Stufenzuordnung - Wiedereinstellung nach Befristung
Leitsatz
Bei der Stufenzuordnung nach Begründung eines Arbeitsverhältnisses, auf das der TVöD (VKA) anzuwenden ist, sind Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus vorherigen befristeten Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn es jeweils zu keiner längeren als einer sechsmonatigen rechtlichen Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen gekommen ist. § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B ist teilnichtig, soweit er eine uneingeschränkte Anrechnung derart erworbener einschlägiger Berufserfahrung ausschließt.
Gesetze: § 16 Abs 2 S 2 TVöD-B, § 4 Abs 2 S 3 TzBfG, § 28a Abs 2 S 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs 2 S 1 TzBfG
Instanzenzug: ArbG Detmold Az: 2 Ca 794/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 8 Sa 334/16 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die tarifliche Stufenzuordnung der Klägerin.
2Die Klägerin war in der Zeit vom bis , bis , bis und vom bis befristet als Erzieherin in einer Kindertagesstätte der Beklagten tätig. Seit dem ist die Klägerin in einem zwischenzeitlich entfristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten wiederum als Erzieherin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-B) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der TVöD-B in der am geltenden Fassung lautete auszugsweise wie folgt:
3Die Überleitung in die ab geltenden neuen S-Entgeltgruppen und -stufen regelt § 28a Abs. 1 und Abs. 2 TVÜ-VKA wie folgt:
4Mit Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst zum ordnete die Beklagte die Klägerin der Entgeltgruppe S 6 Stufe 2 zu und zahlte ihr ab ein Entgelt aus der Stufe 3 und ab aus der Stufe 4.
5§ 12.2 TVöD-B in der ab geltenden Fassung, der § 52 TVöD - Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B) entspricht, lautet wie folgt:
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die nur eingeschränkte Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrungszeiten aus vorherigen Arbeitsverhältnissen verstoße gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. § 16 Abs. 2 TVöD-B sei deswegen teilnichtig. Aufgrund der in den befristeten Arbeitsverhältnissen seit dem erworbenen Beschäftigungszeiten stehe ihr ab eine Vergütung nach der Stufe 6 zu.
7Die Klägerin hat beantragt
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat gemeint, die in den befristeten Arbeitsverhältnissen zurückgelegten Zeiten seien für die Stufenzuordnung nicht zu berücksichtigen, weil zwischen den Arbeitsverhältnissen rechtlich relevante Unterbrechungen lägen.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klägerin ab lediglich die Stufe 4 zugebilligt. Es hat den mehr als einmonatigen Unterbrechungszeitraum vom bis nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. e TVöD als schädlich angesehen und deshalb nur die seit dem erworbenen Berufserfahrungszeiten der Stufenzuordnung in dem am begründeten Arbeitsverhältnis zugrunde gelegt. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Gründe
10Die Revision ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war daher aufzuheben, soweit es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage teilweise abgewiesen hat. Die Berufung der Beklagten ist insgesamt zurückzuweisen. Das führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
11I. Die Revision ist zulässig. Zu ihrer ordnungsgemäßen Begründung müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten ( - Rn. 17). Diesen Anforderungen wird die Revision noch gerecht. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft von einer schädlichen Unterbrechung ausgegangen und habe deswegen Berufserfahrungszeiten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Die Revision nimmt demgegenüber an, dass aus Gründen des Diskriminierungsschutzes sämtliche Unterbrechungszeiten zwischen vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnissen unschädlich seien. Andernfalls verstoße § 16 Abs. 2 TVöD-B gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs werden damit klar. Das genügt für die Zulässigkeit der Revision (vgl. - Rn. 13, BAGE 153, 271). Ob die geltend gemachte Rechtsverletzung tatsächlich vorliegt, ist erst für die Begründetheit der Revision von Bedeutung.
