Herstellen einer Wohnung i. S. des § 2 EigZulG durch Renovierung und Modernisierung eines Gebäudes
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Streitjahr 1998 eine von 28 Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus zum Kaufpreis von 233 800 DM. Das Haus war vor 1935 errichtet worden. Der Verkäufer hatte das Haus, in dem sich zuvor Wohnungen der sowjetischen Armee befunden hatten, nach Maßgabe einer Baubeschreibung saniert, die der Urkunde zur Begründung von Wohnungseigentum nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) vom beigefügt war. Danach war den Käufern bekannt, dass die vorhandene Bausubstanz im Wesentlichen, d.h. Außenwände, tragende Innenwände, Treppenhaus etc., nicht verändert werden würde. Anstelle des Flachdaches wurde ein Giebeldach aufgesetzt. Das Dachgeschoss, die Balkone, alle nicht tragenden Zwischenwände, Fenster und Türen, sämtliche Installationen, der gesamte Estrich und der gesamte Putz wurden erneuert. Der Architekt bestätigte später den Klägern, das Haus habe sich in einem derart schlechten baulichen Zustand befunden, dass von der vorhandenen Gebäudesubstanz —bezogen auf die Gesamtkosten— maximal 10 % habe erhalten werden können.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte Eigenheimzulage für 1998 bis 2005 in Höhe von jährlich 4 000 DM. Den Fördergrundbetrag berechnete das FA mit jeweils 2,5 % der Bemessungsgrundlage von 235 943 DM, höchstens 2 500 DM, die Kinderzulage mit 1 500 DM.
In ihrem Einspruch, mit dem sie den erhöhten Fördergrundbetrag von jeweils 5 000 DM beanspruchten, machten die Kläger geltend, die Wohnung sei vor der Sanierung nicht mehr für Wohnzwecke geeignet gewesen. Die verwendeten Altteile seien wertmäßig völlig untergeordnet, die eingefügten Teile gäben der Wohnanlage das Gepräge.
Im Klageverfahren beriefen sich die Kläger ergänzend auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Erfurt, nach der eine Eigenheimzulage für Neubauten in Betracht komme, wenn die Wohnung durch die Sanierungsarbeiten so tiefgreifend umgestaltet worden sei, dass die neu eingefügten Teile die Altsubstanz wertmäßig völlig in den Hintergrund drängten.
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah die Sanierungsmaßnahmen nicht als so grundlegend an, dass deshalb die Anschaffung der Wohnung in den Hintergrund trete und von einer Neuherstellung ausgegangen werden könne. Dies folge aus der Beibehaltung aller wesentlichen für die Nutzungsdauer bestimmenden Bauteile. Für einen Vollverschleiß des Gebäudes fehlten die Anhaltspunkte, weil die Modernisierungsarbeiten nicht die tragende Bausubstanz betroffen hätten. Aus den lt. der Baubeschreibung durchgeführten Sanierungsarbeiten (u.a. Entfernung der Heizkörper, sanitären Einrichtungen, Steckdosen, Schalterdosen, Elektroleitungen, Türen und Fenster) ergebe sich, dass die Wohnung bei Fertigstellung im Jahr 1935 der notwendigen Mindestausstattung entsprochen habe. Der durch Verwahrlosung eingetretene Zustand der Wohnung im Zeitpunkt des Erwerbs ändere nichts daran, dass eine —wenn auch sanierungsbedürftige— Wohnung angeschafft worden sei. Unbeachtlich sei für die steuerliche Beurteilung, dass der Modernisierungsaufwand über dem Kaufpreis liege und der Renovierungsaufwand 95 % der Neubaukosten betragen habe. Aus der vom Kläger herangezogenen Verfügung der OFD Erfurt ergebe sich schon deshalb kein Anspruch auf den höheren Fördergrundbetrag, weil diese —das Gericht ohnehin nicht bindende— interne Verwaltungsvorschrift durch nachfolgende bundeseinheitliche Regelungen überholt sei.
Mit der Revision verfolgen die Kläger die Gewährung der erhöhten Eigenheimzulage weiter. Wenn bei einem Gebäude nur 10 % der Bausubstanz erhalten blieben, sei in jedem Fall von einer Neuherstellung auszugehen. Die Gebäudesubstanz sei so tiefgreifend umgestaltet worden, dass die neuen Teile der Wohnung das Gepräge gäben; es sei lediglich das Baugerippe ohne Innen- und Außenputz, Isolierungen, Installationen und ohne Dach stehen geblieben.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG und Änderung des angefochtenen Bescheides den Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage 1998 bis 2005 in Höhe von 5 000 DM bzw. 2 556 € jährlich festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass den Klägern keine Eigenheimzulage für die Herstellung einer Wohnung, sondern nur die niedrigere Zulage für die Anschaffung einer Wohnung in einem ”Altbau” zusteht.
Nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) i.d.F. für das Streitjahr 1998 wird für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung jährlich ein Fördergrundbetrag in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000 DM, gewährt. Bei Anschaffung der Wohnung nach Ablauf des zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jahres beträgt der Fördergrundbetrag jährlich nur 2,5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500 DM (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG).
a) Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet nach der ständigen, insoweit auch im Eigenheimzulagenrecht weiter einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, die mit der Entscheidung vom X R 36/99 (BFH/NV 2002, 1158) nochmals konkretisiert worden ist, das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (Senatsurteil vom III R 53/00, BStBl II 2003, 565). Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude können deshalb nur dann als Herstellung einer Wohnung beurteilt werden, wenn die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung muss bautechnisch neu sein. Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (Senatsurteil in BStBl II 2003, 565, unter Hinweis auf die , BFH/NV 2000, 186, und vom IX R 61/95, BFHE 187, 431, BStBl II 1999, 282, unter 1. a, m.w.N.).
Instandsetzung, Renovierung und Modernisierung eines Gebäudes führen ebenso wenig zur Neuherstellung wie die so genannte ”Generalüberholung”. Dieser Begriff hat nach der neueren Rechtsprechung des BFH keine eigenständige steuerrechtliche Bedeutung, sondern umschreibt lediglich in tatsächlicher Hinsicht den Vorgang umfangreicher Instandsetzungsarbeiten (Senatsurteil in BStBl II 2003, 565, unter Hinweis auf die , BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 4. a; vom X R 54/96, BFH/NV 1998, 841, und in BFH/NV 2002, 1158, 1159).
Nur wenn ein Gebäude infolge Abnutzung unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158 (m.w.N.) ein Gebäude erst bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen. Die grundlegende Sanierung reicht nicht aus. Die Altbausubstanz muss tiefgreifend umgestaltet worden sein, die neu eingefügten Gebäudeteile müssen der entstandenen Wohnung das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (, BFHE 179, 290, BStBl II 1998, 92, und vom X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94). Es reicht nicht aus, dass das Gebäude z.B. nicht vermietbar ist, weil es wegen Abnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemäßen Wohnvorstellungen entspricht (Senatsurteil in BFH/NV 2003, 972).
b) Das FG hat zutreffend die Baumaßnahmen als Instandsetzung und nicht als Neuherstellung einer Wohnung beurteilt. Bei der Sanierung sind keine Bauteile, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, verändert worden, sondern die Wohnung wurde lediglich —wenn auch umfassend— instand gesetzt.
Das FG hat aufgrund der Baubeschreibung, der Bestätigung des Architekten und des Protokolls über die Ortsbesichtigung durch den Bausachverständigen des FA festgestellt, dass die durchgeführten Sanierungsarbeiten die tragenden Außen- und Innenwände, das vorhandene Fundament und das Treppenhaus nicht verändert haben. Änderungen der Dachkonstruktion haben nur in den Giebelbereichen zu einer Erweiterung —auch des Ringankers— geführt. Diese Maßnahmen hatten aber keine Auswirkung auf die Statik des Gesamtgebäudes.
Nach zutreffender Auffassung des FG bewirkten die Arbeiten ihrer Art nach —trotz des insgesamt beträchtlichen Umfangs— gerade keine tiefgreifende Umgestaltung der Altbausubstanz. Lediglich die neue Dachkonstruktion und die damit einhergehende Aufrichtung der Giebel gehen über Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten hinaus. Zwar sind das Dach und der Dachstuhl wesentliche, für die Nutzbarkeit unverzichtbare Teile des Gebäudes. Wird jedoch nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude aber nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 186). Da die baulichen Veränderungen im Dachbereich nach den Feststellungen des FG sich auf die übrige Bausubstanz und die Statik des Gesamtobjekts nicht ausgewirkt haben, sind Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Beurteilung nicht ersichtlich. Offen bleiben kann deshalb, ob der Zustand des Flachdaches eine Vollerneuerung erforderte und ob die Veränderungen im Dachbereich des Hauses für die Beurteilung der Wohnung der Kläger als Alt- oder Neubau von Bedeutung sind.
c) Nicht zu folgen ist der Auffassung der Kläger, es sei eine Neuherstellung anzunehmen, weil 90 % der Bausubstanz erneuert worden und nur 10 % erhalten geblieben seien. Diesen Sachverhalt hat das FG nicht festgestellt. In dem Schreiben des Architekten, auf das sich die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren bezogen haben, wird lediglich ausgeführt, dass ”von der vorhandenen Gebäudesubstanz —bezogen auf die entstandenen Gesamtkosten— maximal 10% erhalten werden konnten” (Hervorhebung durch den Senat). Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist aber die Höhe der Modernisierungsaufwendungen im Verhältnis zum Wert der Altbausubstanz für die steuerliche Beurteilung unerheblich. Maßgebend ist allein, ob für die Nutzungsdauer bestimmende Bauteile erneuert worden sind. Auch soweit die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen eine Neuherstellung annimmt, wenn der angefallene Bauaufwand zuzüglich des Wertes der Eigenleistung den Wert der Altbausubstanz übersteigt, ist nur der die tragenden Bauteile betreffende Bauaufwand in die Vergleichsrechnung einzubeziehen; typische Erhaltungsaufwendungen bleiben außer Betracht (, BStBl I 1998, 190, Rz. 12; BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1400
BFH/NV 2003 S. 1400 Nr. 11
XAAAA-70349