Wohnraummiete: Ausschluss des Anspruchs des Mieters auf Abrechnung der Heizkosten zu 70% nach dem erfassten Wärmeverbrauch durch sein Recht auf Kürzung seines Heizkostenanteils
Leitsatz
Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV kann der Mieter einer Wohnung verlangen, dass die anteilig auf ihn entfallenden Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage zu 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer verteilt werden. Der Mieter ist nicht darauf beschränkt, stattdessen von dem Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV Gebrauch zu machen.
Gesetze: § 556 Abs 1 S 1 BGB, § 7 Abs 1 S 2 HeizkostenV, § 7 Abs 2 S 1 HeizkostenV, § 12 Abs 1 S 1 HeizkostenV
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-17 S 2/17vorgehend AG Bad Homburg Az: 2 C 2101/16 (12)
Tatbestand
1Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in O. Die Beklagte rechnet die Heizkosten jeweils zu 50 % nach der Wohnfläche und nach dem erfassten Wärmeverbrauch ab.
2Mit der im September 2016 erhobenen Klage hat der Kläger im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Heizkostenverordnung (HeizkostenV) von der Beklagten verlangt, die Heizkosten zu 30 % nach der Wohnfläche und zu 70 % nach dem erfassten Verbrauch abzurechnen, beginnend mit der Heizperiode ab dem .
3Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6Zwar wäre die Beklagte unter den tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV zwingend verpflichtet, die Heizkosten zu 70 % nach erfasstem Wärmeverbrauch abzurechnen. Allerdings könne im gegebenen Fall dahinstehen, ob - was zwischen den Parteien streitig sei - die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt seien. Selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV erfüllt wären, bestünde kein Anspruch des Mieters auf künftige Abrechnung der Heizkosten nach Maßgabe des dort vorgesehenen Verteilungsmaßstabs. Der Mieter sei hinreichend durch das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV geschützt, wonach er den auf ihn entfallenden Anteil der Heizkosten um 15 % kürzen dürfe, wenn die Kosten der Wärmeversorgung entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet würden. Zwar bestehe das Kürzungsrecht des Mieters nach dem Wortlaut der vorgenannten Bestimmung nur dann, wenn keine verbrauchsabhängige Abrechnung stattfinde, während hier lediglich eine falsche verbrauchsabhängige Abrechnung "vorliege". Bei falschen verbrauchsabhängigen Abrechnungen sei § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV aber entsprechend anzuwenden.
II.
7Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
8Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV auf zukünftige Abrechnung des Wärmeverbrauchs nach Maßgabe des von § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV vorgegebenen Verteilungsmaßstabs nicht verneint werden.
91. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV sind von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage mindestens 50 % und höchstens 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Die danach bestehende Wahlmöglichkeit des Gebäudeeigentümers (vgl. § 6 Abs. 4 HeizkostenV), einen Verteilungsmaßstab zwischen mindestens 50 % und höchstens 70 % der Kosten nach Verbrauch bestimmen zu können, wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV für bestimmte Gebäude eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung sind in Gebäuden, die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom (BGBl. I S. 2121) nicht erfüllen, die mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen.
10a) Vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV ist in der Revisionsinstanz auszugehen. Unstreitig erfüllt das Gebäude der Beklagten das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom nicht und wird mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt. Nach dem - vom Berufungsgericht als streitig behandelten, in der Revisionsinstanz aber zugrunde zu legenden - Sachvortrag des Klägers ist zu seinen Gunsten anzunehmen, dass die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude überwiegend gedämmt sind.
11b) Als Rechtsfolge hat die Beklagte 70 % der Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Sofern der Vermieter, wie die Beklagte, gleichwohl an einem davon abweichenden Verteilungsmaßstab festhält, gewährt § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV dem Mieter einen Anspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (vgl. Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 13. Aufl., § 7 HeizkostenV Rn. 9).
122. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei stattdessen ausschließlich auf das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV zu verweisen, geht fehl.
13a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV hat der Nutzer, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, das Recht, bei der nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten den auf ihn entfallenden Anteil um 15 % zu kürzen. Diese Vorschrift ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
14aa) Das Berufungsgericht verkennt, dass hier nicht in Rede steht, ob der Mieter zur Kürzung der ihm berechneten Heizkosten berechtigt ist, wenn der Vermieter in einer bereits erteilten Abrechnung die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV, nach dem dort vorgesehenen Verteilungsschlüssel abzurechnen, missachtet hat (vgl. dazu Betriebs- und Heizkosten-Kommentar/Wall, 4. Aufl., Rn. 5858). Das Begehren des Klägers richtet sich vielmehr darauf, zukünftig Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich des Verbrauchs- und Grundkostenanteils fehlerhaft sind.
15§ 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV bietet keine Grundlage für die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Mieter verpflichtet sei, die Erteilung weiterer fehlerhafter Heizkostenabrechnungen abzuwarten und diese gegebenenfalls zu kürzen. Dem Senatsurteil vom (VIII ZR 329/14, NZM 2016, 381 Rn. 19) lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon deshalb nichts anderes entnehmen, weil es eine dem Mieter bereits erteilte Betriebskostenabrechnung zum Gegenstand hatte.
