BGH Urteil v. - 5 StR 94/19

Vollstreckungsreihenfolge: Berechnung der Zeit des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Gesetze: § 67 Abs 2 S 2 StGB, § 67 Abs 2 S 3 StGB, § 67 Abs 3 StGB, § 67 Abs 5 S 1 StGB

Instanzenzug: LG Dresden Az: 21 Ss 85/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (ca. 2 kg Crystal) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von fünf Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Die wirksam auf die Berechnung des Vorwegvollzugs beschränkte (vgl. , NStZ-RR 2014, 107; zu Fällen unwirksamer Beschränkung vgl. , BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 24) und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

2Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Strafkammer angesichts der voraussichtlichen Therapiedauer den Vorwegvollzug der Strafe nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB mit einem Jahr hätte bestimmen müssen und - wie sie selbst erkannt hat - nicht die verbüßte Untersuchungshaft wie geschehen hiervon in Abzug hätte bringen dürfen (st. Rspr., vgl. nur mwN).

3Die Strafkammer hat sich zu Recht für die Berechnung des Vorwegvollzuges an einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren orientiert. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, dem die Kammer gefolgt ist, beträgt die zu erwartende Therapiedauer aufgrund einer Vielzahl positiver Faktoren ein bis eineinhalb Jahre. Kommen für die Therapiedauer - wie hier - im Ergebnis zwei Alternativen in Betracht, ist es ungeachtet der Möglichkeit späterer Entscheidungen nach § 67 Abs. 3 StGB nach dem Zweifelssatz (vgl. hierzu näher LR/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 103 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1297 ff., je mwN) geboten, die für den Angeklagten im Urteilszeitpunkt konkret günstigere Möglichkeit zu wählen (vgl. zur Problematik auch MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 67 Rn. 50 mwN). Vorliegend könnte nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB eine Dauer des Vorwegvollzuges von einem Jahr bei einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren oder ein Vorwegvollzug von eineinhalb Jahren bei einer Therapiedauer von einem Jahr anzuordnen sein.

4Bei der Entscheidung hierüber ist einerseits zu bedenken, dass der Angeklagte bei einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe und einem Erfolg der Therapie nach einem Jahr bis zum erstmöglichen Zeitpunkt einer Aussetzung von Strafe und Maßregel zur Bewährung (Halbstrafe nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB) noch sechs Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen hätte, was durch die Regelung in § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB wegen etwaiger negativer Folgen einer Rückverlegung in den Strafvollzug vermieden werden sollte. Dies spricht dafür, den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB mit eineinhalb Jahren zu bemessen (vgl. die Revision der Staatsanwaltschaft).

5Andererseits könnten bei einer solchen Dauer des Vorwegvollzugs und einem Therapieerfolg erst nach eineinhalb Jahren die Reststrafe und Maßregel nicht zum Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nach zweieinhalb Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, sondern frühestens nach drei Jahren. Da bei dem bislang unbestraften und nach den Feststellungen der Kammer therapiegeeigneten und -motivierten Angeklagten ein Therapieerfolg naheliegt, würde ihn die Anordnung eines Vorwegvollzugs von eineinhalb Jahren beschweren. Ein Vorwegvollzug, dessen Dauer einschließlich der Therapiedauer über den Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB hinausgeht, wirkt sich wie ein zusätzliches Strafübel aus (, NStZ-RR 2009, 48). Danach ist eine - auch vom Landgericht angenommene - Therapiedauer von einem Jahr und sechs Monaten für den Angeklagten günstiger, die zu einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe führt.

6Der Senat holt die Anordnung in dem rechtlich gebotenen Umfang in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. mwN). Diese Entscheidung ist auch nicht etwa durch die Dauer der seit vollzogenen Untersuchungshaft obsolet geworden (vgl. dazu , NStZ-RR 2018, 113, 114).

7Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten waren der Staatskasse aufzuerlegen, da die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung mit ihrem Rechtsmittel das Ziel verfolgt hat, die versehentlich fehlsame Gerichtsentscheidung auch im Interesse des Angeklagten mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 473 Rn. 17).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:030419U5STR94.19.0

Fundstelle(n):
CAAAH-13087