BAG Urteil v. - 9 AZR 199/18

Höhergruppierung - Freistellungsphase - Altersteilzeitarbeitsverhältnis - Auslegung der Tarifwerke der Deutschen Rentenversicherung - Eingruppierungsfeststellungsklage

Gesetze: § 1 TVG, § 308 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 13 Ca 4330/16 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 2 Sa 294/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin in der Freistellungsphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.

2Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrags der Parteien vom finden auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-TgRV-O) für Angestellte vom und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit Wirkung zum wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin in den den BAT-TgRV-O ersetzenden Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung vom (TV-TgDRV) übergeleitet. In diesem Zusammenhang wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6+ (individuelle Endstufe) des TV-TgDRV eingruppiert.

3Mit Änderungsvertrag vom 24./ (Altersteilzeitarbeitsvertrag) vereinbarten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom bis zum und einer Freistellungsphase vom bis zum . Im Änderungsvertrag heißt es ua.:

4Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom idF vom (TV ATZ-TgRV) regelt auszugsweise:

5Der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung und zur Regelung des Übergangsrechts vom idF vom (TVÜ-TgDRV) sieht ua. folgende Regelungen vor:

6§ 17 Abs. 4 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung lautet auszugsweise:

7Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin bei der Beklagten erfolglos ihre Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 7 des TV-TgDRV.

8Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, sie habe gemäß § 26 TVÜ-TgDRV rückwirkend ab dem Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 7. Der zeitversetzt in der Freistellungsphase zu erfüllende Vergütungsanspruch sei nicht auf die Vergütungshöhe während der Arbeitsphase begrenzt. Nach § 4 TV ATZ-TgRV iVm. § 26 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVÜ-TgDRV sei eine Höhergruppierung auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit vorzunehmen. Innerhalb der Entgeltgruppe 7 bemesse sich ihre tarifliche Vergütung nach der Stufe 6 zuzüglich des anteiligen Garantiebetrags gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung.

9Die Klägerin hat zuletzt beantragt

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und den Rechtsstandpunkt vertreten, dass nach den tariflichen Bestimmungen eine Höhergruppierung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht vorzunehmen sei. Die Höhergruppierung nach § 26 TVÜ-TgDRV setze gemäß § 12 Abs. 2 TV-TgDRV voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich eine Tätigkeit ausübe. Dies treffe auf die Klägerin während der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht zu.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin bestätigt, sie begehre mit ihrem Antrag die Feststellung, dass die Beklagte für die Zeit vom bis einschließlich Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TV-TgDRV zuzüglich des hälftigen Garantiebetrags iSv. § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung an sie zu zahlen habe.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.

13I. Die Klage ist bei der gebotenen Auslegung als Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

141. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.

15a) Dieses ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente des Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Die rechtskräftige Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Dies ist bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage in der hier gewählten Form nur dann der Fall, wenn zB über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, wie etwa die Einstufung in einer Vergütungstabelle des öffentlichen Dienstes nach Stufen, die sich an der Beschäftigungszeit orientieren, kein Streit besteht. Ist dagegen nicht nur die Eingruppierung im engeren Sinne - die Erfüllung von Tätigkeitsmerkmalen - streitig, sondern auch die Einstufung in der Vergütungstabelle, kann und muss auch diese zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden, da andernfalls lediglich eine Vorfrage geklärt wird, die die Rechtsgrundlagen für den Vergütungsanspruch nicht so weit abschließend klärt, dass die konkrete Bezifferung dann lediglich eine einfache Rechenaufgabe ist, die von den Parteien nach einem unstreitigen Verfahren selbst gelöst werden kann (st. Rspr., vgl.  - Rn. 15, BAGE 124, 240).

16b) Der Feststellungsantrag bezieht sich seinem Wortlaut nach lediglich auf eine Verpflichtung zur Vergütungszahlung nach der Entgeltgruppe 7 des TV-TgDRV iVm. dem TVÜ-TgDRV und dem TV EntgO-DRV, obwohl die zwischen den Parteien streitige Berechnung der Altersteilzeitvergütung der Klägerin von zwei Faktoren - Entgeltgruppe und -stufe - abhängt. Er ist jedoch im Wege der Auslegung dahin zu interpretieren, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, für die Zeit vom bis zum Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TV-TgDRV, TVÜ-TgDRV und TV EntgO-DRV zuzüglich des hälftigen Garantiebetrags iSv. § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung an sie zu zahlen. Dies hat die Klägerin schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Dies entspricht auch ihren erstinstanzlichen Ausführungen. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom darauf hingewiesen, sie erhalte bei einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 zwar ein geringeres Entgelt als unter Berücksichtigung der bisherigen Eingruppierung in der Entgeltgruppe 6 Stufe 6+ (individuelle Endstufe), ihr stünden jedoch ab dem monatlich die Hälfte des Garantiebetrags von 54,96 Euro und ab dem die Hälfte des Garantiebetrags von 56,28 Euro zu.

