Leitsatz
1. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG 1993 steht nicht entgegen, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden.
2. Eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG 1993 kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit —insbesondere auch für den Erwerber— offensichtlich ist.
Gesetze: UStG 1993 § 1 Abs. 1 a
Instanzenzug: (EFG 2001, 393) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der A. Die Klägerin befindet sich in Liquidation, nachdem das einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen abgelehnt hat.
In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August bis Oktober 1996 machte die A die in Rechnungen der D ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuerbeträge geltend (233 542,02 DM für August 1996, 586 159,23 DM für September 1996 und 46 650 DM für Oktober 1996).
Diesen Rechnungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Gegenstand des Unternehmens der D war u.a. die Vermietung von Baumaschinen an Einzelpersonen und Baugesellschaften. Für die Anschaffung der Maschinen nahm die D Kredite bei verschiedenen Banken in Anspruch, u.a. bei dem Bankhaus L sowie der O. Die Baumaschinen wurden zur Sicherung der jeweiligen Darlehensforderungen den Banken übereignet; außerdem trat die D ihre Forderungen aus den mit ihren Kunden über die Baumaschinen geschlossenen Leasingverträgen an die Banken ab.
Nachdem die D in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war, legten Banken gegenüber den Vertragspartnern der D die Sicherungszessionen offen und forderten die Zahlung der Miet-/Leasingraten direkt an sich. Dadurch geriet die D in weitere Liquiditätsschwierigkeiten, weil sie die in den Miet-/Leasingraten enthaltene Umsatzsteuer nicht abführen konnte. Am beantragte der damalige Geschäftsführer der D die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens; danach stand rückständigen Umsatzsteuerforderungen von mindestens 2,6 Mio. DM kein verwertbares Vermögen, insbesondere kein Grundbesitz, gegenüber. Alle Wirtschaftsgüter waren sicherungsübereignet; einzige Einnahmequelle war die Marge aus den zuvor erwähnten Mietforderungen. Mangels Masse lehnte das AG den Antrag am ab.
Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt vereinbarten die D und die A in Rahmenverträgen mit der entsprechenden Bank vom August, September und Oktober 1996 jeweils den Beitritt der A zu den Verpflichtungen der D gegenüber der Bank sowie die Übertragung sämtlicher Ansprüche der D gegen die Bank auf Freigabe der Sicherungs- und Anwartschaftsrechte an den zur Sicherung der Darlehen übereigneten Baumaschinen. Die Verträge mit den Banken sollten —auch hinsichtlich der Sicherheiten— unverändert mit der A weitergelten. Gleichzeitig schlossen die D und die A in Bezug auf jedes einzelne den Banken sicherungsübereignete Mietobjekt und den dieses betreffenden Mietvertrag im Wesentlichen gleichlautende ”Kauf- und Übertragungsverträge”, durch die die A das Mietobjekt sowie den entsprechenden Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten übernahm.
Die Banken erklärten sich mit dem Eintritt der A in die Verträge der D mit ihren Kunden, die im September und Oktober 1996 darüber informiert wurden, einverstanden. Die D erteilte der A jeweils die streitigen Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer.
Weitere Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in Höhe von insgesamt 46 650,00 DM für den Verkauf von Baumaschinen erteilte die D der A mit Datum vom . Hierbei soll es sich um Handelsware gehandelt haben, die unmittelbar weiter veräußert worden sei. Vereinbarungen mit Banken seien insoweit nicht getroffen worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ließ in den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden vom 5. und den Abzug der aus diesen Rechnungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge im Wesentlichen mit der Begründung nicht zum Abzug zu, im Zeitpunkt der Übertragung sei die Verwertungsreife bereits eingetreten gewesen. Die D habe die Mietobjekte zwar im eigenen Namen veräußert, sie habe sie aber rechtlich gar nicht übertragen können. Die Lieferungen seien der Bank zuzurechnen, weil diese von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch gemacht habe. Gegenstand des anschließenden Klageverfahrens war der Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 1996.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 393 abgedruckt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es zwar mit Eintritt der Verwertungsreife dadurch zu einem Doppelumsatz, dass die Sicherungsübereignung ohne weiteres Zutun zur Lieferung werde; maßgeblicher Zeitpunkt sei aber erst die Verwertung des Sicherungsgutes. Im Streitfall hätten die Banken einer Vertragsübernahme durch die A und Weiterführung der bisherigen Vereinbarungen mit unverändertem Inhalt zugestimmt; die Zustimmung zur Auswechslung des Sicherungsnehmers sei noch keine Verwertungshandlung (, BFHE 177, 520, BStBl II 1995, 564).
