Landwirtschaftliche Unfallversicherung - Beitrags- und Versicherungspflicht - forstwirtschaftlicher Unternehmer - forstwirtschaftliche Nutzung eines Waldes - Bewirtschaftungsvermutung - nicht widerlegte Vermutung: Feucht- und Sumpfwald - gesetzlich geschütztes Biotop - denkmalgeschütztes Wassermühlengrundstück - sozialgerichtliches Verfahren - Revisibilität
Leitsatz
Die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung eines Waldes wird nicht dadurch widerlegt, dass es sich bei den Flächen mit Baumbestand um ein als Feucht- und Sumpfwald nach dem Bundesnaturschutzgesetz gesetzlich geschütztes Biotop handelt.
Gesetze: § 123 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7, § 150 Abs 1 SGB 7, § 30 Abs 2 S 1 BNatSchG 2009, § 21 LNatSchG SH, § 2 Abs 1 WaldG SH 2004, DSchG SH 2015, § 162 SGG
Instanzenzug: SG Schleswig Az: S 7 U 15/10 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 8 U 51/13 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin als forstwirtschaftliche Unternehmerin in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und die Zahlung von Beiträgen für die Jahre 2008 bis 2012.
2Die Klägerin ist Eigentümerin eines insgesamt 5471 m² großen Grundstücks in der Gemarkung S. Auf dem Grundstück befindet sich eine Wassermühle, die als Kulturdenkmal in das Denkmalbuch eingetragen ist. Das Grundstück besteht ua aus Flächen mit Baumbestand, die Teil des Managementplans des Flora Fauna Habitat (FFH)-Gebietes 1219-391 "Gewässer des Bongsieler Kanalsystems Teil 1" (in Zukunft: FFH-Gebiet) sind. Als Feucht- und Sumpfwald ist diese Fläche als Biotop nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) iVm § 21 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) gesetzlich geschützt. Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte diese mit Bescheid vom als Versicherte auf. Die Beklagte setzte für das Umlagejahr 2008 mit einem Grundwert von 15 Berechnungseinheiten (BER) und 0,28 flächenbezogenen BER (Forst) einen Jahresbeitrag iHv 57,76 Euro fest. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ; ).
3Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Berufungseinlegung änderte die Beklagte auf einen Überprüfungsantrag der Klägerin hin die Bescheide durch Verwaltungsakt vom ua so ab, dass auf Forst nur noch 0,06 BER (626 m²) entfielen und errechnete für die Jahre 2008 bis 2012 eine Beitragserhöhung von insgesamt 5,21 Euro, wobei es für das Jahr 2008 unverändert bei einem Zahlbetrag iHv 57,76 Euro verblieb.
4Das LSG hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie den Bescheid vom aufgehoben. Zur Begründung seines Urteils vom hat es ausgeführt, die Klägerin sei keine forstwirtschaftliche Unternehmerin und daher nicht bei der Beklagten unfallversichert, weshalb sie auch keine Beiträge zu entrichten habe. Zwar liege ein Unternehmen der Forstwirtschaft grundsätzlich vor bei einem Nutzungsrecht an einem Waldgrundstück, das die Gewinnung von Forsterzeugnissen ermögliche. Wald sei nach § 2 Abs 1 S 1 des Waldgesetzes für das Land Schleswig-Holstein jede mit Waldgehölzen bestückte Grundfläche. Dies bedeute, dass auch untergeordnete bewachsene Flächen Wald darstellten. Nach der Rechtsprechung des BSG gelte die widerlegbare Vermutung, dass das bestehende Nutzungsrecht an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer begründe. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung sei hier jedoch widerlegt, denn die Flächen mit Baumbestand seien Teil des Managementplans des FFH-Gebiets. Als Feucht- und Sumpfwald sei die Fläche als Biotop nach § 30 BNatSchG iVm § 21 LNatSchG gesetzlich geschützt. Damit könne auf dem Grundstück wegen der Beschränkungen aus § 30 Abs 2 BNatSchG keine forstwirtschaftliche Nutzung erfolgen.
5Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Es gelte die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit des nutzungsberechtigten Eigentümers einer Forstfläche. Unabhängig von der Größe der Fläche und der Eigenschaft als Naturschutzgebiet sei die Klägerin nach den Waldgesetzen zur Erhaltung und damit zur Bewirtschaftung des Waldes verpflichtet. Eine Nutzung zu anderen Zwecken sei nur dann anzunehmen, wenn die forstwirtschaftliche Nutzung vollständig ausscheide.