12II. Die Revision hat Erfolg. Die als allgemein übliches Stufenfeststellungsbegehren zulässige Klage (vgl. zuletzt - Rn. 10 mwN; - 6 AZR 352/14 - Rn. 22 mwN) ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin ab dem eine Vergütung nach der Stufe 6 der Entgeltgruppe S 6 TVöD-B zu zahlen. Die in den früheren befristeten Arbeitsverhältnissen mit der Beklagten erworbenen Zeiten einschlägiger Berufserfahrung von elf Jahren und 17 Tagen waren gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Die Klägerin war bei ihrer Einstellung am darum der Stufe 5 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen. Daraus war sie gemäß § 28a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA zum in die Stufe 5/1 ihrer Entgeltgruppe überzuleiten, aus der sie jedenfalls im März 2015 in die begehrte Stufe 6 aufgestiegen war.
131. Für die Stufenzuordnung der Klägerin in dem seit dem bestehenden Arbeitsverhältnis ist im Ausgangspunkt § 16 Abs. 2 TVöD-B in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung maßgeblich. Nach Satz 1 dieser Tarifnorm werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügt die oder der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, erfolgt die Einstellung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 TVöD-B in die Stufe 2.
142. Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum handelte es sich um eine Einstellung iSv. § 16 Abs. 2 TVöD-B. Das frühere Arbeitsverhältnis endete mit dem aufgrund seiner Befristung. Der Begriff der Einstellung iSv. § 16 Abs. 2 TVöD-B erfasst auch die Wiederbegründung eines Arbeitsverhältnisses nach einer rechtlichen Unterbrechung. Die Tarifvertragsparteien haben nicht zwischen Neueinstellungen und Wiedereinstellungen unterschieden (vgl. für § 16 Abs. 2 TVöD-V - Rn. 11 mwN).
153. Die in den befristeten Arbeitsverhältnissen mit der Beklagten seit dem erworbene Berufserfahrung von elf Jahren und 17 Tagen ist einschlägig iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-B. Die Klägerin war stets als Erzieherin in einer Kindertagesstätte der Beklagten tätig. Auch die Wiedereinstellung am erfolgte als Erzieherin in einer Kindertagesstätte und damit für eine gleichartige Tätigkeit (sog. horizontale Wiedereinstellung, vgl. hierzu und zu sog. vertikalen Wiedereinstellungen auf geringer- oder höherwertigen Stellen, die § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG nicht unterfallen: - Rn. 22 mwN; - 6 AZR 432/14 - Rn. 24 ff.; zum Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung vgl. - Rn. 23). Das wird von keiner der Parteien in Frage gestellt.
164. § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B ist insofern teilnichtig, als die darin enthaltene, auf ein bzw. drei Jahre limitierte Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG verstößt (vgl. - Rn. 18). Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus vorherigen befristeten Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber sind im Geltungsbereich des TVöD-B bei einer sog. horizontalen Wiedereinstellung jedenfalls dann uneingeschränkt zu berücksichtigen, wenn es zu keiner längeren als einer sechsmonatigen rechtlichen Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen gekommen ist.
17a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG müssen für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer berücksichtigt werden, wenn es sich um wiederholte Einstellungen für eine gleichwertige oder gleichartige Tätigkeit handelt. Verrichten Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen identische Aufgaben wie Dauerbeschäftigte, erlangen sie die gleiche Berufserfahrung ( - Rn. 22 mwN). Eine Unterscheidung zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern ist nur erlaubt, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG konkretisiert den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG und stellt klar, dass ua. bei Entgeltansprüchen, die von zurückzulegenden Beschäftigungszeiten abhängen, für befristet Beschäftigte dieselben Zeiten wie für unbefristet Beschäftigte zu berücksichtigen sind (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 16). Mit § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG wird Paragraf 4 Nr. 4 der am geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge umgesetzt, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist (Rahmenvereinbarung; vgl. - Rn. 22 mwN).