172. Bei dieser Auslegung ist der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 ZPO).

18a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Entscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entscheidet. An die Bestimmtheit eines Feststellungsantrags sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines Leistungsantrags. Auch wenn das Bestehen oder der Umfang eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs zur gerichtlichen Entscheidung gestellt wird, muss zuverlässig erkennbar sein, worüber das Gericht eine Sachentscheidung treffen soll ( - Rn. 18 mwN).

19b) Diesen Anforderungen genügt der Feststellungsantrag. Er benennt die Eingruppierungsordnung, anhand deren der Anspruch auf die begehrte Eingruppierung festgestellt werden soll, sowie die Entgeltgruppe und die im Wege der Auslegung zu ermittelnde Entgeltstufe. Anhand dieser Angaben kann die Beklagte bei Obsiegen der Klägerin das dieser zustehende Entgelt ohne Weiteres berechnen.

20II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte sie für die Zeit vom bis einschließlich nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TV-TgDRV zuzüglich des hälftigen Garantiebetrags iSv. § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung vergütet. Höhergruppierungen nach § 26 Abs. 1 TVÜ-TgDRV sind zwar auch in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vorzunehmen. Dies ergibt die Auslegung des § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV. Im Falle einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 könnte die Klägerin jedoch nicht eine Zuordnung in die Stufe 6 zuzüglich des anteiligen Garantiebetrags beanspruchen. Dies führt zur Abweisung der Klage insgesamt.

211. Auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien ist kraft einzelvertraglicher Bezugnahme in § 4 des Altersteilzeitarbeitsvertrags der TV ATZ-TgRV anzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV erhält der Arbeitnehmer als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften ergebenden Beträge.

222. Nach § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV iVm. § 26 Abs. 1 TVÜ-TgDRV und § 12 TV-TgDRV ist ein Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht von einer Höhergruppierung ausgeschlossen, weil er aktuell keine Tätigkeit mehr ausübt. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnormen (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen bei Tarifverträgen  - Rn. 17).

23a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell während der Freistellungsphase Anspruch auf die durch seine Vorarbeit in der Arbeitsphase erworbenen Entgeltansprüche. Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Er erarbeitet sich im Umfang seiner Vorleistungen zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht und damit ein Zeitguthaben. Die Berechnung der in der Arbeitsphase angesparten und in der Freistellungsphase zu zahlenden Entgelte hat „zeitversetzt” zu erfolgen. Die Teilzeitvergütung ist während des Zeitraums der Freistellungsphase auszuzahlen, der in seiner Lage dem Zeitraum der Arbeitsphase entspricht. Kommt es in der Freistellungsphase zu Lohnerhöhungen, einem Einfrieren oder einer Kürzung von Zuwendungszahlungen, ist (mindestens) das auszuzahlen, was der Altersteilzeitarbeitnehmer erarbeitet hat (st. Rspr., zB  - Rn. 30 mwN; - 9 AZR 423/10 - Rn. 26 mwN).

24b) Diese Rechtsprechung bietet keine eigenständige, unabhängig von tariflichen Regelungen geltende Grundlage für die Berechnung von Ansprüchen in der Altersteilzeit. Maßgeblich bleibt die konkrete tarifliche Ausgestaltung der jeweiligen Ansprüche ( - Rn. 23).

25c) § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV regelt die Bemessung der Altersteilzeitvergütung. Danach erhält der Altersteilzeitarbeitnehmer während der gesamten Zeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Bezüge in Höhe der sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften ergebenden Beträge. Nicht vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten von der Vergütung, die für entsprechende vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer festgelegt ist, den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV enthält mit Ausnahme einer Ergänzung für bestimmte Bezügebestandteile keine eigenständige Regelung der Vergütung im Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Die Tarifnorm verweist lediglich auf „die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften … ergebenden Beträge“. Daraus folgt, dass auch ein Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell grundsätzlich die Bezüge erhält, die eine entsprechende Teilzeitkraft bei Anwendung der tariflichen Vorschriften erhielte (vgl. zum gleichlautenden § 4 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom [TV ATZ]  - Rn. 27 mwN). Hieraus hat der Senat abgeleitet, dass das Merkmal „entsprechende Teilzeitkräfte“ die Arbeitsleistung in Teilzeit fingiert (vgl.  - Rn. 31).

