Urheberrechtsverletzung durch Filesharing über eine Internet-Musiktauschbörse: Begründung einer Erstbegehungsgefahr im Rahmen einer negativen Feststellungsklage gegen einen außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch - Bring mich nach Hause
Leitsatz
Bring mich nach Hause
Die Erhebung einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, zu einer außergerichtlich verfolgten Unterlassung nicht verpflichtet zu sein, begründet regelmäßig keine Erstbegehungsgefahr für das im Feststellungsantrag bezeichnete Verhalten.
Gesetze: Art 47 Abs 2 S 1 EUGrdRCh, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 12 Abs 1 EGRL 31/2000, Art 14 Abs 1 EGRL 31/2000, § 97 Abs 1 S 1 UrhG, § 7 Abs 4 TMG, § 8 Abs 1 TMG, § 10 S 1 Nr 2 TMG
Instanzenzug: Az: 6 U 1741/17 Urteilvorgehend LG München I Az: 7 O 14719/12 Urteilvorgehend Az: C-484/14 Urteilvorgehend LG München I Az: 7 O 14719/12 EuGH-Vorlagenachgehend Az: I ZR 53/18 Beschluss
Tatbestand
1Der Kläger ist Inhaber eines Internetanschlusses. Die Beklagte ist Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte an dem Musikalbum "Bring mich nach Hause" der Musikgruppe "Wir sind Helden". Dieses Musikalbum wurde am über den Internetanschluss des Klägers in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Beklagte sieht darin eine Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerherstellerin. Sie ist der Ansicht, der Kläger hafte für diese Rechtsverletzung. Sie hat den Kläger deshalb mit anwaltlichem Schreiben vom abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.
2Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine Ansprüche wegen des Angebots zum Herunterladen zustehen, und die Zahlung der Kosten verlangt, die ihm durch seine Gegenabmahnung der Beklagten entstanden sind.
3Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage beantragt,
den Kläger unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, das Musikalbum "Bring mich nach Hause" der Künstlergruppe "Wir sind Helden" oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen.
4Weiter hat die Beklagte mit ihrer Widerklage Zahlung von 600 € Schadensersatz sowie 506 € Abmahnkosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt.
5Das Landgericht hat zunächst im Wege des Versäumnisurteils die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Nach Einlegung des Einspruchs hat das Landgericht die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt (LG München I, ZUM 2015, 344). Der Gerichtshof hat über die Vorlagefragen mit Urteil vom entschieden (C-484/14, GRUR 2016, 1146 = WRP 2016, 1486 - McFadden/Sony Music). Sodann hat das Landgericht das Versäumnisurteil hinsichtlich der Klageabweisung und der Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten aufrechterhalten und im Übrigen aufgehoben (LG München I, ZUM-RD 2018, 180). Es hat unter Abweisung der Widerklage im Übrigen den Kläger, wie von der Beklagten hilfsweise beantragt, unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt,
es zu unterlassen, es Dritten zu ermöglichen, über seinen Internetanschluss das Musikalbum "Bring mich nach Hause" der Künstlergruppe "Wir sind Helden" oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen.
6Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil des Landgerichts hinsichtlich der Klageabweisung und der Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten aufrechterhalten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Widerklage abgewiesen (OLG München, GRUR 2018, 721 = WRP 2018, 1243).
7Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Unterlassungsantrag weiter.
Gründe
8I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagten stehe der Unterlassungsanspruch nicht zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9Die Voraussetzungen einer täterschaftlichen Haftung des Klägers lägen nicht vor. Der Kläger hafte auch nicht als Störer. Zwar hätten die Haftungsvoraussetzungen zunächst vorgelegen, dies sei aber nun nicht mehr der Fall. Nach der mit Wirkung vom in Kraft getretenen Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG könne der Diensteanbieter nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Diese Vorschrift sei mit dem Unionsrecht vereinbar.
10II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
111. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen der Haftung des Klägers als Täter gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG lägen nicht vor, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
122. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger hafte nicht als Störer, hat im Ergebnis Bestand. Sie folgt allerdings nicht erst aus dem nachträglichen Entfallen der Haftungsvoraussetzungen, sondern daraus, dass diese bereits anfänglich - im Zeitpunkt der beanstandeten Bereitstellung zum Herunterladen - nicht erfüllt waren. Es liegen weder die Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr (dazu I 2 a) noch diejenigen einer Erstbegehungsgefahr vor (dazu I 2 b). Eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht ist nicht veranlasst (dazu I 2 c).
