BGH Urteil v. - II ZR 59/18

Feststellungsinteresse für einen Antrag auf Feststellung einer Gewinnbeteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deren Auflösung

Leitsatz

Ein auf Feststellung einer Gewinnbeteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteter Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung nach der Auflösung der Gesellschaft ein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung und Erstellung einer Schlussabrechnung nicht vorliegen.

Gesetze: § 256 Abs 1 ZPO, § 734 BGB

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 3 U 88/14vorgehend Az: 329 O 335/11

Tatbestand

1Der Kläger und der Beklagte zu 1 sind Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Beide Beklagten sind Rechtsanwälte und waren Anfang 2009 mit einem weiteren Gesellschafter in einer Sozietät verbunden. Nach dessen Ausscheiden kam es nach einem Gespräch zwischen den Parteien am zu einer Zusammenarbeit, deren Einzelheiten streitig sind. In der Folgezeit traten die Parteien unter der Bezeichnung "B.     G.     H.    Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer" auf. Es wurde ein Briefkopf verwandt, in dessen Fußzeile die Parteien sowie der Zeuge B.      als Gesellschafter der GbR bezeichnet werden. Am erhielt der Kläger von dem Beklagten zu 1 eine Überweisung in Höhe von 15.000 € mit der Bezeichnung "Entnahme".

2Im Frühjahr 2011 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Der Kläger verlangte die Vorlage der Gewinnermittlungen für die Jahre 2009 und 2010, welche er für das Jahr 2009 erhielt. Der Beklagte zu 1 lud zu einer Gesellschafterversammlung am u.a. mit dem Tagesordnungspunkt "Ausschluss des (Schein-)Gesellschafters H.           G.    ", d.h. des Klägers, ein. Mit Schreiben vom teilten die Beklagten dem Kläger mit, sein Ausschluss aus der Sozietät sei auf der Gesellschafterversammlung einstimmig beschlossen worden. Danach traten die Beklagten unter der Bezeichnung "B.    und H.    Rechtsanwälte" auf.

3Mit Schreiben vom kündigte der Kläger den Vertrag über die Sozietät mit sofortiger Wirkung, um die Auflösung der Sozietät herbeizuführen. Zugleich forderte er die Beklagten auf, an der Ermittlung des ihm zustehenden Auseinandersetzungsguthabens mitzuwirken.

4Das Landgericht hat festgestellt, dass der in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Sozietät vom gefasste Beschluss, den Kläger aus der Gesellschaft auszuschließen, nichtig ist, sowie, dass die Sozietät infolge der Kündigung des Klägers vom mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Den Antrag, festzustellen, dass der Kläger an dem bis zur Auflösung der Gesellschaft erzielten Gewinn der Sozietät neben den Beklagten zu gleichen Teilen beteiligt ist, hat es als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge auf Feststellung der Auflösung der Sozietät und der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter.

Gründe

5Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7Der auf Feststellung der Gewinnbeteiligung gerichtete Klageantrag sei mangels Feststellungsinteresses des Klägers unzulässig. Es gelte der Vorrang der Leistungsklage. Der Kläger sei nach seiner Kündigung vom in der Lage, von den Beklagten die Liquidation der Gesellschaft nebst Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz sowie Auszahlung eines Überschusses zu verlangen. Er verfolge gegen die beiden Beklagten auch ein entsprechendes Leistungsbegehren in einem beim Landgericht Hamburg noch an-dauernden Rechtsstreit, in dem er seinen Anteil am Abrechnungsüberschuss im Sinne von § 734 BGB ohne weiteres klären lassen könne. Es sprächen auch keine Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit dafür, dem Kläger ausnahmsweise ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zuzubilligen.

