Häusliches Arbeitszimmer eines teilweise im Außendienst tätigen Vertriebsingenieurs als Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Arbeitszimmer des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.
Der Kläger ist als leitender Vertriebsingenieur nichtselbständig tätig. Er ist mit dem Einbau und der Verwendung von technischen Spezial-Anlagen befasst, die sein Arbeitgeber herstellt. Die Anlagen müssen zum Einbau in größere Produktionseinheiten für die jeweils verschiedenen kundenspezifischen Zwecke konzipiert werden. Die Zuständigkeit des Klägers erstreckt sich über ein Gebiet von Saarbrücken bis Eisenach. Am Sitz des Arbeitgebers steht ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung.
Für das Streitjahr (1996) machte der Kläger mit seiner Einkommensteuererklärung Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 11 778 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte hiervon nur 2 400 DM.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass das Arbeitszimmer des Klägers im Streitjahr den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung gebildet habe und dass die Kosten in vollem Umfang als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Der Kläger habe zwar im Außendienst zunächst ermittelt, wie die von seinem Arbeitgeber hergestellten Anlagen eingesetzt werden sollten. Wesentlich für seine berufliche Betätigung sei aber gewesen, dass er als Ingenieur anschließend in seinem häuslichen Arbeitszimmer eine auf die kundenspezifischen Zwecke ausgerichtete Einbindung dieser Anlagen habe erarbeiten müssen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1429 veröffentlicht.
Mit der Revision trägt das FA vor, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unzutreffend ausgelegt. Im Fall des Klägers sei der Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers ein entscheidendes Gewicht beizumessen. Die Festlegungen und Entscheidungen vor Ort beim Kunden hätten auf die spätere Ausarbeitung von Angeboten und Projektkonzeptionen einen wesentlichen Einfluss gehabt. Die Außendiensttätigkeit des Klägers sei erheblich über eine bloße Hilfstätigkeit hinausgegangen. Das häusliche Arbeitszimmer könne daher nicht den Betätigungsmittelpunkt bilden. Darüber hinaus habe das FG den zeitlichen Umfang der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer nicht berücksichtigt.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung bildet.
1. Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, bildet den Betätigungsmittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden (”qualitativer” Mittelpunkt - , BFH/NV 2003, 688, Der Betrieb —DB— 2003, 808; vom VI R 104/01, BFH/NV 2003, 691, DB 2003, 807; vom VI R 28/02, BFH/NV 2003, 693, DB 2003, 805). Dies zu beurteilen obliegt nach der Rechtsprechung des Senats in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen Bezug genommen.
2. a) Das FG hat auf der Grundlage seiner Feststellungen die vom Kläger im häuslichen Arbeitszimmer erbrachte Ingenieurtätigkeit als wesentlich für dessen gesamte berufliche Arbeit erachtet. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger insbesondere nicht mit einem typischen Handelsvertreter bzw. Vertriebsbeauftragten verglichen werden könne. Im Gegensatz zu diesen bereite der Kläger im Außendienst seine eigentliche Tätigkeit als Vertriebsingenieur lediglich vor. Letztere aber werde im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet, das dementsprechend den Betätigungsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG bilde.
Diese Wertung und die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze und binden daher den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
b) Soweit das FA dagegen vorbringt, das häusliche Arbeitszimmer könne nicht den Mittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung bilden, weil die Außendiensttätigkeit des Klägers erheblichen Einfluss auf die Gesamttätigkeit habe und über eine bloße Hilfsfunktion hinausgehe, handelt es sich um eine abweichende Sachdarstellung sowie um eine daran anknüpfende abweichende Wertung, die im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden können (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 56 ff.).
c) Soweit das FA darüber hinaus geltend macht, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG insoweit unzutreffend ausgelegt, als es dem zeitlichen Umfang der Außendiensttätigkeit keine hinreichende Bedeutung beimesse, wird auf die bereits genannten Entscheidungen vom verwiesen (BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 688, DB 2003, 808; in BFH/NV 2003, 601, DB 2003, 807, und in BFH/NV 2003, 693, DB 2003, 805). Dort hat der Senat ausgeführt, dass der zeitlichen (quantitativen) Gewichtung von Außen- und Innendienst nur eine nachgeordnete, indizielle Bedeutung zukommt, die in die Gesamtbetrachtung einfließen kann. Die Entscheidung des FG, der Frage nach der zeitlichen Verteilung von Innen- und Außendienst nicht weiter nachzugehen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1174
BFH/NV 2003 S. 1174 Nr. 9
MAAAA-70879