26d) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-TgDRV sind die Beschäftigten - sofern sich nach dem TV EntgO-DRV eine höhere Entgeltgruppe ergibt - auf Antrag in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TV-TgDRV ergibt. § 12 Abs. 1 Satz 1 TV-TgDRV bestimmt, dass sich die Eingruppierung der Beschäftigten nach dem TV EntgO-DRV richtet, wobei der Beschäftigte nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TV-TgDRV in der Entgeltgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dass die Klägerin die nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TV-TgDRV geforderte Tätigkeit in der Freistellungsphase der Altersteilzeit tatsächlich nicht erbringt, steht der von ihr begehrten Höhergruppierung nicht entgegen, weil nach § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV die fingierte Arbeitsleistung „entsprechender Teilzeitkräfte“ maßgeblich ist.

27e) Diesem Befund steht auch nicht die durch die Beklagte in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom (- 9 AZR 184/09 -) entgegen. Dort hat der Senat für eine mit § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV gleichlautende tarifvertragliche Vorschrift zur Altersteilzeit entschieden, dass eine Bewertung der Arbeitsleistung im Hinblick auf einen Bewährungsaufstieg durch die Tarifnorm nicht geregelt werde (vgl.  - Rn. 30, BAGE 134, 202). Vorliegend steht jedoch nicht die Bewertung einer (fiktiven) Arbeitsleistung in Rede, sondern eine durch § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV im Hinblick auf die Bezüge geregelte Fiktion einer Arbeitsleistung in Teilzeit als solche.

28f) Es ergeben sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien, Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell während der Freistellungsphase von der Möglichkeit einer Höhergruppierung auf Antrag nach § 26 TVÜ-TgDRV auszunehmen. Für den Fall eines ruhenden Arbeitsverhältnisses haben die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-TgDRV ausdrücklich eine eigenständige Regelung getroffen, der zufolge die Jahresfrist zur Geltendmachung der Höhergruppierung mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit verknüpft wird. Eine entsprechende Sondervorschrift für Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell existiert nicht. Aus § 26 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-TgDRV lässt sich auch nicht der Wille der Tarifvertragsparteien ableiten, dass für eine Höhergruppierung generell eine tatsächliche Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist. Die Tarifnorm ist spezifisch auf den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zugeschnitten, bei dem die Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien, dh. auch die Pflicht zur Entgeltzahlung, suspendiert sind. Dies trifft auf ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell während der Freistellungsphase, in der weiterhin die Altersteilzeitvergütung zu leisten ist, nicht zu.

293. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Klägerin bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze die Voraussetzungen des TV EntgO-DRV für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 erfüllt, weil ihre (fingierte) Tätigkeit als Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 mindestens zu einem Fünftel selbstständige Leistung erfordert. Selbst wenn die Klägerin höherzugruppieren wäre, hätte sie keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 zuzüglich des hälftigen Garantiebetrags iSv. § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung.

30a) In den Fällen der Höhergruppierung nach § 26 Abs. 1 TVÜ-TgDRV richtet sich nach Abs. 2 der Tarifnorm die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe nach den Regelungen für Höhergruppierungen. Hierzu verweist die Vorschrift auf § 17 Abs. 4 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung. Danach wiederum werden die Beschäftigten bei einer Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten. Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem alten und dem neuen Tabellenentgelt in der Entgeltgruppe 7 weniger als 54,96 Euro (in der Zeit vom bis zum ), so erhält der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrags einen Garantiebetrag von 54,96 Euro. Bei Höhergruppierungen iSd. § 26 Abs. 1 TVÜ-TgDRV erfolgt die Stufenzuordnung somit nicht stufengleich, sondern orientiert sich an der Höhe des bisherigen Entgelts. Gewährleistet wird lediglich ein Mindestmehrverdienst in Höhe des Garantiebetrags gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV idF bis zum (vgl. zu § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT  - Rn. 15, BAGE 148, 312). Die Tarifnorm des § 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV in der bis zum geltenden Fassung findet jedoch nicht uneingeschränkt Anwendung auf Sachverhalte, in denen der Beschäftigte aus einer individuellen Endstufe höhergruppiert wird. Diese Fallgruppe regelt die speziellere Tarifnorm des § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV. Danach werden die Beschäftigten bei einer Höhergruppierung aus einer individuellen Endstufe zwar grundsätzlich entsprechend § 17 Abs. 4 TV-TgDRV der Endstufe der höheren Entgeltgruppe zugeordnet. Unterschreitet allerdings das sich daraus ergebende neue Tabellenentgelt die Summe aus dem Entgelt der bisherigen individuellen Endstufe und zwei Prozent der Endstufe der höheren Entgeltgruppe, wird der Beschäftigte in der höheren Entgeltgruppe erneut einer individuellen Endstufe zugeordnet. Das Entgelt dieser neuen individuellen Endstufe errechnet sich aus der Addition des Entgelts der bisherigen individuellen Endstufe und zwei Prozent des Tabellenentgelts der Endstufe der höheren Entgeltgruppe (§ 6 Abs. 4 Satz 3 bis Satz 5 TVÜ-TgDRV).