18b) Die Rahmenvereinbarung, vor allem ihr Paragraf 4, soll verhindern, dass befristete Arbeitsverhältnisse von einem Arbeitgeber benutzt werden, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden. Deshalb muss Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (vgl. - [Vernaza Ayovi] Rn. 22 f. mwN). Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. für die st. Rspr. - [Vernaza Ayovi] Rn. 32 mwN). Die in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B enthaltene, auf ein bzw. drei Jahre limitierte Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung benachteiligt befristet Beschäftigte ungerechtfertigt. Eine solche Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte untersagt § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG in Umsetzung von Paragraf 4 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung (vgl. für § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-V - Rn. 23; für § 16 Abs. 3 TV-L - Rn. 28, BAGE 144, 263).
19Dabei sind entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht der Beklagten als Vergleichsgruppe nicht die nach einer Unterbrechung zum gleichen Zeitpunkt wie die Klägerin wieder eingestellten, zuvor in einem unbefristeten und durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer heranzuziehen. Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung und § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG als deren nationalrechtliche Umsetzungsnorm untersagen eine unterschiedliche Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei befristet Beschäftigten im Vergleich zu Dauerbeschäftigten (vgl. - [Motter] Rn. 26, 28; - C-302/11 bis C-305/11 - [Valenza ua.] Rn. 43). Daher ist Vergleichsgruppe die Gruppe der ohne rechtliche Unterbrechung tätigen Dauerbeschäftigten, nicht diejenige der nach einer rechtlichen Unterbrechung wieder eingestellten, zuvor unbefristet Beschäftigten ( - Rn. 29, BAGE 144, 263, auch zur früheren, mit dieser Entscheidung ausdrücklich aufgegebenen Rechtsprechung). Das hat der Gesetzgeber klargestellt, wenn er für befristet Beschäftigte die Anerkennung derselben Zeiten wie für unbefristet Beschäftigte verlangt (BT-Drs. 14/4374 S. 16).
20c) Befristet und unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, die identische oder ähnliche Aufgaben versehen, sind nach § 3 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vergleichbar. Das gilt auch hinsichtlich ihrer Berufserfahrung (zu diesem Erfordernis zum Beispiel - [de Diego Porras] Rn. 40 mwN; - C-38/13 - [Nierodzik] Rn. 30). Der einzige Unterschied zwischen diesen Arbeitnehmergruppen besteht darin, dass die Rechtsbeziehung mit dem Arbeitgeber im einen Fall befristet, im anderen Fall auf Dauer angelegt ist (vgl. bis C-305/11 - [Valenza ua.] Rn. 44 ff.; - Rn. 24).
21d) Für die nur limitierte Berücksichtigung der erworbenen Berufserfahrung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B bei den zuvor befristet beschäftigten Arbeitnehmern gibt es keinen sachlichen Grund (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl.: - [Motter] Rn. 36 ff. mwN; - C-96/17 - [Vernaza Ayovi] Rn. 37 ff.; - Rn. 25 ff. mwN; - 6 AZR 524/11 - Rn. 32 f., BAGE 144, 263), der diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigte. Zunächst oder ständig befristet Beschäftigte erlitten bei der Stufenzuordnung nur deswegen Nachteile, weil sie ihre Berufserfahrung in einem oder mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen erworben hätten. Die bloße Tatsache, dass nach dem nationalen Recht ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden ist, kann keinen sachlichen Grund iSv. Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung darstellen ( bis C-305/11 - [Valenza ua.] Rn. 65; - Rn. 27). Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD-B soll die gewonnene Berufserfahrung honorieren. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und Arbeitsquantität verbessern (vgl. für den TV-L - Rn. 21, BAGE 148, 1; für den TVöD-AT (VKA) - Rn. 28; - 6 AZR 526/09 - Rn. 35, BAGE 137, 80). Derselbe Gedanke liegt ersichtlich der Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung in § 16 Abs. 2 TVöD-B zugrunde (vgl. - Rn. 19, 23). Es spricht jedoch nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien die in befristeten Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung geringer gewichten wollten als die in unbefristeten Arbeitsverhältnissen erworbene. Dem steht schon entgegen, dass die Tarifvertragsparteien bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B nicht zwischen einschlägiger Berufserfahrung aus befristeten und aus unbefristeten Arbeitsverhältnissen unterscheiden. Unabhängig davon gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Personenkreis der befristet Beschäftigten entgegen dem Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 2 TzBfG gegenüber unbefristet Beschäftigten zurücksetzen wollten (vgl. für § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-V - Rn. 28; für § 16 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L - Rn. 34, BAGE 144, 263).
