BGH Beschluss v. - VIII ZB 74/16

Wohnraummiete: Konkludente Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen

Gesetze: § 558b BGB

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 16 T 56/16vorgehend AG Eberswalde Az: 2 C 226/16

Gründe

I.

1Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in E.       . Mit maschinell erstelltem Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Erhöhung der monatlichen Miete um 47 € auf eine Gesamtmiete einschließlich der Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 432 € monatlich zum unter Verwendung des beigefügten Erklärungsvordrucks zuzustimmen. Mit Schreiben vom 19. Januar und vom erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Erteilung der Zustimmung. Diese gab zwar keine schriftliche Erklärung ab, überwies aber am 15. Februar, 4. März und die Miete in Höhe von jeweils 432 €.

2Mit am beim Amtsgericht eingegangener - und am zugestellter - Klage hat die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Mieterhöhung begehrt. Die Beklagte unterzeichnete die vorbereitete Zustimmungserklärung mit Datum vom . Durch Schriftsatz vom hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem ihr die Zustimmungserklärung - so ihre Darstellung - am zugegangen war. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf diesen Schriftsatz beantragt, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

3Das Amtsgericht hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

II.

4Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

51. Die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

6Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO unabhängig davon bindend, ob es die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zutreffend beurteilt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 24/07, NJW-RR 2009, 425 Rn. 9; vom - VIII ZB 91/11, WuM 2012, 332 Rn. 3 mwN). Es ist daher unschädlich, dass - was das Beschwerdegericht übersehen hat - gegen eine Kostenentscheidung die Rechtsbeschwerde nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen werden darf, da es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es - wie im Streitfall - um Fragen des materiellen Rechts geht (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 65/10, WuM 2011, 242 Rn. 7; vom - VIII ZB 91/11, aaO Rn. 7; vom - VIII ZB 51/12, juris Rn. 6; jeweils mwN).

72. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

8a) Die Vorinstanzen haben die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt, da sie ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung voraussichtlich unterlegen wäre. Denn die Beklagte habe durch die vor Klageeinreichung erfolgte dreimalige Zahlung der begehrten Gesamtmiete in Höhe von 432 € monatlich in konkludenter Form ihre Zustimmung zur verlangten Mieterhöhung erklärt und damit den sich aus § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Anspruch der Klägerin erfüllt. Die Zustimmungserklärung könne stillschweigend durch Zahlung der geforderten erhöhten Miete erfolgen. Ein Anspruch auf Erteilung einer schriftlichen Zustimmung ergebe sich nicht daraus, dass die Klägerin die Abgabe einer schriftlichen Erklärung gefordert habe. Wenn im Gesetz oder im Vertrag eine Form für die Abgabe der Willenserklärung nicht vorgesehen sei, dann könne der Empfänger dieser Erklärung die Form auch nicht einseitig vorgeben. Aus einer möglicherweise in dem nicht vorgelegten Mietvertrag vereinbarten Schriftformklausel folge kein Anspruch auf Abgabe einer schriftlichen Zustimmungserklärung.

9b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen der Klägerin nach übereinstimmender Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO) die Kosten des Rechtsstreits auferlegt haben. Denn diese wäre bei Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich in der Sache unterlegen, weil die Beklagte durch ihr Zahlungsverhalten dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin bereits vor Klageerhebung wirksam zugestimmt hatte.

10aa) Nach der übereinstimmend erfolgten Erledigungserklärung der Parteien ist über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auf der Grundlage einer summarischen Prüfung zu entscheiden. Insoweit kommt es vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (st. Rspr.; vgl. etwa , NJW 2007, 3429 Rn. 7 mwN).

11bb) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung bei Fortführung des Rechtsstreits abzuweisen gewesen wäre, weil die Beklagte dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin bereits vor Klageeinreichung konkludent zugestimmt hatte. Das Einverständnis der Beklagten bedurfte zu seiner Wirksamkeit nicht einer Abgabe in schriftlicher Form. Für Mieterhöhungsvereinbarungen (Angebot nach §§ 558, 558a BGB und Annahme nach § 558b Abs. 1 BGB) gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Verträge, so dass sie auch konkludent getroffen werden können (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 182/04, WuM 2005, 518 unter II mwN).

