BGH Beschluss v. - 1 StR 481/18

Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Gesetze: § 64 StGB

Instanzenzug: Az: 202 Js 95382/17 - 8 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg erzielt, im Übrigen aber unbegründet ist.

2Die Verfahrensrüge erweist sich aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen als unbegründet.

3Während die revisionsrechtliche Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann das Urteil keinen Bestand haben, soweit die Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist.

4Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Nach den Feststellungen absolvierte der Angeklagte nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft am eine stationäre Drogenentwöhnungstherapie, die er nach sechs Wochen regelgerecht beendete. Bis zu seiner vorläufigen Festnahme am und der sich anschließenden Inhaftierung konsumierte der Angeklagte gelegentlich Cannabis und Kokain (UA S. 7, 24).

Die Kammer hat das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB mit der Begründung verneint, nach den Ausführungen der Sachverständigen könne bei dem Angeklagten keine Suchtdiagnose gestellt werden, da über das Ergebnis der Haaranalyse, die einen gelegentlichen Konsum von Cannabis und Kokain ergeben habe (UA S. 24), keine weiteren belastbaren Befunde oder Befundberichte über Entzugserscheinungen, Therapien und Folgeerkrankungen vorlägen. Ein Hang könne somit nicht festgestellt werden (UA S. 29 f).

Diese Begründung lässt befürchten, dass die Kammer bei ihrer Prüfung von einer zu engen Definition des Hanges ausgegangen ist.

Für die Annahme eines Hangs ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss (Senat, Beschluss vom – 1 StR 348/17, juris Rn. 9 mwN). Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (Senat, Beschluss vom – 1 StR 587/16, juris Rn. 9; Urteil vom – 1 StR 415/15, juris Rn. 7; , juris Rn. 10). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (Senat, Beschluss vom – 1 StR 587/16; BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 103/17; und vom – 3 StR 103/15). Insoweit kann der Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen. Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (Senat, Beschluss vom – 1 StR 482/15, juris Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 103/15, juris Rn. 6; und vom – 4 StR 56/08, juris Rn. 6). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (, juris Rn. 12 mwN). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (, juris Rn. 12 mwN).

Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte sowohl Marihuana, als auch Kokain konsumierte und einer geregelten Arbeit weder vor, noch nach seiner Inhaftierung nachging, hätte für die Kammer Veranlassung bestanden, die Hintergründe näher zu beleuchten. Allein die Tatsache, dass der Angeklagte keine Suchtfolgen zeigte, vermag das Vorliegen eines Hangs nicht zu verneinen.“

5Dem schließt sich der Senat an.

6Da er das Vorliegen der übrigen Anordnungsvoraussetzungen nach den Urteilsgründen nicht auszuschließen vermag, muss deshalb – unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – über die Frage, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist, neu verhandelt und entschieden werden.

7Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es insoweit nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt. Das neue Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:071118B1STR481.18.1

Fundstelle(n):
BAAAH-09030