Strafurteil: Notwendige Feststellung der Vorschriftsmäßigkeit einer Wahllichtbildvorlage bei Nichtidentifizierung des Angeklagten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung
Gesetze: § 261 StPO, Nr 18 RiStBV
Instanzenzug: LG Paderborn Az: 1 KLs 25/17
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall „unter Mitführung eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“ (zur Tenorierung in diesen Fällen vgl. , BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Urteilsformel 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 1 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Beweiswürdigung einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.
3a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der Zeit zwischen dem und dem unter anderem in der B. straße in P. in Kleinmengen Marihuana an die Zeugen P. und S. . Das Rauschgift entstammte einem Vorrat, den der Angeklagte und seine Mittäter in einer Wohnung in dem Anwesen B. straße unterhielten. Dort konnten am noch insgesamt 1016,98 Gramm Marihuana (127,83 Gramm Tetrahydrocannabinol) aufgefunden werden. Im Badezimmer der Wohnung war neben Verpackungsmaterial griffbereit ein Springmesser abgelegt.
4b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter mehreren Gesichtspunkten lückenhaft, soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf ein Wiedererkennen durch den Zeugen P. bei einer „in der mündlichen Verhandlung erneut vorgelegten Lichtbildvorlage“ (UA 10) gestützt hat. Zum einen ergeben die Urteilsgründe nicht, ob diese Lichtbildvorlage vorschriftsmäßig erfolgt ist (vgl. RiStBV Nr. 18). Eine entsprechende Darstellung wäre hier aber erforderlich gewesen, da der Zeuge den Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung nicht sicher zu identifizieren vermochte und die Lichtbildvorlage für den Beweiswert der Aussage dieses Zeugen deshalb von entscheidender Bedeutung war (vgl. , NStZ 1996, 350, 351; Miebach, NStZ-RR 2014, 233, 236 mwN). Zum anderen setzt sich die Strafkammer nicht mit dem eingeschränkten Beweiswert eines wiederholten Wiedererkennens in der Hauptverhandlung auseinander (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 480/16, StraFo 2017, 111; vom - 4 StR 102/16, NStZ-RR 2016, 223 [Ls]; Urteile vom - 4 StR 501/10, NStZ 2011, 648, 650; vom - 2 StR 470/97, NStZ 1998, 266, 267; vom - 2 StR 194/61, BGHSt 16, 204, 205 f.). Da sich das Landgericht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus einer Gesamtschau des Beweisergebnisses gebildet hat, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesen Rechtsfehlern nicht auszuschließen.
52. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe zieht auch die Aufhebung der im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe nach sich. Denn die Strafkammer hat dem Angeklagten bei deren Bestimmung maßgeblich angelastet, nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel im Fall II. 1 der Urteilsgründe und der Festnahme seiner Mittäter mit einer noch größeren Betäubungsmittelmenge Handel getrieben zu haben. Dies und die umfassende Aufhebung im Fall II. 1 der Urteilsgründe haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.
63. Der neue Tatrichter wird bei der Darstellung der Ergebnisse der Auswertung von DNA-Spuren die insoweit geltenden Anforderungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 572/16, Rn. 12; vom - 4 StR 102/16, Rn. 12 mwN). Sollte wiederum § 30a Abs. 3 BtMG zur Anwendung kommen, wird die Sperrwirkung von § 29a Abs. 1 BtMG zu beachten sein (vgl. , Rn. 5; Beschluss vom - 2 StR 144/13, NStZ-RR 2014, 180).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:221117B4STR468.17.0
Fundstelle(n):
YAAAG-78277