12(1) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom aufgefordert, mit Wirkung zum einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 47 € monatlich und damit einer Erhöhung der monatlichen Gesamtmiete auf 432 € zuzustimmen. Hierbei handelt es sich um einen Antrag (§ 145 BGB) auf Abschluss eines Änderungsvertrages (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., § 558b Rn. 3; § 558a Rn. 2; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 558a Rn. 2; § 558b Rn. 3; MünchKommBGB/Artz, BGB, 7. Aufl., § 558b Rn. 3; vgl. auch BayObLG, NJW-RR 1993, 202 mwN [zu § 2 MHG]). Mit der Zustimmung des Mieters, die als Annahme eines solchen Änderungsantrags zu werten ist (MünchKommBGB/Artz, aaO; Staudinger/V. Emmerich, aaO; jeweils mwN), kommt eine den bisherigen Mietvertrag abändernde Mieterhöhungsvereinbarung zustande (Senatsurteil vom - VIII ZR 300/09, NJW 2011, 295 Rn. 14).

13(2) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin auf Erhöhung der bisherigen Miete um 47 € monatlich dadurch wirksam stillschweigend angenommen hat, dass sie den von der Klägerin geforderten Mieterhöhungsbetrag dreimal in Folge vorbehaltlos gezahlt hat. Die Zustimmungserklärung der Beklagten bedurfte nicht der Schriftform.

14(a) Die Regelung des § 558b BGB schreibt, was auch die Rechtsbeschwerde einräumt, eine bestimmte Form der Zustimmung nicht vor. Während das Erhöhungsverlangen gemäß § 558a Abs. 1 BGB in Textform zu erklären und zu begründen ist, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Erklärung der Zustimmung ein entsprechendes Formerfordernis nicht aufgestellt. Der Mieter kann sie daher sowohl ausdrücklich als auch konkludent erteilen (vgl. , NJW 1998, 445 unter II 1 c aa [zu § 10 Abs. 1 MHG]; vom - VIII ZR 182/04, aaO; vom - VIII ZR 285/06, NJW 2007, 3122 Rn. 10).

15(b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Verpflichtung, die Zustimmung schriftlich zu erklären, auch nicht aus einer im Mietvertrag vereinbarten Schriftformklausel.

16(aa) In § 25 Abs. 1 des nicht vorgelegten Mietvertrags soll für Änderungen und Ergänzungen die Einhaltung der Schriftform vereinbart worden sein. Eine solche Schriftformklausel änderte - wie das Beschwerdegericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat - an der Wirksamkeit der konkludenten Zustimmung zur Mieterhöhung jedoch nichts. Zwar kommt im Falle der Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsbegehren des Vermieters ein Änderungsvertrag zustande (Senatsurteil vom - VIII ZR 300/09, aaO). Ob eine nach den gesetzlichen Vorschriften der §§ 558 ff. BGB erfolgende Mieterhöhungsvereinbarung aber von einer vertraglichen Schriftformklausel erfasst ist, kann dahin stehen (ablehnend mit beachtlichen Gründen LG München I, ZMR 2014, 460 Rn. 11; im Senatsurteil vom - VIII ZR 300/09, aaO wurde ein Schriftformerfordernis allerdings nur für das Mieterhöhungsverlangen als solches verneint, die Formbedürftigkeit der Zustimmungserklärung war nicht Streitgegenstand). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte dies nicht zur Konsequenz, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übersendung einer schriftlichen Zustimmungserklärung gehabt hätte.

17(bb) Denn die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass die im Mietvertrag enthaltene Schriftformklausel die Wirksamkeit von Vertragsänderungen von der Einhaltung der Schriftform abhängig mache (konstitutive Schriftform), sondern trägt lediglich vor, dass für solche Rechtsgeschäfte die gewillkürte Schriftform gelte und die hierdurch geschaffene Klarheit beiden Seiten zugutekomme. Da dem vereinbarten Schriftformerfordernis somit rein deklaratorischer Charakter zukommt, kann dahin stehen, ob eine konstitutive Schriftformklausel im Hinblick auf § 305b BGB überhaupt einer AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhielte. Die Einhaltung der deklaratorischen Schriftform ist nicht Gültigkeitsvoraussetzung eines von ihr erfassten Rechtsgeschäfts. Sie ist daher - unbeschadet der Frage, ob sie für Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. BGB überhaupt gilt - weder für das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters noch für die Zustimmungserklärung des Mieters von Bedeutung (Staudinger/V. Emmerich, aaO, § 558a Rn. 11a mwN). Der Vermieter könnte daher allenfalls - falls die Schriftform nicht abbedungen wäre, was offen bleiben kann - nachträglich eine dem § 126 BGB entsprechende Form, also die gemeinsame Unterzeichnung der bereits erfolgten Änderungsvereinbarung, verlangen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 300/09, aaO). Einen solchen Anspruch erhebt die Klägerin aber nicht.

