Terminsaufhebungen und längere Abwesenheitszeiten des Klägers gekennzeichnet ist, hat das LSG dem Kläger Ladungen und Terminsbestimmungen jeweils unter der zuletzt bekannten Adresse im P weg, P, aber auch per Telefax zur Kenntnis gegeben. Unter der von ihm nicht mehr bewohnten Anschrift konnten Schriftstücke des Gerichts dem Kläger aber regelmäßig nicht übergeben werden, während Telefaxe ihn erreichten. Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte hätte der Kläger darlegen müssen, dass er auch nicht im Wege der von ihm ausdrücklich gewünschten Telefaxübersendung von dem Termin Kenntnis hätte erlangen können.
8Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2013:020513BB4AS26212B0
Fundstelle(n):
SAAAH-25084