In Bezug auf Vorsteuerbeträge in Höhe von 46 650 DM aus dem Erwerb von nicht sicherungsübereigneten Baumaschinen fehle es schon an einem möglichen Doppelumsatz; schon deshalb scheide die Überlegung, die D habe nicht über eine eigene Lieferung abgerechnet, von vornherein aus.
Mit der Revision wendet sich das FA nur noch dagegen, dass das FG Vorsteuerbeträge für die Übertragung der sicherungsübereigneten Mietobjekte anerkannt hat (819 701 DM) und nicht gegen die Anerkennung des Abzuges der für die Übertragung der ”Handelsware” in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (46 650 DM). Insoweit macht es Verletzung materiellen Rechts geltend.
Zur Begründung führt das FA im Wesentlichen aus:
Zutreffend sei zwar, dass die Verwertungsreife allein nicht schon zur Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer führe. Eine Lieferung vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer werde aber bewirkt, wenn nach Verwertungsreife einem Dritten Verfügungsmacht an dem Sicherungsgut übertragen werde. Mit den Rahmenvereinbarungen zwischen D, A und dem jeweiligen Sicherungsnehmer sei abschließend über die Verwertung entschieden worden; die Bank habe von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch gemacht; gleichzeitig liege eine Lieferung des Sicherungsgutes an die Bank und von dieser an die A vor. Eine Lieferung der D an die A scheide hiernach aus und deshalb sei die A nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es zusätzliche Vorsteuerbeträge in Höhe von 819 701 DM berücksichtigt hat, und die Umsatzsteuer auf 165 203 DM festzusetzen.
Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
II.
Die Revision ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Umfang des Revisionsantrages (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird (, in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695). Abziehbar ist hiernach nur diese Steuer, nicht dagegen die lediglich nach § 14 Abs. 3 UStG oder nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldete Umsatzsteuer (zuletzt , BFHE 198, 238, BFH/NV 2002, 1006). Voraussetzung für den Abzug der geltend gemachten Vorsteuer ist deshalb, dass den streitigen Rechnungen steuerbare und steuerpflichtige Leistungen der D gegenüber der A zugrunde liegen.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil D die streitigen Leistungen im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1 a Satz 1 UStG) an die A erbracht hat und den Rechnungen deshalb keine steuerpflichtigen Leistungen zugrunde liegen.
2. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der Annahme einer Vermögensübertragung steht nicht entgegen, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden (vgl. , BFHE 187, 93, BStBl II 1999, 41).
Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, dass die D ihr gesamtes —im Wesentlichen aus den mit der Vermietung der sicherungsübereigneten Baumaschinen zusammenhängendes— Vermögen auf die A übertragen hat. Dass die Übertragung nicht auf einem einzigen Kausalgeschäft, sondern —lediglich bedingt durch das Erfordernis der Zustimmung der Kredit gebenden Banken/Sicherungsnehmer— auf mehreren zeitlich geringfügig versetzten Kausalgeschäften beruht, ist unerheblich, wenn —wie hier— die Kausalgeschäfte in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur endgültigen Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit —insbesondere auch für den Erwerber— offensichtlich war (vgl. z.B. , BFHE 172, 200, BStBl II 1994, 15 zu § 6 des Einkommensteuergesetzes).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 626
BB 2003 S. 244 Nr. 5
BFH/NV 2003 S. 271
BFH/NV 2003 S. 271 Nr. 2
BFHE S. 97 Nr. 200
BStBl II 2004 S. 626 Nr. 13
DB 2003 S. 256 Nr. 5
DStRE 2003 S. 231 Nr. 4
INF 2003 S. 90 Nr. 3
KÖSDI 2003 S. 13570 Nr. 1
UR 2003 S. 133 Nr. 3
ZAAAA-69230