22e) Bei Verstößen gegen die Diskriminierungsverbote des § 4 TzBfG sind die leistungsgewährenden Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen zu erstrecken, die entgegen den Diskriminierungsverboten von den tariflichen Leistungen ausgeschlossen wurden. Das gilt jedenfalls so lange, bis die Tarifvertragsparteien selbst eine diskriminierungsfreie Regelung schaffen ( - Rn. 18; auch zur Möglichkeit der zukunftsgerichteten „Anpassung nach unten“ im Ausnahmefall einer aus mehreren selbständigen Teilregelungen bestehenden Tarifnorm - Rn. 28 ff., BAGE 154, 118 [zu § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 TV UmBw]).
23aa) Als leistungsgewährende Tarifvertragsbestimmung ist im vorliegenden Fall die Stufenlaufzeitregelung des § 16 Abs. 3 TVöD-B anzusehen. Dies gebieten Sinn und Zweck der Diskriminierungsverbote des § 4 TzBfG. Mit diesen soll eine Gleichbehandlung zwischen befristet Beschäftigten und vergleichbaren Dauerbeschäftigten erreicht werden. Bei Dauerbeschäftigten führt eine ununterbrochene Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe entsprechend der Stufenlaufzeitregelung des § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B als Ausdruck gesteigerter Berufserfahrung von sechs Jahren oder mehr zu einem Stufenaufstieg in die Stufe 4 und höher. Ist § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B insoweit teilnichtig, als die darin vorgesehene limitierte Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung befristet Beschäftigte im Vergleich zu Dauerbeschäftigten ungerechtfertigt benachteiligt, kann die von § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG sowie Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung geforderte Gleichbehandlung nur dergestalt erfolgen, dass die Berücksichtigung der über drei Jahre hinausgehenden einschlägigen Berufserfahrung nach den Vorgaben des § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B erfolgt. Dies ist in § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B insofern angelegt, als die dort geregelte Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung im Umfang von bis zu drei Jahren der Stufenaufstiegsregelung in § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B hinsichtlich der Stufen 2 und 3 entspricht.
24bb) Dem steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht die durch § 17 Abs. 2 TVöD-B eröffnete Möglichkeit zu leistungsabhängigen Stufenlaufzeitverkürzungen und -verlängerungen entgegen. Diese soll insbesondere die Anliegen der Personalentwicklung unterstützen (Protokollerklärung zu § 17 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B). Sinn und Zweck der Diskriminierungsverbote des § 4 TzBfG ist demgegenüber eine Gleichbehandlung der befristet Beschäftigten mit vergleichbaren Dauerbeschäftigten. Letztere steigen in den Stufen grundsätzlich nach Ablauf der in § 16 Abs. 3 TVöD-B festgelegten Zeiten auf. Diese tarifliche Stufenlaufzeitregelung bildet in typisierender Weise die nach Vorstellung der Tarifvertragsparteien anzunehmende Entwicklung vergleichbarer Dauerbeschäftigter ab. Deshalb sind befristet Beschäftigte bei ihrer Wiedereinstellung durch denselben Arbeitgeber grundsätzlich der Stufe zuzuordnen, die sich aus der Staffelung in § 16 Abs. 3 TVöD-B ergibt. Die Beklagte hat allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber diese Zeiten nach § 17 Abs. 2 TVöD-B im Einzelfall leistungsabhängig verlängern oder verkürzen kann und ihm diese Möglichkeit auch bei der Wiedereinstellung von befristet Beschäftigten offenstehen muss. Dies ist ihm jedoch entgegen der Annahme der Beklagten ungeachtet der Teilnichtigkeit des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B bei Heranziehung des § 16 Abs. 3 TVöD-B als leistungsgewährende Tarifvertragsbestimmung nicht verwehrt. Vielmehr kann der Arbeitgeber, der die erforderliche Dokumentation schon im befristeten Arbeitsverhältnis vorgenommen hat (zu den diesbezüglichen Anforderungen Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand März 2008 E § 17 Rn. 10 bis 12, 17; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Dezember 2017 Teil B 1 § 17 Rn. 20 ff.), dem zuvor bei ihm befristet beschäftigten Arbeitnehmer entgegenhalten, dass ein vergleichbarer Dauerbeschäftigter (noch) nicht der seiner Berufserfahrung entsprechenden Stufe des § 16 Abs. 3 TVöD-B zugeordnet worden wäre. Derartige erhebliche unterdurchschnittliche Leistungen der Klägerin hat die Beklagte jedoch nicht behauptet.