31b) Danach wäre die Klägerin ab dem innerhalb der Entgeltgruppe 7 nicht nach der Stufe 6 zuzüglich des anteiligen Garantiebetrags, sondern nach der individuellen Endstufe iSv. § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV zu vergüten. Die Altersteilzeitvergütung der Klägerin nach der Entgeltgruppe 6 mit der individuellen Endstufe betrug am unter Außerachtlassung des Aufstockungsbetrags 1.456,07 Euro brutto. Die Altersteilzeitvergütung (ohne Aufstockungsbetrag) der Klägerin in der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 beliefe sich auf 1.444,25 Euro brutto (2.888,50 Euro ./. 2). Das Tabellenentgelt der Klägerin nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 6 unterschritte mithin ihr Entgelt nach der bisherigen individuellen Endstufe, sodass die Klägerin in der höheren Entgeltgruppe der individuellen Endstufe zuzuordnen wäre.

324. Die Klage unterliegt insgesamt der Abweisung. Der Senat ist nicht befugt, der Klage - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - (teilweise) stattzugeben und festzustellen, dass eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 mit der individuellen Endstufe nach § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV zu zahlen ist. Eine solche Eingruppierung war nicht Streitgegenstand.

33a) Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch, der als ein „Weniger“ in ihm enthalten ist ( - Rn. 20; - 4 AZR 657/08 - Rn. 15). Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit die Verpflichtung des Gerichts, bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - Entgeltgruppe gestützt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage um ein „Weniger“ und nicht um etwas anderes, dh. ein „Aliud“, handelt ( - aaO; - 4 AZR 275/10 - Rn. 36). Im letzteren Fall bedarf es einer gesonderten prozessualen Geltendmachung durch mehrere Klageanträge ( - aaO; - 4 AZR 321/12 - Rn. 36). Ob es sich bei dem „geringeren“ Anspruch um ein „Weniger“ oder ein „Aliud“ handelt, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren der klagenden Partei ab. Sie bestimmt den Streitgegenstand. Ihr darf vom Gericht nichts zugesprochen werden, was nicht beantragt wurde. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste ( - aaO).

34b) Die Klägerin hat keine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 mit der individuellen Endstufe nach § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV verlangt. Diese ist auch nicht als „Minus“ in ihrem Klageantrag enthalten. Eingruppierungen in die Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TV-TgDRV zuzüglich des Garantiebetrags und in die Entgeltgruppe 7 mit der individuellen Endstufe des § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV unterliegen unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und schließen sich gegenseitig aus. Die Verneinung einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 Stufe 6 zuzüglich des Garantiebetrags führt auch nicht zwangsläufig zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 mit der individuellen Endstufe nach § 6 Abs. 4 TVÜ-TgDRV.

355. Einer teilweisen Klagestattgabe durch Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 zu zahlen, unter Abweisung der Klage im Übrigen steht entgegen, dass ein Urteilsspruch mit diesem Inhalt die Beklagte nicht in die Lage versetzte, die Vergütung der Klägerin abschließend zu berechnen, da der Senat keine positive Entscheidung über die Entgeltstufe träfe und wegen § 308 Abs. 1 ZPO auch nicht treffen darf (sh. Rn. 33).

366. Ein erstmals in der Revisionsinstanz gestellter Antrag der Klägerin als Revisionsbeklagte auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 mit der individuellen Endstufe des TV-TgDRV wäre unzulässig gewesen. Ein neuer Klageantrag in der Revisionsinstanz erfordert, dass der Kläger Rechtsmittelführer ist. Andernfalls kommt eine Ausnahme von § 559 Abs. 1 ZPO - unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen - nicht in Betracht ( - Rn. 12).

37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:180918.U.9AZR199.18.0

Fundstelle(n):
EAAAH-02377