16bb) Die Sichtweise des Berufungsgerichts ist insbesondere mit dem Zweck der Heizkostenverordnung, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (, NZM 2006, 652 Rn. 14; vom - VIII ZR 9/14, NZM 2015, 205 Rn. 21; vom - VIII ZR 193/14, NZM 2015, 589 Rn. 29; vom - VIII ZR 329/14, aaO Rn. 16 f.), nicht zu vereinbaren. Namentlich durch die verpflichtende Festlegung des verbrauchsabhängigen Anteils auf 70 % in den von § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV erfassten Gebäuden sollte der Einfluss des Nutzers gestärkt werden und dieser hierdurch zu sparsamerem Verbrauchsverhalten angehalten werden (Begründung der Bundesregierung zur Änderung der Heizkostenverordnung vom , BR-Drucks. 570/08, S. 7, 12).
17b) Anders als das Landgericht gemeint hat, steht der vom Kläger begehrten Verurteilung nicht entgegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV nachträglich entfallen könnten. In einem solchen Fall könnte der Vermieter das ihm durch § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV gewährte Wahlrecht wieder ausüben (Langenberg in Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 8. Aufl., K III Rn. 161). Dabei kann im gegebenen Fall dahinstehen, ob der Vermieter zu einer solchen Abänderung nur unter den zusätzlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HeizkostenV berechtigt ist (so wohl BeckOGK-HeizkostenV/Drager, Stand: , § 7 Rn. 11). Prozessual kann der Vermieter eine dahingehende Änderung des Abrechnungsmaßstabs gegebenenfalls mit einer Abänderungsklage (§ 323 ZPO) erwirken (zu Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen als wiederkehrende Leistungen vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 263/14, NJW 2016, 3231 Rn. 11, 16 ff. [zu § 216 Abs. 3 BGB]).
18c) Es erschließt sich auch nicht, aus welchem Grund die Rechtslage im Wohnungseigentumsrecht, das hier nicht einschlägig und deshalb auch nicht zu beurteilen ist, einem Anspruch des Wohnraummieters auf Änderung des Verteilungsschlüssels für Heizkosten entgegenstehen könnte. Unbeschadet dessen entspricht ein Abrechnungsmaßstab, der gegen die - gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 2 HeizkostenV auch innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beachtende - Heizkostenverordnung verstößt, nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (, NJW 2010, 3298 Rn. 15).
III.
19Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, ob die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
20Das Berufungsgericht wird zunächst zu beachten haben, dass die in den Gründen seines Urteils - durch Bezugnahme (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils - getroffene Feststellung, in dem Anwesen befänden sich keine nicht isolierten Heizungsrohre, im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen im Berufungsurteil steht. Dies gestattet keine hinreichend sichere rechtliche Beurteilung des Parteivorbringens (§ 545 Abs. 1, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. , NJW-RR 2014, 381 Rn. 8, 11).
21Das Berufungsgericht wird ferner zu berücksichtigen haben, dass die Auffassung der Beklagten, der Mieter müsse zum Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Dämmung Sachvortrag zu den "Werte[n] nach § 14 Abs. 5, Anlage 5 EnEV 2014" halten, keine Grundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV findet. Das Berufungsgericht wird daher - wie die Revision zu Recht geltend macht - der vom Kläger hinreichend konkretisiert dargelegten und durch richterlichen Augenschein unter Beweis gestellten Behauptung nachzugehen haben, dass Leitungen der Wärmeverteilung nur auf wenigen Metern im Keller des Gebäudes freilägen und diese mit "einer sehr dicken Isoliermanschette ummantelt" seien.
22Des Weiteren ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf beschränkt, eine Änderung des Verteilungsschlüssels erst mit Beginn des nächsten vertraglich geregelten Abrechnungszeitraums zu verlangen, denn die Vorschriften der Heizkostenverordnung gehen rechtsgeschäftlichen Bestimmungen vor (§ 2 HeizkostenV; siehe dazu , aaO Rn. 13; vom - VIII ZR 92/08, NJW 2009, 667 Rn. 11; vom - V ZR 221/09, aaO Rn. 17; jeweils mwN). Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV ist eine Änderung des Abrechnungsmaßstabs zwar nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Diese Vorschrift erfasst nach § 6 Abs. 4 Satz 1 HeizkostenV jedoch nur die Wahl des Abrechnungsmaßstabs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV, nicht dagegen den zwingend vorgegebenen Verteilungsschlüssel des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV. Der Hinweis auf Praktikabilitätsgründe (so Kreuzberg/Wien/Pfeifer, Handbuch der Heizkostenabrechnung, 9. Aufl., Kapitel 1, S. 78) vermag an der verbindlichen Vorgabe nichts zu ändern.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:160119UVIIIZR113.17.0
Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 8 Nr. 10
NJW-RR 2019 S. 785 Nr. 13
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2019 S. 542
WAAAH-06979