13a) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann nicht erfolgreich auf Wiederholungsgefahr gestützt werden, weil die Voraussetzungen der Störerhaftung schon im Zeitpunkt des beanstandeten Angebots zum Herunterladen nicht vorlagen.
14aa) Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsantrag ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zur Zeit seiner Begehung rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2018, 62 Rn. 11 = WRP 2018, 835 - Verkürzter Versorgungsweg II; Urteil vom - I ZR 3/16, GRUR 2019, 298 Rn. 26 = WRP 2019, 327 - Uber Black II).
15bb) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (st. Rspr.; vgl. nur , BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 Rn. 21 - Störerhaftung des Accessproviders; Urteil vom - I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044 Rn. 15 = WRP 2018, 1202 - Dead Island, jeweils mwN). Bei der Auferlegung von Kontrollmaßnahmen ist zu beachten, dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 15 - Dead Island, mwN).
16cc) Die in § 8 Abs. 1 TMG in seiner im Zeitpunkt der beanstandeten Bereitstellung zum Herunterladen geltenden Fassung vom geregelte und auf Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruhende Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters steht der Annahme nicht entgegen, dass der Anbieter eines Internetzugangs für von Dritten über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung haften kann (BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 16 - Dead Island).
17(1) Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG und § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG in seiner im Tatzeitpunkt und im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Fassung sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3).
18(2) Der Kläger ist als Betreiber eines WLAN Diensteanbieter im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 18 - Dead Island, mwN).
19(3) Es ist mit Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG vereinbar, von einem Diensteanbieter, dessen Dienste zur Begehung einer Rechtsverletzung genutzt worden sind, zu verlangen, dass er diese Rechtsverletzung abstellt oder verhindert und die für ein solches Verlangen aufgewendeten Abmahnkosten und Gerichtskosten erstattet (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 76 bis 78 - McFadden/Sony Music). Ebenso steht diese Vorschrift der Verpflichtung des Betreibers eines privaten oder gewerblichen WLAN-Anschlusses zu Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 90 bis 101 - McFadden/Sony Music).
20Nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG lässt Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Inhaber nach der Richtlinie zu schützender Rechte gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden. Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet die Mitgliedstaaten gleichfalls sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Die Modalitäten dieser Anordnungen sind im Recht der Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/EG; , Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - L’Oréal/eBay; Urteil vom - C-70/10, Slg. 2011, I-11959 = GRUR 2012, 265 Rn. 32 - Scarlet/SABAM; Urteil vom - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 43 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel/Constantin Film).
21Bei der Beurteilung der Frage, welche technischen Maßnahmen einem Diensteanbieter auferlegt werden können, um Rechtsverletzungen abzustellen oder zu verhindern, haben die für eine solche Anordnung zuständigen innerstaatlichen Behörden oder Gerichte die betroffenen Grundrechte in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen (EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 83 - McFadden/Sony Music; BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 21 - Dead Island, mwN). Hierbei sind insbesondere das Grundrecht der Rechteinhaber auf Schutz des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta; Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und das Recht des Diensteanbieters auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) sowie das Recht der Nutzer dieses Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) andererseits zu berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 100 - McFadden/Sony Music; BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 21 - Dead Island, mwN).
22dd) Der Betreiber eines privaten WLAN-Anschlusses haftet unter der Geltung des § 8 TMG aF für über diesen Anschluss von Dritten begangene Rechtsverletzungen, wenn das WLAN ohne die im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und zumutbaren Zugangssicherungen - im Kaufzeitpunkt aktueller Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts - betrieben wird (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 22 und 23 sowie 32 bis 34 - Sommer unseres Lebens; , GRUR 2017, 617 Rn. 14 = WRP 2017, 705 - WLAN-Schlüssel). Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Verhaltenspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung durch Dritte gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 24 - Dead Island, mwN). Die Gründe, die den Senat bewogen haben, eine Störerhaftung des Plattformbetreibers erst anzunehmen, nachdem er von einer ersten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat, liegen bei privaten WLAN-Betreibern nicht vor. Bei diesen ist kein Geschäftsmodell betroffen, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre. Auf den Zugangsvermittler sind die Haftungsprivilegien nach Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr und § 10 TMG, die im Falle des Host Providers einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen, nicht anwendbar (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 24 - Dead Island, mwN).
