BGH Beschluss v. - 5 StR 335/17

Strafverfahren wegen Serienbetrugs: Konkurrenzen bei Beteiligung an der Vermittlung des darlehensfinanzierten Kaufs überteuerter Eigentumswohnungen; strafschärfende Berücksichtigung der Auswirkungen der Tat; Ermittlung des jeweiligen Vermögensschadens bei der Bemessung von Einzelstrafen

Gesetze: § 46 Abs 2 S 2 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 53 Abs 1 StGB, § 263 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Lübeck Az: 6 KLs 15/15

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Betrugs in 26 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen hatten die Vermögensberater H.   und K.    zahlreichen Kunden einen darlehensfinanzierten Kauf von Eigentumswohnungen zur Vermögensbildung vermittelt. Hierbei hatten sie bei einigen der Käufer unrealistische Erwartungen in den Wert der Wohnungen sowie die damit zu erzielenden Renditen geweckt. Die Wohnungen waren regelmäßig für eine Vermögensbildung ungeeignet; bisweilen handelte es sich um „Schrottimmobilien“. Als die Erwerber dies erkannten, suchten sie nach einer Möglichkeit, ihre Immobilie und die damit verbundene Darlehensbelastung wieder loszuwerden. Den beiden Vermögensberatern stellte der Angeklagte M.    im November 2009 für deren frühere Kunden und für weitere Interessenten eines Immobilienverkaufs ein „Geschäftsmodell“ vor. Danach sollte die niederländische Gesellschaft        B.V. (im Folgenden: B.V.), deren Geschäftsführer M.    war, die Wohnungen aufkaufen und die Darlehensverbindlichkeiten übernehmen, wofür eine angebliche rechtliche Möglichkeit genutzt würde, die sich aus § 416 BGB ergäbe. Hierzu sollte den Wohnungseigentümern erklärt werden, dass die finanzierende Bank nach § 416 BGB die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit durch die B.V. stillschweigend genehmigen würde, wenn sie sechs Monate lang die Darlehensraten von ihr erhalte, ohne dem zu widersprechen. Daher dürften die Kunden die Banken auch nicht über die getroffene Vereinbarung informieren. Für die Abwicklung des von den Vermögensberatern zu vermittelnden Geschäfts sollten die Kunden eine Barzahlung von 10 bis 12 Prozent der aktuellen Darlehensrestverbindlichkeit vorleisten. Die anschließende notarielle Beurkundung der Kaufverträge sollte durch den Angeklagten T.       erfolgen, der bereits seit Jahren als Rechtsanwalt und Notar für M.    tätig war.

3In der Folgezeit boten die Vermögensberater K.    und H.    sowie dessen Mitarbeiter ihren Kunden den Verkauf ihrer unrentablen Immobilien an die B.V. mit entsprechender Schuldübernahme an. Die geplante Verwendung ihrer Barzahlung wurde den Kunden nicht näher aufgeschlüsselt; jedenfalls sollten hiervon die Notar- und Gerichtskosten sowie die Grunderwerbsteuer durch die B.V. beglichen werden. Zudem wurde eine Reihe von Wohnungseigentümern aufgefordert, die Darlehensraten sechs Monate lang nicht mehr an die finanzierende Bank, sondern an die B.V. zu zahlen, die diese dann an die Gläubigerbanken weiterleiten würde. Tatsächlich waren sich die Angeklagten darüber einig, dass von der B.V. die Darlehensverbindlichkeiten nicht übernommen würden und keiner der mit den Wohnungseigentümern abgeschlossenen Verträge erfüllt werden sollte. Von den Zahlungen der Geschädigten, aus denen die Provisionen der Berater zu tragen waren und an denen T.       jedenfalls durch die entstehenden Notargebühren zu profitieren beabsichtigte, wollte M.    einen Teil für sich behalten.

4T.       entwarf nach M.    s Vorgaben Muster für die notariellen Kaufverträge sowie für eine privatschriftliche Zusatzvereinbarung. Außerdem eröffnete er im Dezember 2009 ein Girokonto für die B.V., dessen wirtschaftlich Berechtigter M.   war. Dieser erteilte im Dezember 2009 den Vermögensberatern Ankaufsvollmachten und richtete Anfang 2010 im Haus des Notariats ein Büro der B.V. ein, in dem die ehemals Mitangeklagte Ho.    für ihn tätig war. Auf seine Veranlassung übernahm Ho.    am formell das Amt der Geschäftsführerin der B.V., während faktisch M.    die Geschäfte der Gesellschaft weiter führte.