25f) Ab welcher Dauer eine rechtliche Unterbrechung zwischen zwei Arbeitsverhältnissen eine Berücksichtigung der im früheren Arbeitsverhältnis erworbenen Berufserfahrung als einschlägige Berufserfahrung ausschließt, ist in § 16 Abs. 2 TVöD-B nicht geregelt. Zur Lückenschließung ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. e TVöD-B abzustellen. Vielmehr ist von einer Unschädlichkeit jedenfalls immer dann auszugehen, wenn es zu keiner längeren als einer sechsmonatigen rechtlichen Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen gekommen ist.
26aa) Ein Rückgriff auf § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. e TVöD-B, wie ihn das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat, entspräche nicht dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien des TVöD-B, das bei der Schließung einer unbewussten Regelungslücke im Tarifvertrag zu berücksichtigen ist. § 17 Abs. 3 TVöD-B enthält in einem geschlossenen System für bestimmte tatsächliche Unterbrechungen rechtlich fortbestehender Arbeitsverhältnisse Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Berufserfahrung nur erworben werden kann, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet. Zudem führen nach dem Willen der Tarifvertragsparteien erst tatsächliche Unterbrechungen von mehr als drei Jahren dazu, dass eine Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher innegehabten Stufe erfolgt (§ 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-B). Vorliegend geht es hingegen um die Frage, bis zu welcher Dauer rechtlicher Unterbrechungen die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, dass noch kein Verlust von Erfahrungswissen eintritt.
27bb) Dies ist unter Heranziehung der zur Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L geltenden Erwägungen jedenfalls bei einer nicht länger als sechs Monate dauernden rechtlichen Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen der Fall.
28(1) Nach der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L besteht ein zu berücksichtigendes vorheriges Arbeitsverhältnis außerhalb des Wissenschaftsbereichs, wenn zwischen dem Ende des vorherigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt. Die Tarifvertragsparteien des TV-L haben dabei berücksichtigt, dass die einschlägige Berufserfahrung bei kurzen rechtlichen Unterbrechungen in einem neuen Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber typischerweise von Beginn an verwertbar ist. Im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative haben sie den unschädlichen Zeitraum für den Personenkreis, der dem der Klägerin entspricht, auf sechs Monate festgelegt (vgl. - Rn. 30; - 6 AZR 524/11 - Rn. 35, BAGE 144, 263).
29(2) Diese Erwägungen sind auch ohne eine entsprechende Protokollerklärung auf die Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-B zu übertragen. Die unbewusste Regelungslücke ist dahin zu schließen, dass jedenfalls kurze rechtliche Unterbrechungen von höchstens sechs Monaten zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ebenso wie in der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L nicht zu einem Verlust von Erfahrungswissen führen. Eine solche Schließung entspricht dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien des TVöD-B. Diese sind ebenso wie die Tarifvertragsparteien des TV-L davon ausgegangen, dass Arbeitnehmer durch die Ausübung identischer Tätigkeiten laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsgüte und Arbeitsmenge verbessern. Bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TVöD-B ist erworbene Berufserfahrung nur zu berücksichtigen, wenn sie im Tarifsinn einschlägig und dem Arbeitnehmer daher bei seiner aktuellen Tätigkeit nützlich ist. Ein Verlust von Erfahrungswissen ist aber jedenfalls bei einer höchstens sechsmonatigen rechtlichen Unterbrechung aus Sicht der Tarifvertragsparteien des TVöD-B offenkundig nicht zu erwarten (vgl. zu § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-V - Rn. 31 ff.; zu planwidrigen Regelungslücken in Tarifverträgen zum Beispiel: - Rn. 24; - 6 AZR 142/14 - Rn. 37 ff., BAGE 151, 263; - 6 AZR 1088/12 - Rn. 23 f.).