6Die Beklagte beantragt,das Urteil des Schleswig-Holsteinischen aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Schleswig vom zurückzuweisen.
7Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,die Revision zurückzuweisen.
Gründe
8Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
9Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die Klägerin ist als forstwirtschaftliche Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift beitragspflichtiges Mitglied bei der Beklagten. Zu Unrecht hat das LSG daher auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG, den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie den Bescheid vom aufgehoben.
101. Sofern das LSG den Bescheid der Beklagten vom auch hinsichtlich der Regelungen über die Beitragshöhe für die Jahre 2009 bis 2012 aufgehoben hat, war es hierzu bereits nicht befugt (dazu unter a).Soweit die Beklagte durch Bescheid vom den Beitragsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom für das Jahr 2008 ersetzt hatte, durfte das LSG über diesen Verfügungssatz aber im Klagewege entscheiden (dazu unter b). Aufgrund der Reduktion der maßgeblichen Grundstücksgröße auf 626 m² durch den Bescheid vom hatte das LSG nur noch über die Beitragspflicht für diese Fläche zu entscheiden (dazu unter c).
11a)Das SG hatte in seinem Urteil die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom bejaht, mit dem ausschließlich für das Jahr 2008 ein Beitrag iHv 57,78 Euro festgesetzt worden war. Über die Beitragshöhe der Jahre 2009 bis 2012 hatte das SG nicht entschieden und die Klägerin insofern auch keinen Antrag gestellt, weshalb das LSG hierüber nicht entscheiden durfte (§ 123 SGG, ne ultra petita).
12b) Sofern durch den Änderungsbescheid vom der Beitragsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom für das Jahr 2008 iS des § 96 SGG ersetzt wurde, durfte das LSG über diesen Verfügungssatz im Klagewege entscheiden ( - BSGE 18, 231 = SozR SGG § 96 Nr 17, Juris RdNr 24; Becker in Roos/Wahrendorf, 2014, SGG, § 96 RdNr 16), weshalb es insofern auf die Statthaftigkeit der Berufung nach § 144 Abs 1 S 2 SGG nicht mehr ankam.
13c) Soweit die Beklagte schließlich in dem Bescheid vom die maßgebliche Grundstücksgröße auf 626 m² reduziert hat, hat sie damit den ursprünglich angefochtenen Verfügungssatz hinsichtlich der Grundstücksgröße geändert, sodass vor dem LSG nur noch über die Beitragspflicht einer Fläche von 626 m² zu entscheiden war. Insofern hat sich die durch das SG-Urteil infolge der Klageabweisung beseitigte Beschwer für die Klägerin durch den Änderungsbescheid vom und die darin erfolgte Flächenreduktion erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X).
142. Die Berufung der Klägerin war jedoch unbegründet, weil das SG den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom insofern zutreffend für rechtmäßig erachtet hat. Entgegen der Rechtsansicht des LSG hat die Beklagte die Klägerin zu Recht als forstwirtschaftliche Unternehmerin in die gesetzliche Unfallversicherung aufgenommen und entsprechend zutreffend zu Beiträgen veranlagt, denn die Klägerin war landwirtschaftliche Unternehmerin und als solche beitragspflichtig bei der Beklagten.
15Der Versicherung kraft Gesetzes unterliegen nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII "Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens". Beitragspflichtig sind Unternehmer, die nach dieser Vorschrift versichert sind oder die versicherte Arbeitskräfte beschäftigen (§ 150 Abs 1 SGB VII). Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens wird in § 123 Abs 1 SGB VII definiert. Landwirtschaftliche Unternehmen sind nach Nr 1 der Vorschrift auch solche der Forstwirtschaft. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Inhaber des Unternehmens über eine forstwirtschaftlich genutzte Waldfläche verfügt, die zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet wird (vgl ; zuvor - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1, RdNr 18; - SozR 2200 § 647 Nr 5; - SozR 3-2200 § 776 Nr 5).
16Hierfür ist Voraussetzung, dass es sich um Wald handelt (dazu unter a). Im Übrigen ist weder eine Mindestgröße der landwirtschaftlichen Fläche noch ein Mindestmaß an Arbeitsaufwand bei der Bewirtschaftung der Waldflächen erforderlich (dazu unter b). Bei vorhandenen Nutzungsrechten besteht vielmehr die Vermutung der Bewirtschaftung (dazu unter c). Diese Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung ist vorliegend nicht widerlegt (dazu unter d). Hierin ist keine Verletzung von Grundrechten zu erkennen (dazu unter e). Schließlich wurde auch die Beitragshöhe von der Beklagten zutreffend festgesetzt (dazu unter f).
