Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Anforderungen an einen Hang
Gesetze: § 64 S 1 StGB
Instanzenzug: Az: 2020 Js 41456/17 - 2 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die er auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil hält jedoch insoweit der rechtlichen Prüfung nicht stand, als das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
3a) Das Landgericht hat zum Rauschmittelkonsum des Angeklagten festgestellt, dass dieser mit 18 Jahren begann, Cannabis zu konsumieren. Ab seinem 21. Lebensjahr rauchte er täglich eineinhalb bis zwei Gramm Marihuana. Allerdings ging er bald darauf eine Beziehung ein, die rund dreieinhalb Jahre dauerte. In dieser Zeit verzichtete er auf den Konsum von Cannabis und reduzierte seinen Alkoholkonsum, den er seit dem 15. Lebensjahr betrieb, erheblich. Nach der Trennung von seiner Freundin nahm er im März 2017 seinen Marihuanakonsum wieder auf und verbrauchte nun zwei bis drei Gramm täglich. Dazu trank er am Tag ein bis zwei Flaschen Wodka. Nachdem er im Mai 2017 seine neue Freundin kennengelernt hatte, ging sein Rauschmittelkonsum erheblich zurück.
4Das Landgericht hat es dahinstehen lassen, ob bei dem Angeklagten, bei dem der Sachverständige eine "leichte Alkohol- und Cannabiskonsumstörung" diagnostiziert hat, ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB vorliegt. Denn jedenfalls scheide vorliegend ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Rauschmittelkonsum des Angeklagten und der festgestellten Straftat aus. Der Angeklagte habe dem Mitangeklagten K. mit der Begehung der räuberischen Erpressung nur zeigen wollen, dass er bemüht sei, die gegenüber dem Mitangeklagten bestehenden Schulden abzutragen, nicht aber, um mit der Tatbeute Betäubungsmittel zu erwerben.
5b) Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat des Täters immer dann vor, wenn der Hang jedenfalls neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist (vgl. etwa , NStZ 2010, 83, 84). Danach hätte das Landgericht vorliegend einen symptomatischen Zusammenhang nicht verneinen dürfen. Der Angeklagte beging nach den Feststellungen den abgeurteilten Überfall auf die Tankstelle zwar, um den Betrag von 6.000 € zurückzuzahlen, den er sich von dem Mitangeklagten K. geliehen hatte. Das Bargeld in Höhe von 100 €, das er als Tatbeute erhielt, verspielte er nach seinen Angaben. Doch hatte er das von dem Mitangeklagten K. erhaltene Geld ausgegeben, um Drogen zu erwerben, die er teilweise verkaufte, teilweise aber auch selbst konsumierte. Damit diente die abgeurteilte Tat letztlich der Rückzahlung von Drogenschulden. Zudem war der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts bei Begehung der Tat durch vorangegangenen Rauschmittelkonsum enthemmt.
6c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen, insbesondere auch ein Hang, nach den Feststellungen des Landgerichts nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nach-holung der Unterbringungsanordnung nicht (vgl. , BGHSt 37, 5, 7 ff.).
72. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
8Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB genügt nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. , juris Rn. 9; Urteil vom - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Be-treffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommen und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom - 3 StR 103/15, juris Rn. 6). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz dem Vorliegen eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom - 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (zum Ganzen , juris Rn. 8 mwN). Danach liegt nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Hang nicht fern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:271118B3STR299.18.0
Fundstelle(n):
DAAAH-11312