PKH für eine NZB
Gesetze: FGO § 142
Gründe
Das Finanzgericht (FG) hat die Fortsetzungsfeststellungsklage der Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), mit der sie die Feststellung begehrte, dass zahlreiche vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) im Zeitraum von April 1992 bis September 1994 gegen sie durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien, abgewiesen. Das FG hielt die Klage zwar zum überwiegenden Teil für zulässig, aber nicht für begründet. Hierzu führte das FG im Wesentlichen aus, die angegriffenen Vollstreckungshandlungen des FA seien rechtmäßig, insbesondere auch ermessensgerecht, gewesen. Die im Laufe des Vollstreckungsverfahrens gestellten Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung seien daher zu Recht abgelehnt worden. Verstöße gegen Treu und Glauben könnten dem FA dabei nicht vorgeworfen werden.
Einen Tag vor Ablauf der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Urteil des FG ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Antrag der Antragstellerin, rechtsgeschäftlich vertreten durch ihre Eltern, auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und/oder Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens vor dem BFH ein. Am letzten Tag der Rechtsbehelfsfrist hat die Antragstellerin, nunmehr ordnungsgemäß nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) vertreten, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegt. Diese Beschwerde ist in der Folge fristgerecht begründet worden.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung —ZPO—).
1. Eine Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist bereits aus formalen Gründen nicht möglich, weil die Antragstellerin bis zum heutigen Tage es versäumt hat, die vom Gesetz geforderte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem zwingend dafür vorgeschriebenen Vordruck vorzulegen (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO).
2. Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob überhaupt oder unter den Umständen des vorliegenden Falles die formgebundene Erklärung nach § 117 Abs. 4 ZPO durch eine Kopie des anlässlich der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor dem Gerichtsvollzieher nach § 807 ZPO vorgelegten Vermögensverzeichnisses, ggf. i.V.m. dem Bewilligungsbescheid des Arbeitsamts über die Gewährung von Arbeitslosengeld, ersetzt werden kann (vgl. zu ähnlichen Fallgestaltungen ablehnend die BFH-Beschlüsse vom VII S 24/97, BFH/NV 1998, 1251; vom XI S 5/98, BFH/NV 1998, 1371, und insbesondere vom VII B 97/98, BFH/NV 1999, 494), denn der PKH-Antrag hat auch sachlich keinen Erfolg (nachfolgend 3.). Daher hat der Senat auch davon abgesehen, der Antragstellerin einen entsprechenden Hinweis zur Behebung des Mangels zu erteilen.
3. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Er darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. etwa , BFH/NV 1994, 822, m.w.N.). Ist, wie im Streitfall, das Ziel der Rechtsverfolgung die Zulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil und hat der Beteiligte bereits durch eine vor dem BFH zur Vertretung berechtigte Person als Bevollmächtigten fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese auch fristgerecht begründet, erstreckt sich die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten durch den BFH darauf, ob in der Beschwerdeschrift ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ordnungsgemäß dargelegt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Soweit grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend gemacht wird, fehlt es bereits an der ausdrücklichen Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Es genügt hier nicht, Rechtsfehler, die das FG begangen haben soll, anzuführen, denn etwaige materielle Rechtsfehler des FG bilden als solche keinen Grund für die Zulassung der Revision. Selbst wenn man der Beschwerde konkludent die Rechtfrage entnehmen wollte, ob die Finanzbehörde mit dem Ausbringen von ca. 50 Vollstreckungsmaßnahmen innerhalb von zwei Jahren gegen die Grundsätze der Billigkeit und Gerechtigkeit verstoßen habe, so fehlte es an der Darlegung, weshalb die Klärung dieser einzelfallbezogenen Frage über den konkreten Streitfall hinaus das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren sollte (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 23, m.w.N.).
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (jetzt: Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 zweiter Fall FGO) erfordert nach wie vor, dass unter genauer Bezeichnung der Divergenzentscheidung(en) des BFH oder eines anderen Gerichts kenntlich gemacht wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt. Der Beschwerdeführer muss dartun, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des BFH bzw. eines anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Hierzu müssen in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der mutmaßlichen Divergenzentscheidung(en) herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, sodass eine Abweichung erkennbar wird. Es muss sich jeweils um die Entscheidung tragende Rechtssätze handeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. die BFH-Beschlüsse vom VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672, und vom II B 179/93, BFH/NV 1995, 695, jeweils m.w.N.).
Das Vorbringen der Antragstellerin erschöpft sich hier im Wesentlichen in der Behauptung, der nach dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) erforderliche vorläufige Rechtsschutz bei glaubhaft gemachten Verlusten aus Gewinnfeststellungsbescheiden sei ihr im Rahmen der gegen sie gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen nicht erteilt worden. Damit wird indes keine Divergenzbehauptung in dem hier maßgeblichen Sinne aufgestellt, sondern lediglich gerügt, das FG habe den Streitfall falsch entschieden, weil es die genannte BFH-Rechtsprechung nicht oder unrichtig angewandt habe. Damit lässt sich eine Zulassung der Revision nicht erreichen.
c) Als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) macht die Antragstellerin geltend, über die im Jahre 1994 erhobene Klage sei erst nach ca. acht Jahren vom FG entschieden worden.
Es ist zwar richtig, dass ein überlanges Verfahren das Gebot wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes —GG—) verletzen kann. In der von der Antragstellerin hierzu angeführten Entscheidung des , BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407) heißt es aber auch, dass ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nicht zu einer Verwirkung des staatlichen Steueranspruchs führt, damit also auch nicht zu einer automatischen Rechtswidrigkeit gerichtlich angefochtener Vollstreckungsmaßnahmen. Im Übrigen fehlen substantiierte Angaben der Antragstellerin dazu, weshalb es in dem finanzgerichtlichen Verfahren zu Verzögerungen gekommen ist und wem diese ggf. anzulasten wären. Da es verbindliche Vorgaben, die besagen, ab wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verletzenden Verfahrensdauer auszugehen ist, nicht gibt, ist die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 37). Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Rechtsmaterie, die Schwierigkeiten des jeweiligen Falles, das Alter der Beteiligten, die tatsächlichen Verzögerungen, die Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen, aber auch inwieweit dessen Verhalten, das Verhalten der Gegenseite und das Verhalten des Gerichts zu den Verzögerungen beigetragen haben (vgl. BFH in BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, m.w.N.).
Hierzu enthält die Beschwerde keinen Vortrag, sodass auch insoweit die Darlegungspflicht (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht erfüllt worden ist.
4. Insgesamt ist damit bei der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, sodass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um der Antragstellerin die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob sie ggf. ihre Beschwerde zur Vermeidung des Anfalls weiterer Gerichtskosten zurücknehmen möchte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1077
BFH/NV 2003 S. 1077 Nr. 8
OAAAA-71149