Raub: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung und Zäsurwirkung einer Vorverurteilung
Gesetze: § 55 StGB, § 460 StPO
Instanzenzug: LG Gera Az: 475 Js 1656/15 - 1 KLs 25
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Jena vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafen; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Ausspruch über die Gesamtstrafen hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil das Landgericht dem Urteil des Amtsgerichts Jena vom zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.
3a) Wurden die neu abzuurteilenden Taten zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die ihrerseits nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt in Fällen, in denen die Taten bereits in einem früheren Urteil hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 73/16, NStZ-RR 2016, 275, 276 und vom – 5 StR 269/09). Dies gilt unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet worden ist oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann.
4b) Das Landgericht hat übersehen, dass die dem Urteil des Amtsgerichts Jena vom zugrunde liegende Freiheitsstrafe (Tatzeit: ) ihrerseits mit den Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bad Urach vom gesamtstrafenfähig ist und diese frühere Vorverurteilung daher Zäsurwirkung entfaltet. Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung scheidet danach, weil die verfahrensgegenständlichen beiden ersten Taten zwischen zwei ihrerseits gesamtstrafenfähigen Vorverurteilungen begangen worden sind, aus.
52. Da nur ein Rechtsfehler bei der Gesamtstrafenbildung vorliegt, verweist der Senat die Sache zur Bildung einer Gesamtstrafe aus den verfahrensgegenständlichen Einzelstrafen gemäß §§ 460, 462 StPO in das Beschlussverfahren. Auch unter Berücksichtigung des Verbots der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 StPO) bedurfte es der Aufhebung von Einzelstrafen zur Vermeidung jeglichen Nachteils für den Angeklagten nicht.
6Bei der nunmehr zu treffenden Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe aus den vier verfahrensgegenständlichen Einzelstrafen wird allerdings zu beachten sein, dass dem Angeklagten ein durch die fehlerhafte Anwendung des § 55 StGB erlangter Vorteil nicht mehr genommen werden darf (vgl. , aaO). Das Verschlechterungsverbot führt hier dazu, dass die neu zu bildende Gesamtstrafe für die verfahrensgegenständlichen vier Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten sowie jeweils sechs Monaten für die drei Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie die im Verfahren nach § 460 StPO zu bildende weitere Gesamtstrafe aus den Strafen des Urteils des Amtsgerichts Bad Urach vom (sechs Monate und sechs Monate) und des Amtsgerichts Jena vom (drei Monate) die Dauer von drei Jahren und zehn Monaten (die Summe der Gesamtstrafen von zwei Jahren und acht Monaten sowie acht Monaten aus dem angegriffenen Urteil und von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Bad Urach vom ) nicht übersteigen dürfen.
Appl Krehl Eschelbach
Zeng Bartel
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:161116B2STR204.16.0
Fundstelle(n):
CAAAG-87540