BGH Beschluss v. - 4 StR 484/17

Innere Tatseite der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten; Strafbarkeit des Versendens einer digital verfälschten Kopie eines Dokuments mittels Email

Gesetze: § 111 StGB, § 267 Abs 1 Alt 3 StGB, § 269 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Bochum Az: 10 KLs 5/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwanzig Fällen, Computerbetruges in vier Fällen, Urkundenfälschung, Bedrohung in zwei Fällen sowie öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass hiervon wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 Abs. 1 und 2 StGB im Fall II 5 a) der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

3a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen lobte der Angeklagte nach einem Streit mit der Geschädigten K.  , mit der er zuvor eine Beziehung eingegangen war, auf seiner von sämtlichen Nutzern dieser Internetplattform einsehbaren „Facebook“-Seite die Zahlung von 200 Euro für die Tötung der Geschädigten aus. Weiter teilte er mit, wo sie sich aufhalte, und fügte mehrere Lichtbilder der Geschädigten bei. Zu strafbaren Handlungen gegen die Geschädigte kam es aufgrund des Eintrags nicht.

4b) Der Schuldspruch wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zutreffend vom Vorliegen der objektiven Voraussetzungen dieser Strafvorschrift ausgegangen, hat sich jedoch nicht zur inneren Tatseite des Angeklagten verhalten. Daher bleibt unklar, ob es der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass seine Aufforderung von anderen Personen ernst genommen wird (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003, 327, 328; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 111 Rn. 6). Der Umstand, dass der Angeklagte die Begehung der Tat gestanden hat, ersetzt die Feststellung eines entsprechenden Vorsatzes nicht.

52. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB im Fall II 2 der Urteilsgründe, bei dem der Angeklagte zur Täuschung im Rechtsverkehr mittels Email eine „digital verfälschte Kopie einer Gewerbeanmeldung“ übersandte, hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand, weil der digitalen Kopie keine unechte oder verfälschte Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB zugrunde lag (vgl. , NStZ-RR 2016, 115, 116 mwN). Die getroffenen Feststellungen ergeben jedoch, dass sich der Angeklagte insoweit der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 Abs. 1 StGB) in der Tatbestandsvariante des Gebrauchens veränderter Daten schuldig gemacht hat (vgl. , Rn. 9 mwN).

6Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Senat kann ausschließen, dass sich der Angeklagte gegen den Vorwurf der Fälschung beweiserheblicher Daten wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

73. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II 3 und II 5 b) der Urteilsgründe, jeweils wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB, hält rechtlicher Nachprüfung stand. In beiden Fällen kann der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnehmen, dass die Ankündigung des Verbrechens die jeweilige Bedrohungsadressatin auch tatsächlich erreichte (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 84/17, Rn. 7; vom - 4 StR 168/13, NStZ-RR 2013, 375, 377).

84. Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 3, II 4 a) bis s) und II 5 b) der Urteilsgründe unterliegen der Aufhebung.

9a) Das Landgericht hat bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, der Angeklagte habe die Taten „während der laufenden Bewährungsfristen aus den Urteilen des und vom begangen“. Auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 47 StGB hat es zulasten des Angeklagten in Ansatz gebracht, er habe die Taten „unter zweifacher Bewährung“ begangen.

10b) Diese Strafzumessungserwägung hält in den Fällen II 3, II 4 a) bis s) und II 5 b) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

11aa) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich zwar, dass die Bewährungsfrist aus dem Urteil vom am endete. Hingegen verhält sich das angefochtene Urteil nicht zur Dauer und zum Ende der Bewährungsfrist aus dem Urteil vom ; insoweit lässt sich dem Urteil lediglich entnehmen, dass die Bewährungszeit um zwei Jahre verlängert wurde.

12bb) Aufgrund dieser Angaben im angefochtenen Urteil lässt sich das Vorliegen zweier gleichzeitiger Bewährungsfristen nur für den Zeitraum vom bis zum - dieses Datum ergibt sich hinsichtlich der Verurteilung vom aus der Mindestfrist des § 56a Abs. 1 StGB zuzüglich der im Urteil mitgeteilten Verlängerung um zwei Jahre - und das Bestehen zumindest einer offenen Bewährungszeit lediglich für die Zeit bis zum nachvollziehen. Damit ist für sämtliche vorbezeichneten Taten, da diese jeweils nach dem begangen wurden, die Annahme eines zweifachen Bewährungsversagens durch den Angeklagten nicht belegt; in den Fällen II 4 m) bis s) und II 5 a) der Urteilsgründe, bei denen die Tatzeit jeweils nach dem lag, fehlt es sogar bereits an einem (einfachen) Bewährungsbruch durch den Angeklagten.

135. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II 5 a) sowie der Einzelstrafen in den Fällen II 3, II 4 a) bis s) und II 5 b) der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

146. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, für jede der beiden unter II 4 b) der Urteilsgründe festgestellten Betrugstaten eine Einzelstrafe festzusetzen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:190618B4STR484.17.0

Fundstelle(n):
JAAAG-97210