17a)Der Subsumtionsschluss des LSG, die Klägerin sei Eigentümerin einer Waldfläche im Sinne des nicht revisiblen (§ 162 SGG) Waldgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landeswaldgesetz - LWaldG) vom (GVOBl 2004, 461 idF vom , GVOBl 2011, 225), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 162 SGG iVm § 560 ZPO). Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin ua eines Grundstücksteils mit 626 m² Laubholz ist, das unter den "Waldbegriff" des § 2 Abs 1 LWaldG zu subsumieren ist.
18b) Eine bestimmte Mindestgröße der forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche ist zur Begründung der Unternehmenseigenschaft nicht erforderlich. Das Gesetz sieht in § 5 SGB VII (in der hier anwendbaren seit dem geltenden Fassung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom , BGBl I 818) für Inhaber landwirtschaftlicher und damit auch forstwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,25 ha die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vor und stellt damit gleichzeitig klar, dass selbst bei Unterschreitung einer Flächengröße von 0,25 ha grundsätzlich Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung besteht. Auch sogenannte Kleinwaldbesitzer sind deshalb, wenn sie sich forstwirtschaftlich betätigen, versicherungs- und beitragspflichtig zu der für sie zuständigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Die Heranziehung als forstwirtschaftlicher Unternehmer setzt auch nicht voraus, dass die Bewirtschaftung der Waldflächen ein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand erfordert. Dass eine Fläche wegen ihrer Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet ist, lässt die Unternehmenseigenschaft im Grundsatz nicht entfallen, weil für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorausgesetzt wird (vgl - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1, RdNr 19; vgl allerdings zu einem nach Landesrecht bindend festgestellten Ausschluss jeder wirtschaftlichen Tätigkeit im Eigeninteresse das Urteil des Senats vom - B 2 U 7/16 R).
19c) Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume besteht vielmehr die - widerlegbare - Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist ( - SozR 3-2200 § 776 Nr 5, SozR 3-2700 § 123 Nr 1 = Juris RdNr 19). Nach den insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG ist die Klägerin Eigentümerin von Grund und Boden, auf dem Bäume stehen, und damit Nutzungsberechtigte einer forstwirtschaftlichen Fläche.
20Entscheidend für die Eigenschaft des forstwirtschaftlichen Unternehmers ist nicht, ob der Eigentümer den Forst tatsächlich bewirtschaftet oder dies in Zukunft beabsichtigt. Die Bearbeitung und Bewirtschaftung von Waldflächen kann entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft auf verschiedene Weise erfolgen. Während die sogenannten Nachhaltsunternehmen jedes Jahr schlagreifes Holz ernten, geschieht dies bei den sogenannten aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Zwischenräumen, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen können. Demnach können sich forstwirtschaftliche Unternehmen zumindest über lange Zeiträume hinweg in ihrer äußeren Erscheinung stark unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen lediglich der Bestand von Flächen, auf denen Bäume wachsen bzw nachwachsen; irgendwelche konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen (zB Pflanzungen, Fällungen) bzw deren Spuren gehören deshalb nicht zum notwendigen Erscheinungsbild eines forstwirtschaftlichen Unternehmens. Solange auf den in Rede stehenden Flächen Bäume wachsen oder nachwachsen, kann daher von einem "Brachliegenlassen" nicht gesprochen werden, auch wenn über einen langen Zeitraum keine Pflege- oder Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen werden. Dementsprechend hat der Senat es als ausreichend für die Widerlegung der Vermutung erachtet, wenn dem Waldeigentümer aufgrund von landesrechtlichen Normen lediglich "minimale" Tätigkeiten und diese nur nach vorheriger behördlicher Genehmigung erlaubt sind (vgl ).