18(c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht das beschriebene Verhalten der Beklagten rechtsfehlerfrei als konkludente Annahme des Mieterhöhungsverlangens der Klägerin gewertet.

19(aa) Ob ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu werten ist, bestimmt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (, BGHZ 149, 129, 134; vom - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14) und ist bei Individualerklärungen - wie sie hier in Frage stehen - in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten (Senatsurteil vom - VIII ZR 256/09, NJW 2010, 2648 Rn. 15). Das Revisionsgericht prüft insoweit lediglich nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 202, 39 Rn. 42; vom - VIII ZR 55/15, BGHZ 212, 248 Rn. 35; vom - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 17; jeweils mwN).

20(bb) Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unterlaufen. Im Falle eines Mieterhöhungsverlangens ist maßgebend, ob ein objektiver Empfänger, der den Inhalt des Angebots des Vermieters auf Erhöhung der Miete und alle sonstigen Umstände kennt, aus dem Verhalten des Mieters den Schluss auf einen Rechtsbindungswillen und damit auf die Zustimmung zur Mieterhöhung ziehen würde (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 391/12, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom - VIII ZR 146/03, WuM 2004, 292 unter II 2 b). Dies hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht.

21(cc) Auf das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom und deren Erinnerungsschreiben vom und vom , mit dem diese eine letztmalige Erklärungsfrist bis zum setzte, überwies die Beklagte am 15. Februar, am 4. März und am vorbehaltlos jeweils die darin geforderte Miete in Höhe von 432 €. In Anbetracht dieser Umstände und Abläufe ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht das Verhalten der Beklagten als konkludente Annahme des Mieterhöhungsbegehrens bewertet hat. Denn jedenfalls eine mehrmalige vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Mietzinses kann als schlüssig erklärte Zustimmung des Mieters gewertet werden (vgl. , aaO; vom - VIII ZR 182/04, aaO). Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob schon in der erstmaligen Zahlung der erhöhten Miete die konkludente Zustimmung der Beklagten zu der geforderten Mieterhöhung gesehen werden kann (vgl. zum Meinungsstand Staudinger/V. Emmerich, aaO, § 558b Rn. 5). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es für die Bewertung des Verhaltens der Beklagten als konkludente Zustimmung nicht entscheidend darauf an, ob sie ihren Dauerauftrag entsprechend geändert oder die erhöhte Miete im Wege einer jeweils zum Fälligkeitstermin veranlassten Überweisung entrichtet hat. Denn in beiden Fällen war ein Tätigwerden der Beklagten erforderlich, das wiederum wegen Fehlens eines Rückforderungsvorbehalts tragfähige Rückschlüsse auf ihre Willensrichtung zulässt.

22(dd) An der zutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens der Beklagten als konkludente Annahme des Mieterhöhungsverlangens ändert auch der Einwand der Rechtsbeschwerde nichts, die Beklagte habe nicht den vollen Mieterhöhungsbetrag gezahlt, denn es sei zwischenzeitlich noch eine Betriebskostenerhöhung vorgenommen worden. Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Klägerin ausschließlich die Erhöhung der monatlichen Miete einschließlich der Betriebskostenvorauszahlung um 47 € auf 432 € begehrt. Die Beklagte hat in der Folge genau diesen Betrag überwiesen.

23Da die Klägerin nach alledem bei streitigem Fortgang unterlegen wäre, entspricht es billigem Ermessen, ihr die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:300118BVIIIZB74.16.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2018 S. 524 Nr. 9
UAAAG-79301