Schwerbehindertenrecht - Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention für die Zuerkennung des Merkzeichens aG zwecks Erhalts von Parkerleichterungen - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - unzureichende Beschwerdebegründung
Gesetze: § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 69 Abs 4 SGB 9, § 6 Abs 1 Nr 14 StVG, § 46 StVO, § 46 Abs 1 Nr 11 StVOVwV, § 3 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, Art 9 Abs 1 UNBehRÜbk, Art 20 Buchst a UNBehRÜbk, Art 30 Abs 1 Buchst c UNBehRÜbk
Instanzenzug: SG Halle (Saale) Az: S 12 SB 137 /07 Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 7 SB 29/10 Urteil
Gründe
1Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
2Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
3Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG - wie sie der Kläger geltend macht - hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
5In Bezug auf diese Fragen fehlt es an hinreichenden Ausführungen des Klägers zum höchstrichterlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Grundsätze, nach denen das Merkzeichen "aG" festzustellen ist (vgl dazu § 69 Abs 4 SGB IX, § 3 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, § 6 Abs 1 Nr 14 StVG, § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO). Eine Klärungsbedürftigkeit ist unter anderem dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65) oder wenn sich für die Antwort in höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Der Kläger hätte daher die rechtliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm angesprochenen Fragestellungen unter Einbeziehung der vorhandenen Rechtsprechung des BSG, wie vom LSG bereits benannt, näher begründen müssen. Hierzu wäre es zunächst erforderlich gewesen, sich mit den vom Senat festgelegten Grundsätzen zur Feststellung des Merkzeichens "aG" auseinanderzusetzen (zB Senatsurteil vom - B 9/9a SB 5/06 R; Senatsurteil vom - B 9a SB 5/05 R; Senatsurteil vom - B 9 SB 7/01 R, BSGE 90, 180 = SozR 3-3250 § 69 Nr 1; Senatsurteil vom - B 9 SB 1/97 R, BSGE 82, 37 = SozR 3-3870 § 4 Nr 23). Dies hat der Kläger versäumt.
6Gleiches gilt, soweit der Kläger die rechtliche Bedeutung der UN-BRK für die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" geklärt wissen will. Allein die Bezugnahme auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom " - 2 BvR 889/09, Rnr 52" (möglicherweise tatsächlich gemeint: Beschluss vom - 2 BvR 882/09) verbunden mit der Behauptung, dass es zu den gestellten Rechtsfragen bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe, genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Auch insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit der zum Teil bereits vom LSG benannten Rechtsprechung des BSG zur Anwendung der UN-BRK bedurft (vgl zB - RdNr 6 ff, SozR 4-2500 § 140f Nr 1; - RdNr 19 f, SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Senatsurteil vom - B 9 V 2/11 R - RdNr 36, SozR 4-3520 § 7 Nr 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Senatsurteil vom - B 9 SB 2/09 R - RdNr 43, BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 2 Nr 2). Mit dieser Rechtsprechung hätte sich der Kläger inhaltlich befassen und aufzeigen müssen, in welchem Rahmen eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich ist (vgl hierzu allgemein Becker, die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil I], SGb 2007, 261, 266 zu Fußnote 58). Dabei wäre zB darauf einzugehen gewesen, ob die UN-BRK an der Rechtslage für das Merkzeichen "aG" etwas Grundlegendes geändert hat (vgl dazu Wendtland, Finale Betrachtungsweise bei Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG", in Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, Forum C, Diskussionsbeitrag Nr 9/2011, vom ).
7Soweit der Kläger im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl hierzu § 128 Abs 1 S 1 SGG) kritisiert, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
8Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2013:230113BB9SB9012B0
Fundstelle(n):
XAAAH-24281