21d) Die mithin grundsätzlich bestehende Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung des Waldes ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Dies wäre dann der Fall, wenn die Fläche zu anderen Zwecken als der periodischen Gewinnung von Forsterzeugnissen verwendet wird. Für die Widerlegung dieser Vermutung hat der Senat gefordert, dass greifbare Umstände vorliegen, die auf eine andersartige Nutzung hinweisen. Dies gilt beispielsweise, wenn der Wald als Baugelände, zB zur Anlage eines Ferienzentrums oder eines Flugplatzes, zum Liegenlassen als "Urwald" aus wissenschaftlichen Gründen oder als sonstiges Versuchs- und Übungsgelände erworben wurde (vgl BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 mwN; - SozR 5420 § 2 Nr 30). Eine anderweitige oder rechtlich unmögliche Nutzung hat das LSG nicht festgestellt und die Klägerin selbst auch nicht behauptet. Hierfür reicht weder die Behauptung aus, die betreffende Forstfläche werde, gleich aus welchen Gründen, nicht bewirtschaftet oder sei wegen ihrer Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet (dazu unter aa). Auch der Umstand, dass die Fläche dem Naturschutz gemäß § 30 Abs 2 BNatSchG unterfällt, rechtfertigt hier nicht die Annahme, dass der Klägerin keine forstwirtschaftliche Tätigkeit möglich ist (dazu unter bb). Die öffentlich-rechtlichen Pflichten aus den Waldgesetzen bleiben dadurch unberührt. Auch der Denkmalschutz steht schließlich der Vermutung nicht entgegen (dazu unter cc).
22aa) Dass nach den Feststellungen des LSG derzeit keine Bearbeitung der forstwirtschaftlichen Fläche stattfindet, ist grundsätzlich unbeachtlich. Selbst wenn die Klägerin den (nach Auffassung des Berufungsgerichts angesichts der ungünstigen forstwirtschaftlichen Verhältnisse nachvollziehbaren und glaubhaften) Entschluss gefasst haben sollte, auf Lebenszeit die gesamte in ihrem Eigentum stehende Waldfläche wirtschaftlich nicht zu nutzen, reicht dieser bloße Entschluss zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solcher jedenfalls solange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen. Sie entzieht der auf tatsächliche und rechtliche Kriterien gestützten Vermutung nicht ihre Grundlagen. Insbesondere in rechtlicher Hinsicht ändert sich dadurch an der Verpflichtung der Klägerin als Waldbesitzerin, den Wald jedenfalls in gewissem Umfang zu bewirtschaften, nichts (vgl - SozR 3-2200 § 776 Nr 5, SozR 3-2700 § 123 Nr 1 = Juris RdNr 19). Vielmehr zählen zur forstwirtschaftlichen Betätigung unabhängig von der wirtschaftlichen Nutzung neben dem Holzanbau und dem Holzeinschlag (dazu - NZS 2012, 826) auch die Vorbereitung des Bodens für die Bepflanzung, die Bepflanzung selber, die Pflegearbeiten einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung von Schäden und die Kontrolle des Waldzustandes sowie des Wachstums aller notwendigen Pflanzen (s - HV-INFO 1989, 2026; - SozR 2200 § 647 Nr 5).
23bb) Die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung wird entgegen der Rechtsansicht des LSG auch nicht dadurch widerlegt, dass es sich bei den Flächen mit Baumbestand um ein als Feucht- und Sumpfwald gemäß § 30 BNatSchG iVm § 21 LNatSchG Schleswig-Holstein gesetzlich geschütztes Biotop handelt. § 30 Abs 2 S 1 BNatSchG idF des Gesetzes vom (BGBl I 2542) sieht als Rechtsfolge eines durch das Landesrecht - wie vorliegend durch § 21 LNatSchG Schleswig-Holstein - geschützten Biotops vor, dass Handlungen, die zu dessen Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können, verboten sind. Damit werden aber nicht zwingend jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen untersagt.
24Durch eine forstwirtschaftliche Bewirtschaftung wird weder eine Zerstörung noch eine erhebliche Beeinträchtigung iS des § 30 BNatSchG zwingend verursacht. Bei der Norm des § 30 BNatSchG handelt es sich um revisibles Bundesrecht, dessen Auslegung und Anwendung der Senat selbstständig prüft (§ 162 SGG; vgl hierzu auch ).
25Unter Zerstörung versteht man die irreparable Schädigung eines Bestandes mit der Folge des gänzlichen Verlustes des Biotops (Meßerschmidt, BNatSchG, § 30 RdNr 58; Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd III, N 16, § 30 BNatSchG RdNr 7; Marzik in Marzik/Wilrich, BNatSchG, 2004, § 30 RdNr 12) wie die Umgestaltung eines Biotops durch Bebauung (OVG Lüneburg vom - 8 LB 4072/01; VG Dresden vom - 4 K 552/06; OVG Lüneburg Urteil vom - 3 L 3939/93 - NuR 1995, 470), Entwässerung ( - NuR 2010, 415) oder auch Rodung eines Feldgehölzes (OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom - 1 U 4/06; ; Bayerischer 25 ZB 05.1777) bzw Beseitigung einer Streuobstwiese (). Für eine solche Beseitigung oder vergleichbare Schädigung durch forstwirtschaftliche Maßnahmen der Klägerin sind weder Anhaltspunkte ersichtlich noch wird dies von der Klägerin behauptet.