305. Sofern bei der nach den vorstehenden Maßstäben vorzunehmenden Stufenzuordnung bei einer Wiedereinstellung zuvor befristet Beschäftigter „angebrochene“ Stufenlaufzeiten verbleiben, sind diese im Rahmen des weiteren Stufenaufstiegs nach § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B zu berücksichtigen. Ein anderes Tarifverständnis verstieße gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG ( - Rn. 17 ff. mwN).
316. Nach vorstehenden Grundsätzen war die Klägerin bei ihrer (Wieder-)Einstellung am der Stufe 5 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen. Sie hatte in den befristeten Arbeitsverhältnissen zur Beklagten seit dem insgesamt elf Jahre und 17 Tage einschlägige Berufserfahrung erworben. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-B erreicht ein Beschäftigter die Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1, die Stufe 3 nach weiteren zwei Jahren in Stufe 2, die Stufe 4 nach weiteren drei Jahren in Stufe 3 und schließlich die Stufe 5 nach weiteren vier Jahren in Stufe 4 und damit insgesamt nach zehn Jahren. Bei der Einstellung der Klägerin verblieb somit eine „angebrochene“ Stufenlaufzeit von einem Jahr und 17 Tagen. Dass die Klägerin die einschlägige Berufserfahrung jedenfalls teilweise unter der Geltung des BAT erworben hat, steht deren Berücksichtigung nicht entgegen. Die Klägerin ist unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG hinsichtlich ihrer Stufenzuordnung so zu stellen, wie ein vergleichbarer Dauerbeschäftigter mit einer gleich langen Beschäftigungszeit im Regelungssystem des TVöD-B stünde. Dieser wäre nach zehn Jahren der Stufe 5 seiner Entgeltgruppe zugeordnet gewesen.
32Bei Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TVöD für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst zum wies die Klägerin somit in der Stufe 5 eine Stufenlaufzeit von zwei Jahren drei Monaten und 14 Tagen auf. Damit war die Klägerin gemäß § 28a Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA zu diesem Zeitpunkt aus der Stufe 5/3 (Stufe 5 und angebrochenes drittes Jahr der Stufenlaufzeit) in die Stufe 5/1 (Stufe 5 und angebrochenes erstes Jahr der Stufenlaufzeit) überzuleiten. Dabei war die in der bisherigen Stufe unterhalb eines vollen Jahres zurückgelegte Zeit - im Falle der Klägerin drei Monate und 14 Tage - für den Aufstieg in das nächste Jahr der Stufenlaufzeit bzw. in eine höhere Stufe zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 2 Satz 9 TVÜ-VKA). Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach § 12.2 Abs. 2 TVöD-B (§ 28a Abs. 2 Satz 10 TVÜ-VKA), wobei die Beschäftigten das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe vom Beginn des Monats an erhalten, in dem die nächste Stufe erreicht wird (§ 17 Abs. 1 TVöD-B). Damit stieg die Klägerin nach weiteren 56 Monaten in die Stufe 6 ihrer Entgeltgruppe auf und hatte jedenfalls ab März 2015 Anspruch auf Entgelt nach der Stufe 6 der Entgeltgruppe S 6.
33III. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:060918.U.6AZR836.16.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 115 Nr. 3
NJW 2019 S. 1836 Nr. 25
ZIP 2018 S. 71 Nr. 37
LAAAH-04203