8Auch für den Antrag auf Feststellung der Sozietätsauflösung fehle dem Kläger das Feststellungsinteresse. Ihm drohe keine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit. Er habe sich für sein Feststellungsinteresse auf das anwaltliche Schreiben der Beklagten vom gestützt, mit dem er zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert worden sei. Das Schreiben habe sich nach seinem eindeutigen Wortlaut aber nicht auf die Behauptung bezogen, die gemeinsame Sozietät sei aufgelöst, sondern auf die Behauptung, die aus beiden Beklagten bestehende Sozietät sei aufgelöst. Zudem fehle es an einem "ernstlichen Bestreiten" der Auflösung. Die Beklagten hätten von Beginn an vorgetragen, dass zwischen ihnen und dem Kläger keine Sozietät im Sinne einer GbR begründet worden sei, und die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Beklagten über den hinaus der Fortsetzung der gemeinsamen Sozietät berühmt hätten.

9II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Feststellungsinteresse des Klägers für seine Klageanträge nicht verneinen.

101. Der auf die Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen gerichtete Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis der Parteien i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. An dessen Feststellung ist dem Kläger schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse zuzubilligen, weil die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung der Gesellschaft und Erstellung einer Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorliegen (vgl. , ZIP 2008, 1276 Rn. 14). Des Weiteren ist das vom Kläger hier verfolgte Feststellungsbegehren auch nicht deckungsgleich mit dem in einem weiteren, später rechtshängig gewordenen Rechtsstreit vor dem Landgericht gegen die Beklagten im Wege der Stufenklage verfolgten Leistungsbegehren auf Gewinnermittlung und Liquiditätsabschlussrechnung zum .

112. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dem Kläger das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung der Auflösung der Sozietät abgesprochen. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Sozietät infolge seiner Kündigung vom mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist.

12a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (, ZIP 2017, 1902 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 63/14, ZIP 2015, 1220 Rn. 20). Eine solche Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (, ZIP 2017, 1902 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 413/02, ZIP 2005, 42, 44).

13b) Die Beklagten haben das Recht des Klägers bestritten, weil sie den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags in Abrede gestellt haben und ihre Pflicht zur Erstellung der Liquidationsbilanz damit nicht zweifelsfrei feststeht. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre geklärt, dass die Sozietät zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst worden ist. Zwar haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig gestellt, dass die "Sozietät mittlerweile beendet ist". Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils haben die Beklagten aber eine Auflösung der Gesellschaft nicht unstreitig gestellt, sondern vielmehr streitig vorgetragen, eine Gesellschaft zwischen den Parteien liege nicht vor, weshalb auch ihre Auflösung nicht in Betracht komme, hilfsweise einen wirksamen Ausschluss des Klägers aus der Sozietät behauptet und nur weiter hilfsweise die Auflösung der Gesellschaft aufgrund der Kündigung des Klägers unstreitig gestellt.

14III. Das Berufungsurteil ist danach, soweit es angefochten ist, aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist in diesem Umfang, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

16Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Antrag auf Feststellung der Gewinnbeteiligung zu gleichen Teilen nicht zurückgewiesen werden. Einer anderen Bemessung als mit der vom Kläger beantragten Gewinnbeteiligungsquote von 1/3 steht § 308 Abs. 1 ZPO nicht per se entgegen. Sollte das Berufungsgericht eine Gewinnbeteiligung des Klägers zu einem Bruchteil nicht feststellen können und sieht es sich wegen § 308 Abs. 1 ZPO an einer anderen Feststellung der Höhe der Gewinnbeteiligung gehindert, hat es auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken. Es entspricht erkennbar dem Interesse des Klägers, seine ihm am Gewinn der Sozietät zustehende Beteiligung feststellen zu lassen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:220119UIIZR59.18.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 457 Nr. 9
DB 2019 S. 485 Nr. 9
DB 2019 S. 7 Nr. 9
DStR 2020 S. 360 Nr. 7
DStRE 2020 S. 1151 Nr. 18
GmbHR 2019 S. 346 Nr. 7
NJW 2019 S. 1002 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 4/2020 S. 226
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2020 S. 328
WM 2019 S. 402 Nr. 9
ZIP 2019 S. 15 Nr. 8
ZIP 2019 S. 414 Nr. 9
UAAAH-09028