BGH Beschluss v. - 2 StR 467/17

Wiedereinsetzungsantrag des revidierenden Nebenklägers: Begründungsanforderungen nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

Gesetze: § 44 StPO, § 45 Abs 2 S 1 StPO, § 400 StPO, § 85 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: LG Aachen Az: 52 Ks 2/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge in zwei tateinheitlichen Fällen, besonders schweren Raubes und schwerer Körperverletzung sowie wegen Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche in Tateinheit mit falscher Verdächtigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die Nebenklägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die Revisionsrechtfertigung, mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist erst am und damit nach der mit Ablauf des endenden Monatsfrist zur Begründung des Rechtsmittels eingegangen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO).

2Die Nebenklägerin hat daraufhin mit Schreiben vom beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Rechtsmittels zu gewähren.

3Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig (§ 46 Abs. 1 StPO). Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Antrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, da er nicht den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO entspricht.

a) Im Unterschied zum Angeklagten ist einem Nebenkläger nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, der nach Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Für die Frage, ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation vorhanden ist (; ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 44, Rn. 19 f.; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 44, Rn. 34 f., jeweils m.w.N.). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist (; , BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1). Vorzutragen sind ferner diejenigen Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen. Dies betrifft insbesondere die organisatorischen Vorkehrungen, durch die im Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig fertiggestellt, sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht ().

b) Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin genügt diesen Anforderungen nicht, da er ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten nicht auszuschließen vermag. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen ( m.w.N.). Durch eine geeignete Büroorganisation muss jedoch sichergestellt sein, dass nur solche Kanzleibeschäftigte Rechtsmittelfristen in den Handakten vermerken bzw. im Fristenkalender notieren, die diesen Ausbildungsanforderungen gerecht und insoweit sorgfältig überwacht werden. Der Vortrag des Vertreters der Nebenklägerin verhält sich hierzu nicht. Weder wird eine generelle Büroorganisation vorgetragen - die Darlegungen beschränken sich insoweit auf die Abläufe im konkreten Einzelfall - noch dargelegt, ob die in Frage kommenden Kanzleimitarbeiterinnen gut ausgebildet waren und wie deren sorgfältige Überwachung erfolgt ist. Der Vortrag, dass nicht nachvollzogen werden kann, welche der Mitarbeiterinnen der Kanzlei das Empfangsbekenntnis scheinbar nicht richtig gelesen hat, lässt vielmehr auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten schließen.“

4Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:110718B2STR467.17.1

Fundstelle(n):
YAAAG-97646