26Auch bedeutet eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht zwingend eine "erhebliche Beeinträchtigung" iS des § 30 BNatSchG. Die erhebliche Beeinträchtigung bleibt zwar im Ausmaß hinter der Zerstörung zurück und meint eine nicht nur geringfügige und nachteilige Veränderung des Biotops, wobei eine dauerhafte Schädigung nicht erforderlich ist (Endres in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl 2016, § 30 Gesetzlich geschützte Biotope, RdNr 8; Meßerschmidt, BNatSchG, § 30 RdNr 59 ff; Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd III, N 16, § 30 BNatSchG RdNr 5; Marzik in Marzik/Wilrich, BNatSchG, 2004, § 30 RdNr 12). Erfasst werden damit nur Handlungen, die den Wert und die Geeignetheit als Lebensraum und Lebensstätte für die ihm zugehörigen und auf ihn angewiesenen besonders schutzwürdigen und schutzbedürftigen Arten und Lebensgemeinschaften mindern, womit die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung gerade nicht ausgeschlossen wird. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn die aktuelle Bewirtschaftung zur Entstehung des Biotops geführt hat oder zu dessen Erhaltung erforderlich ist, wie bei gezielten Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen (s amtl Begründung BT-Drucks 14/6378 S 53 sowie Endres in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl 2016, § 30 Gesetzlich geschützte Biotope, RdNr 8). Damit werden jedenfalls durch die bundesrechtliche Norm des § 30 BNatSchG entgegen der Rechtsansicht des LSG nicht jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen schon rechtlich unmöglich gemacht.
27cc) Insofern kommt es hier nicht darauf an, ob zur forstwirtschaftlichen Tätigkeit auch die ordnungsgemäße und nachhaltige Pflege des Waldes nach § 11 BWaldG (Feddern in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 123 RdNr 21) sowie die Ausübung der von den zuständigen Behörden konkret aufgegebenen Handlungspflichten aufgrund besonderer öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen des betroffenen Grundstückseigentümers oder -besitzers zählen, die auch innerhalb von Naturschutzgebieten grundsätzlich bestehen.
28Der Bewirtschaftungsvermutung steht schließlich auch nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des LSG der Forst zu einem Gesamtensemble einer Mühle gehört und unter Denkmalschutz steht. Das schleswig-holsteinische Denkmalschutzgesetz (DSchG SH), dessen Inhalt der Senat festzustellen befugt ist, weil es insofern an bindenden Feststellungen durch das LSG gemäß § 162 SGG fehlt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 162 RdNr 7 b) sieht lediglich eine Genehmigungspflicht bestimmter das Denkmal betreffender Maßnahmen wie Instandsetzung oder Veränderung vor, was Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht ausschließt. § 9 DSchG SH vom (GVOBl 1996, 676) legt ua Eigentümerinnen und Eigentümern die Pflicht auf, Denkmale im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, was in diesem Zusammenhang die og forstwirtschaftlichen Maßnahmen nach dem LWaldG nicht nur zulässt, sondern sogar verlangt.
29e) Grundrechte der Klägerin werden durch die Versicherungs- und Beitragspflicht nicht verletzt. Dies gilt zunächst für die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG, da keine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung eines Beitrags iHv 57,56 Euro erkennbar ist ( - BSGE 94, 38 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 25; ua - BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1 = Juris RdNr 116). Ebenso ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG jedenfalls nicht unverhältnismäßig.Auch ein Verstoß gegen Art 3 GG ist hier nicht ersichtlich.
30f) Auch im Übrigen sind die angefochtenen Verwaltungsakte nicht zu beanstanden.Die Beklagte ist für das Unternehmen der Klägerin zuständiger Unfallversicherungsträger. Die (örtliche) Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers richtet sich gemäß § 130 Abs 1 S 1 SGB VII nach dem Sitz des Unternehmens.Zutreffend hat die Beklagte das forstwirtschaftliche Unternehmen der Klägerin entsprechend der Satzung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Schleswig-Holstein und Hamburg vom , die gemäß § 162 SGG revisibles Recht enthält, weil ihr Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus auch auf die Freie und Hansestadt Hamburg erstreckte, iVm § 183 SGB VII veranlagt und den für 2008 zu zahlenden Beitrag in zutreffender Höhe festgesetzt.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2018:230118UB2U1016R0
Fundstelle(n):
BAAAG-84127