Strafzumessung beim sexuellen Missbrauch von Kindern
Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 176 StGB, § 176a StGB
Instanzenzug: LG Erfurt Az: 130 Js 10341/15 jug - 6 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet.
2Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
31. Die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4a) Das Landgericht hat hinsichtlich aller Taten zum Nachteil des Angeklagten die „eigensüchtige Einstellung“ berücksichtigt, mit der er „die Befriedigung seiner sexuellen Forderungen ohne Rücksicht auf deren Folgen für die Nebenklägerin an dieser als Ersatz für eine erwachsene Sexualpartnerin“ durchgesetzt habe. Damit hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Straftaten überhaupt begangen hat. Denn dass sich der Angeklagte über die Interessen des missbrauchten Kindes hinweggesetzt hat, gehört zum Regeltatbild der Tatbestände der §§ 176 und 176a StGB und kann deshalb nicht als den Unrechtsgehalt der Taten erhöhender Umstand angesehen werden (vgl. , NStZ 2014, 409, 410; Senat, Beschluss vom – 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291).
5b) Darüber hinaus hat das Tatgericht im Fall II. 5 der Urteilsgründe nicht erkennbar geprüft, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) allein oder unter Berücksichtigung der sonstigen Milderungsgründe Anlass für die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB sein könnte (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 531/17, juris Rn. 11; , juris Rn. 8; Beschluss vom – 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524).
62. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Tatgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler zu einer für den Angeklagten günstigeren Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe gekommen wäre. Da es sich lediglich um Wertungsfehler handelt, können die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten dürfen, sind möglich.
73. Der Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann bestehen bleiben, weil eine Wechselwirkung zwischen Strafausspruch und Maßregelanordnung auszuschließen ist (vgl. , juris Rn. 4). Auch einer Aufhebung der Kompensationsentscheidung bedarf es nicht (vgl. , juris Rn. 16).
84. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9Bei der Prüfung der Frage, ob im Fall II. 5 der Urteilsgründe die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommt, wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu beachten haben, dass § 176a Abs. 4 StGB für einen minder schweren Fall des § 176a Abs. 2 StGB, wie er hier rechtsfehlerfrei festgestellt ist, einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren und nicht – wie vom Landgericht angenommen – einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren eröffnet.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:171018B2STR367.18.0
Fundstelle(n):
XAAAH-04880