Entscheidung über einen Adhäsionsantrag im Strafurteil: Reichweite eines Schuldanerkenntnisses bei teilweiser Verfahrenseinstellung
Gesetze: § 154 Abs 2 StPO, § 406 Abs 1 StPO, § 406 Abs 2 StPO
Instanzenzug: Az: 21 KLs 3/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 97 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und hiervon drei Monate für vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Einziehung eines Betrags in Höhe von 67.145 Euro als Wertersatz angeordnet und den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 335.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
21. Das auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
32. Auch die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz „gemäß seinem wirksamen prozessualen Anerkenntnis“ hält rechtlicher Nachprüfung stand, obwohl „der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Schaden (…) zum Teil auf den gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO vorläufig eingestellten Taten des Angeklagten (…) beruht“ und „der Angeklagte insoweit nicht im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO schuldig gesprochen“ wurde.
4a) Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5Unter Bezugnahme auf die vom Amtsgericht Ibbenbüren zugelassene und zunächst vor diesem verhandelte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beantragte der Adhäsionskläger, den Angeklagten zur Zahlung von 335.000 Euro, die der Angeklagte im Zeitraum von August 2008 bis Januar 2013 betrügerisch von ihm erlangt habe, nebst Zinsen zu verurteilen. In der Hauptverhandlung vom erkannte der Angeklagte den Anspruch an. Im Mai 2015 verwies das Amtsgericht die Sache an das Landgericht Münster. Dieses stellte das Verfahren im April 2018 gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der vor dem liegenden Betrugstaten ein. Die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden 97 Betrugstaten betreffen Zahlungen des Adhäsionsklägers im Zeitraum vom bis zum in Höhe von 67.145 Euro. Nach den Urteilsfeststellungen erschlich sich der Angeklagte auch die weiter gehenden Zahlungen in dem von der Verfahrenseinstellung umfassten Zeitraum jeweils durch Täuschung des Adhäsionsklägers.
6b) Der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 335.000 Euro nebst Zinsen gemäß seinem Anerkenntnis steht nicht entgegen, dass das Landgericht den Angeklagten – abweichend von § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO – nicht wegen sämtlicher Straftaten schuldig gesprochen hat, die der Adhäsionsentscheidung zugrunde liegen. Die Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO schränkte die durch § 406 Abs. 2 StPO angeordnete Verpflichtung des Landgerichts nicht ein, den Angeklagten gemäß seinem zuvor erklärten Anerkenntnis zu verurteilen.
7aa) Nach § 406 Abs. 2 StPO ist der Angeklagte gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen, wenn er den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise anerkennt. Diese Vorschrift ist gegenüber § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO die speziellere Regelung. Weder mit ihrem Zweck noch dem Dispositionsrecht des Angeklagten ist es zu vereinbaren, seine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis davon abhängig zu machen, dass der Tatrichter – abweichend vom zivilverfahrensrechtlichen Prüfungsmaßstab (§ 307 ZPO; vgl. dazu , NJW-RR 2010, 275 Rn. 15) – den dem anerkannten Anspruch zugrunde liegenden strafrechtlichen Sachverhalt (§ 264 StPO) weiter aufklärt oder den Angeklagten entweder schuldig spricht oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unterwirft (vgl. BT-Drucks. 15/1976, S. 17; BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 364/13, NStZ-RR 2014, 371 Rn. 16; vom – 4 StR 432/13, Rn. 4; vom – 2 StR 434/13, Rn. 12 f.; AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom – 34 Js 5355/10, NStZ-RR 2011, 383; Schneckenberger in Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2. Aufl., Rn. 163; aA 2 OLG 3 Ss 198/13, Rn. 12; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 406 Rn. 11; Bahnson, Das Adhäsionsverfahren nach dem Opferrechtsreformgesetz 2004, 2008, S. 98 f.; vgl. auch Klein, Das Adhäsionsverfahren nach der Neuregelung durch das Opferrechtsreformgesetz, 2007, S. 251). Gegenüber einem Anerkenntnis des Angeklagten – als Ausdruck der Parteiautonomie und der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime – kommt der strafrechtlichen Bewertung in der Regel keine Bedeutung zu (vgl. BT-Drucks. 15/1976, S. 15 und 17; , Rn. 12 mwN; Schneckenberger in Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2. Aufl., Rn. 163). Jedenfalls wenn – wie hier – die Gefahr widersprüchlicher zivil- und strafrechtlicher Entscheidungen nicht besteht, bedarf es auch mit Blick auf § 406a Abs. 3 StPO keiner einschränkenden Auslegung des § 406 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 532/13, Rn. 4; vom – 2 StR 434/13, Rn. 13; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 406 Rn. 33; offen lassend Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 406 Rn. 4).
8bb) Da die Parteien über den sachlich-rechtlichen Anspruch, nicht aber über die Prozessvoraussetzungen disponieren können, hat das Gericht bei einem Anerkenntnis des Adhäsionsanspruchs zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (vgl. , NJW-RR 2010, 275 Rn. 15; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 307 Rn. 5). Gegen die Zulässigkeit des Adhäsionsantrags zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses – und damit gegen eine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis im Sinne des § 406 Abs. 2 StPO – bestehen hier keine Bedenken.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:071118B4STR353.18.0
Fundstelle(n):
AAAAH-07325