Festlegung der Erlösobergrenzen für Betreiber eines Gasverteilernetzes: Erforderlichkeit eines inneren Zusammenhangs zwischen Eigenkapital und Abzugskapital; Pflichten aus Gewinnabführungsvertrag als Verbindlichkeit; Darlegung der Betriebsnotwendigkeit von Umlaufvermögen; Zulässigkeit der Anschlussrechtsbeschwerde in Energiewirtschaftssachen - Gewinnabführungsvertrag
Leitsatz
Gewinnabführungsvertrag
1a. Die Berücksichtigung von Abzugskapital hängt nicht davon ab, dass ein innerer Zusammenhang zum betriebsnotwendigen Eigenkapital besteht oder dass die zu Grunde liegende Überlassung von Kapital betriebsnotwendig war (Bestätigung von , RdE 2010, 19 Rn. 44 f. - SWU Netze; Beschluss vom - EnVR 57/15, RdE 2017, 340 Rn. 36 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).
1b. Die aus einem Gewinnabführungsvertrag resultierende Pflicht, den im Geschäftsjahr angefallenen Gewinn nach Erstellung der Bilanz zeitnah auszukehren, begründet eine Verbindlichkeit im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 GasNEV.
1c. Zur Darlegung der Betriebsnotwendigkeit von Umlaufvermögen ist es erforderlich, die Entwicklung von Liquidität und kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten über das gesamte Geschäftsjahr hinweg darzustellen (Bestätigung von , RdE 2010, 19 Rn. 20 - SWU Netze; Beschluss vom - EnVR 23/16 Rn. 27 f. - SW Kiel Netz GmbH).
2a. In energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren ist eine Anschlussrechtsbeschwerde entsprechend den Regeln über die Anschlussrevision im Zivilprozess statthaft (im Anschluss an , WuW/E BGH 2271, juris Rn. 28 - Taxigenossenschaften; Beschluss vom - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 Rn. 132 - Lottoblock I).
2b. Die Zulässigkeit der Anschlussrechtsbeschwerde hängt davon ab, dass sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Rechtsbeschwerde erfassten Gegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (Bestätigung von , BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.).
Gesetze: § 7 Abs 1 GasNEV, § 7 Abs 2 S 1 GasNEV, § 7 Abs 2 S 2 Nr 5 GasNEV, § 88 EnWG
Instanzenzug: Az: EnVR 63/17 Beschlussvorgehend Az: 2 Kart 3/13 (2) Beschluss
Gründe
1A. Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz, das ihre Muttergesellschaft an sie verpachtet hat. Mit Beschluss vom hat die Bundesnetzagentur in Wahrnehmung der Aufgaben der Landesregulierungsbehörde die Erlösobergrenzen für die zweite Regulierungsperiode niedriger als von der Betroffenen begehrt festgesetzt.
2Mit ihrer Beschwerde hat sich die Betroffene dagegen gewandt, dass die Bundesnetzagentur Neuanlagen, die im Basisjahr erstmals aktiviert wurden, im Jahresanfangsbestand mit Null angesetzt, Umlaufvermögen nur in Höhe von einem Zwölftel des Jahresumsatzes anerkannt und Verbindlichkeiten aus Gewinnabführungsverträgen als Abzugskapital berücksichtigt hat. Das Beschwerdegericht hat die Bundesnetzagentur hinsichtlich der Neuanlagen und der Verbindlichkeiten aus Gewinnabführungsverträgen zur Neubescheidung verpflichtet.
3Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Bundesnetzagentur gegen die Verpflichtung zur Neubescheidung hinsichtlich des Abzugs von Verbindlichkeiten aus Gewinnabführungsverträgen. Die Betroffene tritt dem Rechtsmittel entgegen.
4Im Wege der Anschlussrechtsbeschwerde begehrt die Betroffene, die Bundesnetzagentur hinsichtlich der Höhe des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens ebenfalls zur Neubescheidung zu verpflichten. Die Bundesnetzagentur hält diesen Rechtsbehelf für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
5B. Beide Rechtsbehelfe sind zulässig, nur derjenige der Bundesnetzagentur ist begründet.
6I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Im Grundsatz sei die Auffassung der Bundesnetzagentur richtig, dass das notwendige Umlaufvermögen nur durch eine Cash-flow-Analyse dargelegt werden könne. Die ursprünglichen Erklärungen der Betroffenen seien unter diesem Aspekt nicht geeignet, die Notwendigkeit eines höheren Umlaufvermögens zu begründen, weil dort Zuflüsse nicht berücksichtigt würden. Ein betriebsnotwendiges Umlaufvermögen könne auch nicht allein mit bilanzierten kurzfristigen Verbindlichkeiten belegt werden.
8Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur seien die am Bilanzstichtag bestehenden Verbindlichkeiten aus Gewinnabführungsverträgen hingegen nicht beim Abzugskapital zu berücksichtigen. Solche Verbindlichkeiten seien in § 7 Abs. 2 GasNEV nicht aufgeführt. Sie könnten auch nicht als sonstige Verbindlichkeiten aufgrund zinsloser Überlassung von Mitteln angesehen werden, weil sie mit dem betriebsnotwendigen Eigenkapital und dem Betrieb des Netzes nichts zu tun hätten, sondern ihre Quelle allein in der Sphäre der das Netz betreibenden Gesellschafter untereinander hätten.
9II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
101. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung allerdings nicht nach § 88 Abs. 2 EnWG und § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben.
11Nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist eine bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasste Entscheidung nicht mit Gründen versehen, wenn diese nicht innerhalb von fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt werden ( GmS-OGB 1/92, BVerwGE 92, 367, 371). Diese Konstellation ist im Streitfall nicht gegeben.
12Das Beschwerdegericht hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom keine Entscheidung verkündet. Es hat vielmehr erst am - nach Erteilung eines Hinweises und ergänzender Stellungnahmen der Beteiligten sowie in anderer Besetzung als in der mündlichen Verhandlung - den angefochtenen Beschluss gefasst und den Beteiligten zeitnah zugestellt. Damit hat es zwar gegen § 81 Abs. 1 EnWG verstoßen, wonach über die Beschwerde grundsätzlich auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist. Dies füllt aber den Tatbestand des § 547 Nr. 6 ZPO nicht aus.
13§ 547 Nr. 6 ZPO und entsprechende Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen sollen gewährleisten, dass die schriftlich abgefassten Gründe mit den Gründen übereinstimmen, die nach dem Ergebnis der auf die mündliche Verhandlung folgenden Beratung für die richterliche Überzeugung und für die von dieser getragene Entscheidung maßgeblich waren (GmSOGB, BVerwGE 92, 367, 371). Zu einer diesbezüglichen Diskrepanz kann es nur dann kommen, wenn zwischen der Entscheidungsfällung und der schriftlichen Abfassung der Gründe ein längerer Zeitraum liegt, nicht aber, wenn das Gericht erst lange Zeit nach der mündlichen Verhandlung eine Entscheidung fällt und zeitnah begründet (, NJW 1995, 75).
14Aus der von der Rechtsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nichts Abweichendes. Danach ist eine an Verkündungs statt zugestellte Entscheidung nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht eine Entscheidung, deren Tenor es innerhalb der in § 116 Abs. 2 VwGO normierten Frist von zwei Wochen zur Geschäftsstelle gegeben hat, nicht innerhalb von fünf Monaten mit Gründen versieht (, NJW 1994, 273; Beschluss vom - 8 B 17/01, NVwZ 2001, 1150). Dies ist folgerichtig, weil auch in dieser Konstellation ein großer zeitlicher Abstand zwischen der Entscheidungsfällung und der schriftlichen Begründung besteht. Ein solcher Abstand besteht im Streitfall indes nicht.
152. Zu Unrecht ist das Beschwerdegericht jedoch zu dem Ergebnis gelangt, die Verbindlichkeiten aus den Gewinnabführungsverträgen seien nicht als Abzugskapital zu behandeln.
16a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Behandlung als Abzugskapital nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeiten nicht in Zusammenhang mit betriebsnotwendigem Eigenkapital stehen.
17Bei der Ermittlung des für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung maßgeblichen Eigenkapitals sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 GasNEV zwei Schranken zu berücksichtigen. Nach Halbsatz 1 Nr. 1 bis 4 dürfen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens jeweils nur insoweit berücksichtigt werden, als sie betriebsnotwendig sind. Von dem so ermittelten betriebsnotwendigen Kapital sind nach Halbsatz 2 das Abzugskapital und das verzinsliche Fremdkapital abzuziehen.
18Hierbei ist ein innerer Zusammenhang zwischen Eigenkapital und Abzugskapital nicht erforderlich. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist Abzugskapital nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GasNEV zum Beispiel auch insoweit zu berücksichtigen, als sein Betrag den Betrag des betriebsnotwendigen Eigenkapitals übersteigt, so dass im Ergebnis ein negativer Kapitalbetrag anzusetzen ist (, RdE 2010, 19 Rn. 44 f. - SWU Netze; Beschluss vom - EnVR 57/15, RdE 2017, 340 Rn. 36 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).
19Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht der Berücksichtigung von Abzugskapital im Streitfall deshalb nicht entgegen, dass dessen Höhe den Betrag des als betriebsnotwendig anerkannten Umlaufvermögens übersteigt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein hoher Betrag des Abzugskapitals zwar dazu führen, dass ein höherer Betrag für das notwendige Umlaufvermögen anzusetzen ist (, RdE 2010, 19 Rn. 33 - SWU Netze). Der Netzbetreiber hat die Notwendigkeit des Umlaufvermögens aber auch in dieser Konstellation konkret darzulegen. Wenn sein diesbezügliches Vorbringen den dafür geltenden Anforderungen nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht, hat dies nicht zur Folge, dass Abzugskapital in entsprechender Höhe unberücksichtigt zu bleiben hat.
20b) Die Behandlung als Abzugskapital hängt ferner nicht davon ab, ob die zu Grunde liegende Überlassung von Kapital betriebsnotwendig war.
21Eine Unterscheidung anhand dieses Kriteriums ist im Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GasNEV nicht vorgesehen. Sie würde auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen.
22Der Abzug von zinslos überlassenem Kapital soll verhindern, dass ein Netzbetreiber eine Eigenkapitalverzinsung für Mittel erhält, für deren Bereitstellung ihm keine Kosten in Form von Zinsen entstehen. Dieser Ausschluss muss auch - und erst recht - gelten, wenn die Überlassung der betreffenden Mittel für den Betrieb des Netzes nicht erforderlich ist.
23c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung führt auch der Umstand, dass die Pflicht zur Gewinnabführung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruht, nicht dazu, dass es an dem erforderlichen Netzbezug fehlt.
24Der für die Berücksichtigung im Zusammenhang mit § 7 GasNEV erforderliche Netzbezug besteht schon dann, wenn die abzuführenden Gewinne aus dem Netzbetrieb stammen. Dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist, zieht auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht in Zweifel.
25d) Ein Abzug ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeiten auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhen und bei einem nicht zur Gewinnabführung verpflichteten Netzbetreiber nicht anfallen würden.
26Die Regelung in § 7 Abs. 1 und 2 GasNEV differenziert nicht danach, auf welcher rechtlichen Grundlage eine Kapitalüberlassung erfolgt. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, ob es sich um eine Vermögensposition handelt, in der sich eine (zinslose) Überlassung von Kapital durch Dritte widerspiegelt (, RdE 2018, 77 Rn. 19 - SW Kiel Netz GmbH). Diese Voraussetzung kann auch bei Mitteln erfüllt sein, die dem Netzbetreiber auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage überlassen werden.
27Der Umstand, dass die Mittel bei einem Unternehmen, das nicht durch einen Gewinnabführungsvertrag gebunden ist, als Eigenkapital anzusehen wären, führt für sich gesehen nicht dazu, dass sie bei Bestehen eines solchen Vertrags in gleicher Weise zu qualifizieren sind. Die rechtliche Qualifikation hängt nicht davon ab, welche gesellschaftsrechtliche Gestaltung die beteiligten Unternehmen hätten wählen können, sondern davon, welche sie gewählt haben. An den rechtlichen Konsequenzen der gewählten Gestaltung muss sich die Betroffene gegebenenfalls auch insoweit festhalten lassen, als sie ihr in einzelnen Beziehungen zum Nachteil gereichen.
28e) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts begründen die Pflichten aus den Gewinnabführungsverträgen eine Verbindlichkeit im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 GasNEV.
29Wie bereits oben aufgezeigt wurde, ist als Verbindlichkeit im Sinne dieser Vorschriften jede Vermögensposition anzusehen, in der sich eine (zinslose) Überlassung von Kapital durch Dritte widerspiegelt (, RdE 2018, 77 Rn. 19 - SW Kiel Netz GmbH). Diese Voraussetzung ist in der Konstellation des Streitfalls erfüllt. Die aus den Gewinnabführungsverträgen Berechtigten sind zwar Gesellschafter der Betroffenen. Dennoch handelt es sich bei den abzuführenden Gewinnen nicht um Eigenkapital, weil diese der Gesellschaft nicht auf Dauer zur Verfügung stehen.
30Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, beruhen die in der Bilanz als Verbindlichkeiten ausgewiesenen Forderungen aus den Gewinnabführungsverträgen auf in der Vergangenheit erwirtschafteten Gewinnen, die noch nicht an die Gesellschafter ausgekehrt worden sind. Solche Mittel stehen den Gesellschaftern zu. Diese haben zwar die Möglichkeit, sie in Eigenkapital umzuwandeln. Wenn sie die Gesellschaft aber schon vorab in einem Gewinnabführungsvertrag dazu verpflichtet haben, die Gewinne zeitnah auszukehren, steht indes schon am Bilanzstichtag fest, dass das betreffende Kapital der Gesellschaft nicht auf Dauer erhalten bleiben wird. Ähnlich wie Guthaben auf Gesellschafter-Privatkonten (dazu , RdE 2016, 70 Rn. 23 ff.- Stadtwerke Freudenstadt II) sind solche Mittel deshalb nicht als notwendiges Eigenkapital im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 GasNEV anzusehen, sondern als kurzfristige und zinslose Überlassung.
31Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ergibt sich eine abweichende Beurteilung nicht deshalb, weil vor dem Ende eines Geschäftsjahrs nicht ohne weiteres beurteilt werden kann, ob ein Gewinn anfällt und weil dem Netzbetreiber ein erzielter Gewinn im Falle eines Gewinnabführungsvertrags nicht dauerhaft zur Verfügung steht. Diese beiden Umstände sprechen vielmehr erst recht dafür, in der Bilanz ausgewiesenes Kapital, das auf solchen Gewinnen beruht, bei der kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals für die Folgejahre unberücksichtigt zu lassen.
32f) Die Mittel stehen zinslos zur Verfügung.
33Entgegen der Auffassung der Betroffenen sind die Verbindlichkeiten nicht deshalb als verzinslich anzusehen, weil die Gewinne innerhalb von zwei Wochen nach Feststellung des Jahresabschlusses an die Berechtigten abzuführen sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Betroffene für den Zeitraum bis zur Abführung Zinsen schuldet. Letzteres ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Bundesnetzagentur nicht der Fall.
34g) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht dieses Ergebnis nicht in Widerspruch zum Zweck der Anreizregulierung.
35Der angestrebte Anreiz zu einer zusätzlichen Steigerung der Effizienz ergibt sich daraus, dass der Netzbetreiber - und im Falle der Ausschüttung dessen Gesellschafter - daraus resultierende Gewinne behalten darf. Hieraus kann nicht abgeleitet werden, dass erzielte Gewinne auch bei der kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals für nachfolgende Jahre zu berücksichtigen sind.
36III. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
371. Der Rechtsbehelf ist zulässig.
38a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist in kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren eine Anschlussrechtsbeschwerde entsprechend den Regeln über die Anschlussrevision im Zivilprozess (§ 554 ZPO) statthaft (, WuW/E BGH 2271, juris Rn. 28 - Taxigenossenschaften; Beschluss vom - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 Rn. 132 - Lottoblock I).
39Für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Energiewirtschaftssachen, das nach dem Vorbild der §§ 74 ff. GWB ausgestaltet ist, gilt nichts anderes.
40b) Der erforderliche Zusammenhang mit dem Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist gegeben.
41aa) Nach den Grundsätzen des Zivilprozessrechts ist eine Anschlussrevision nur dann zulässig, wenn sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.).
42Diese Voraussetzungen gelten auch für die Anschlussrechtsbeschwerde.
43Ebenso wie die Anschlussrevision ist die Anschlussrechtsbeschwerde ein unselbständiger Rechtsbehelf akzessorischer Natur, weil ihre Zulässigkeit von der Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels des Gegners abhängt. Dieser Abhängigkeit würde es widersprechen, wenn mit ihr Streitstoff eingeführt werden könnte, der mit dem Gegenstand des gegnerischen Rechtsmittels weder in einem rechtlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGHZ 174, 244 Rn. 40).
44c) Im Streitfall ist der danach erforderliche Zusammenhang gegeben.
45Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Senats kann ein hoher Betrag des Abzugskapitals dazu führen, dass ein höherer Betrag für das notwendige Umlaufvermögen anzusetzen ist (, RdE 2010, 19 Rn. 33 - SWU Netze). Der für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde relevanten Frage, wie hoch das zu berücksichtigende Abzugskapital ist, kann mithin Bedeutung für die Höhe des notwendigen Umlaufvermögens zukommen. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, den Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens so zu erweitern, dass auch über die zweite Frage zu entscheiden ist.
46Dass ein höherer Betrag des Abzugskapitals nicht ohne weiteres zu einer entsprechenden Erhöhung des notwendigen Umlaufvermögens führt, steht dem nicht entgegen. In welcher Höhe sich Umlaufvermögen als betriebsnotwendig erweist, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsbehelfs. Für die Zulässigkeit reicht es aus, dass die Beurteilung des Abzugskapitals für die Beurteilung des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens von Bedeutung sein kann.
472. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist unbegründet.
48Das Beschwerdegericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Betroffene die Betriebsnotwendigkeit von Umlaufvermögen in einer den pauschalen Ansatz der Bundesnetzagentur übersteigenden Höhe nicht hinreichend dargelegt hat.
49a) Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, obliegt es dem Netzbetreiber, die Betriebsnotwendigkeit des von ihm in Ansatz gebrachten Umlaufvermögens nachvollziehbar darzulegen (vgl. nur , RdE 2010, 19 Rn. 20 - SWU Netze; Beschluss vom - EnVR 23/16 Rn. 27 f. - SW Kiel Netz GmbH). Die Notwendigkeit eines überdurchschnittlich hohen Umlaufvermögens kann sich etwa daraus ergeben, dass kurzfristig zu bedienende Verbindlichkeiten durch die vorhandenen liquiden Mittel und kurzfristig realisierbare Forderungen nicht vollständig abgedeckt werden können (, RdE 2010, 19 Rn. 25 - SWU Netze; Beschluss vom - EnVR 19/08 Rn. 25).
50Ob hierzu, wie das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit der Bundesnetzagentur meint, stets eine nach einzelnen Monaten aufgeschlüsselte Darstellung der Liquidität und der kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten für das gesamte Geschäftsjahr erforderlich ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Erforderlich ist jedenfalls, dass die Entwicklung von Liquidität und kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten über das gesamte Geschäftsjahr hinweg dargestellt werden. Eine auf einzelne Stichtage oder Teile des Geschäftsjahrs beschränkte Darstellung ist demgegenüber nicht geeignet. Gerade wenn sich im Verlauf des Jahres Schwankungen ergeben, hängt die Beantwortung der Frage, in welchem Umfang die Vorhaltung von Umlaufvermögen erforderlich ist, auch davon ab, inwieweit entstandene Ungleichgewichte kurzfristig ausgeglichen werden können. Dies kann nur beurteilt werden, wenn die Entwicklung über das gesamte Geschäftsjahr hinweg aufgezeigt wird.
51b) Diesen Anforderungen wird der von der Anschlussrechtsbeschwerde aufgezeigte Vortrag der Betroffenen nicht gerecht.
52Die Betroffene hat auf den vom Beschwerdegericht nach der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis zwar Angaben zur Liquidität gemacht. Diese betreffen aber nur einen Zeitraum von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag, nicht hingegen das gesamte Geschäftsjahr.
53c) Entgegen der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde ergeben sich aus der Rechtsprechung des Senats keine unzumutbaren Anforderungen an die Darlegung der Betriebsnotwendigkeit.
54Die Anforderungen an Darlegung und Nachweis der Betriebsnotwendigkeit von Umlaufvermögen ergeben sich daraus, dass diese eine zentrale Voraussetzung für die Verzinsung als Eigenkapital und die daraus resultierende Kostenbelastung für die Netznutzer darstellt (vgl. , RdE 2010, 19 Rn. 20 - SWU Netze). Der von der Anschlussrechtsbeschwerde geltend gemachte Umstand, viele Netzbetreiber verfügten nicht über ausreichendes Datenmaterial, um die Entwicklung von Liquidität und kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten über das gesamte Geschäftsjahr hinweg darzustellen, vermag eine Reduzierung dieser Anforderungen nicht zu rechtfertigen.
55d) Entgegen der Auffassung der Anschlussrechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
56Aus dem Umstand, dass sich das Beschwerdegericht mit dem Vortrag der Betroffenen zur Entwicklung in den ersten drei Monaten nach dem Bilanzstichtag nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat, kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hat. Vom - zutreffenden - rechtlichen Standpunkt des Beschwerdegerichts aus waren die vorgetragenen Einzelheiten schon deshalb nicht relevant, weil sich die Darstellung nicht auf das gesamte Geschäftsjahr bezieht.
57C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 und 2 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
58Obwohl die Betroffene im Beschwerdeverfahren teilweise obsiegt hat, erschien es nicht angemessen, der Bundesnetzagentur einen Teil der Kosten aufzuerlegen, weil hiervon nur ein sehr geringer Anteil des gesamten Gegenstandswerts betroffen ist.
59Die gesonderte Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Verfahren über die von der Betroffenen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist entbehrlich, weil dieses Rechtsmittel in der Sache auf dasselbe Ziel gerichtet war wie die Anschlussrechtsbeschwerde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:290119BENVR63.17.0
Fundstelle(n):
KAAAH-11301