23ee) Auch im Falle der gewerblichen Bereitstellung eines Internetzugangs über WLAN ist der Betreiber unter der Geltung des § 8 TMG aF zur Abwendung seiner Störerhaftung zur Vornahme entsprechender Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet. Diese Verpflichtung entsteht allerdings erst nach Erhalt eines geeigneten Hinweises auf eine Rechtsverletzung. Zwar ist die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG und § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG vorgesehene Privilegierung des Host Providers auf den Betreiber eines gewerblichen WLAN nicht anwendbar (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 55 bis 65 - McFadden/Sony Music). Die Auferlegung einer anlasslosen Verhaltenspflicht bei Inbetriebnahme - wie der Pflicht zur Verschlüsselung mittels eines Passworts - wäre aber geeignet, das Geschäftsmodell der gewerblichen Bereitstellung von Internetzugängen unverhältnismäßig zu erschweren (vgl. BGHZ 208, 82 Rn. 27 - Störerhaftung des Accessproviders; BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 25 f. - Dead Island).
24ff) Nach den Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht in Bezug genommen hat und die von der Revision nicht angegriffen worden sind, erfolgte die Bereitstellung des WLAN durch den Kläger im Zusammenhang mit dem Angebot gewerblicher Leistungen (vgl. auch EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 43 - McFadden/Sony Music). Es handelt sich damit um einen Fall der gewerblichen Bereitstellung eines Internetzugangs.
25Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, den Kläger bereits vor dem im Streitfall beanstandeten Angebot zum Herunterladen darauf hingewiesen zu haben, dass über sein WLAN urheberrechtsverletzende Handlungen begangen worden sind. Die Voraussetzungen der Störerhaftung lagen damit schon im Zeitpunkt des beanstandeten Angebots zum Herunterladen nicht vor, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels Wiederholungsgefahr nicht besteht.
26b) Die Revision sieht den Unterlassungsanspruch zu Unrecht als auf der Grundlage einer Erstbegehungsgefahr begründet an.
27aa) Die Prüfung des Anspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Erstbegehungsgefahr steht offen, weil es sich insoweit nicht um einen neuen Streitgegenstand handelt, dessen Geltendmachung eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung darstellte (vgl. , GRUR 2016, 83 Rn. 40 = WRP 2016, 213 - Amplidect/ampliteq). Vielmehr ist vorliegend ein einheitlicher Streitgegenstand betroffen.
28(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. , BGHZ 194, 314 Rn. 19 - Biomineralwasser; Urteil vom - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 11 = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße, jeweils mwN). Der neben dem Klageantrag für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Klagegrund wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht (BGHZ 194, 314 Rn. 19 - Biomineralwasser). Unterschiedliche Klagegründe liegen vor, wenn ein Unterlassungsantrag zum einen auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr gestützt wird, sofern unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen sind, zwischen denen kein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGH, GRUR 2016, 83 Rn. 41 - Amplidect/ampliteq, mwN; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 280). Danach handelt es sich grundsätzlich um zwei Streitgegenstände, wenn ein Unterlassungsanspruch zum einen wegen der vorprozessual begangenen Verletzungshandlung auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr wegen Erklärungen gestützt wird, die der in Anspruch Genommene erst später im gerichtlichen Verfahren abgibt (vgl. , GRUR 2006, 429 Rn. 22 = WRP 2006, 584 - Schlank-Kapseln; BGH, GRUR 2016, 83 Rn. 41 - Amplidect/ampliteq). Geht einem einheitlichen Unterlassungsantrag hingegen sowohl ein als Verletzungshandlung beanstandetes Verhalten als auch eine hiermit zeitlich und sachlich in Zusammenhang stehende Rechtsberühmung voraus, ist nur ein Klagegrund gegeben (vgl. BGH, GRUR 2016, 83 Rn. 41 - Amplidect/ampliteq).
29(2) Nach diesen Grundsätzen ist Klagegrund der Widerklage im Streitfall ein einheitlicher Lebenssachverhalt, so dass nur ein Streitgegenstand zur Prüfung steht.
30Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage einen einheitlichen Unterlassungsantrag gestellt und hierzu nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts vorgetragen, über den nicht durch ein Passwort geschützten WLAN-Internetzugang des Klägers sei der Musiktitel "Bring mich nach Hause" zum Herunterladen im Wege des Filesharings bereitgestellt worden. Der Erhebung der Widerklage ist ferner die Erhebung der Feststellungsklage sowie eine entsprechende Berühmung des Klägers mit dem Inhalt vorausgegangen, zum einen nicht zur Unterlassung der ihm von der Beklagten außergerichtlich vorgehaltenen Verletzungshandlung, zum anderen auch nicht zur Sicherung des von ihm angebotenen WLAN-Internetzugangs verpflichtet zu sein. Dieses der Erhebung der Widerklage vorausgegangene Verhalten des Klägers steht in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der beanstandeten Verletzungshandlung, so dass der Widerklage ein einheitlicher Streitgegenstand zugrunde liegt.
31bb) Die Voraussetzungen einer Erstbegehungsgefahr liegen allerdings im Streitfall nicht vor.
32(1) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der fraglichen Weise rechtswidrig verhalten. Eine Erstbegehungsgefahr kann auch begründen, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Eine solche Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden. Die Tatsache allein, dass sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet. Eine Rechtsverteidigung kann aber dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falls auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (, GRUR 2001, 1174, 1175 [juris Rn. 35 bis 37] = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe; Urteil vom - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 44 - Stiftparfum, jeweils mwN).
33(2) Danach begründet das der Erhebung der Widerklage vorausgegangene Verhalten des Klägers keine Erstbegehungsgefahr für eine Verwirklichung der mit der Widerklage beanstandeten rechtswidrigen Handlung.
34Soweit sich der Kläger vorprozessual und gegenüber der Widerklage unter Hinweis darauf verteidigt hat, für die behauptete Rechtsverletzung nicht verantwortlich und zu einer Sicherung des von ihm bereitgestellten WLAN-Internetzugangs nicht verpflichtet zu sein, stellt dies lediglich eine rechtsverteidigende Einlassung dar, die die Annahme einer Erstbegehungsgefahr nicht rechtfertigt.
35An einer Erstbegehungsgefahr fehlt es aber auch im Hinblick auf die vom Kläger erhobene Feststellungsklage. Mit der Stellung eines Klageantrags, mit dem die Feststellung begehrt wird, zu einem außergerichtlich verfolgten Begehren nicht verpflichtet zu sein, verfolgt der Feststellungskläger in der Regel den Zweck, sich die Möglichkeit eines bestimmten Verhaltens nach gerichtlicher Klärung offenzuhalten. Daraus kann regelmäßig - so auch im Streitfall - gefolgert werden, dass der Kläger die Vornahme des im Feststellungsantrag bezeichneten Verhaltens von der gerichtlichen Feststellung seiner Rechtmäßigkeit abhängig machen will. Mithin bringt der Feststellungskläger gerade nicht - wie für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr erforderlich - zum Ausdruck, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in der beanstandeten Weise verhalten zu wollen (vgl. , BGHZ 210, 144 Rn. 36 - Segmentstruktur).
36c) Es besteht keine Veranlassung, der Beklagten durch Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zur Stellung eines an die veränderte Rechtslage angepassten Antrags zu geben.
37Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, der klagenden Partei durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den auf der nach Beendigung der Berufungsinstanz durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (BGBl. 2017 I, S. 3530) mit Wirkung vom erfolgten Ersetzung des Unterlassungsanspruchs durch einen Anspruch auf Sperrmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF gründenden Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Unterlassungsklage durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 57 - Dead Island).
38Im Streitfall hat der mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsanspruch allerdings bereits deshalb keine Erfolgsaussicht, weil seine Voraussetzungen schon vor der Neufassung der §§ 7 und 8 TMG nicht vorlagen.
39III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. , Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Die von der Revision aufgeworfene Frage der Übereinstimmung der §§ 7 und 8 TMG nF mit dem Unionsrecht ist - soweit nicht ohnehin klar zu beantworten (vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 49 - Dead Island) - im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
40IV. Danach ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:070319UIZR53.18.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 14 Nr. 1
NJW 2019 S. 3381 Nr. 46
VAAAH-22546