5Im Tatzeitraum vom bis zum kamen aufgrund der unzutreffenden Erklärungen der Vermögensberater und der Angeklagten plangemäß Immobilienverkaufsgeschäfte mit insgesamt 26 Geschädigten zustande. Diese leisteten hierzu im Voraus Barzahlungen in Höhe von 7.000 bis 20.000 Euro. Die nachfolgende Beurkundung der von ihm vorbereiteten Kaufverträge und Zusatzvereinbarungen nahm der Angeklagte T.       in 24 Fällen selbst vor, in zwei Fällen bediente er sich hierfür eines Notarvertreters. Auf Käuferseite vertrat bei den Kaufvertragsabschlüssen mit sieben Geschädigten der Angeklagte M.    auch selbst die niederländische Gesellschaft, in 14 Fällen traten bei den Beurkundungen zuvor schon vermittelnd tätige Vermögensberater auf, die bevollmächtigt waren oder deren Stellvertretung nachträglich genehmigt wurde. Ab März 2010 vertrat die formelle Geschäftsführerin Ho.    die B.V. bei den Wohnungskaufverträgen mit fünf Geschädigten. T.        stellte nach den Beurkundungsterminen jeweils beim Grundbuchamt einen Antrag auf Eigentumsumschreibung, den er wieder zurücknahm, sobald das Finanzamt die von der niederländischen Gesellschaft nicht entrichtete Grunderwerbsteuer einforderte. Er dokumentierte das Scheitern der Kaufverträge in einer Vielzahl der Fälle durch Aufhebungsverträge und leistete an einige Geschädigte Rückzahlungen für nicht angefallene Gerichtskosten. Darüber hinaus erstatteten die Angeklagten mehreren Geschädigten Teilbeträge ihrer Barzahlungen.

62. Soweit das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten M.    (auch) in den Einzelfällen einen jeweils rechtlich selbständigen Betrug gemäß § 53 Abs. 1 StGB angenommen hat, in denen er nicht selbst, sondern neben dem Mitangeklagten T.         (allein) seine Vermittler bzw. ab März 2010 auch die formelle Geschäftsführerin Ho.    gehandelt haben (Fälle 6 bis 8, 10 bis 24 und 26 der Urteilsgründe), hält die Konkurrenzbewertung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7Bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit einem individuellen Tatbeitrag mit, sondern erschöpft sich seine Mitwirkung daran im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 49, 177, 183 f.; Beschlüsse vom - 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; vom - 2 StR 555/12, wistra 2013, 389; vom - 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334, und vom - 4 StR 134/15, wistra 2016, 309, 310 mwN). Danach sind hier in Bezug auf den Angeklagten M.    alle festgestellten Einzelfälle des Betrugs, in denen allein seine Vermittler bzw. die Geschäftsführerin Ho.    seitens der von ihm beherrschten niederländischen Gesellschaft die Geschädigten getäuscht und hierdurch zu Vermögensverfügungen veranlasst haben und die Urteilsgründe keine eigenen, die einzelnen Taten fördernden Tatbeiträge belegen, als unselbständige Teile eines derartigen Organisationsdelikts zu bewerten. Daraus folgt, dass sich der Angeklagte lediglich in insgesamt acht rechtlich selbständigen Fällen (zusätzlich zum Organisationsdelikt in den Fällen 1 bis 5, 9 und 25 der Urteilsgründe) des Betrugs schuldig gemacht hat.

8Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte M.    sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

93. Die gesamten Strafaussprüche haben keinen Bestand.

10a) Durchgreifend bedenklich ist die vom Landgericht bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen angeführte strafschärfende Erwägung, dass die Tatopfer bereits beim ursprünglichen Kauf ihrer Wohnungen übervorteilt worden und dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien.

11Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB können zwar verschuldete Auswirkungen der Tat bei der Strafzumessung straferschwerend berücksichtigt werden, wenn die Tatfolgen für den Täter nach Art und Gewicht im Wesentlichen voraussehbar waren und ihm vorzuwerfen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 359/90, BGHSt 37, 179, 180; vom - 1 StR 285/06, NStZ-RR 2006, 372; vom - 4 StR 623/10, wistra 2011, 262, und vom - 3 StR 7/15). Insofern mag es zu den Auswirkungen einer Betrugstat auch gehören, wenn ein Betrugsopfer aufgrund früherer betrügerischer Schädigung in besonderer Weise mit dem erneuten Vermögensverlust belastet wurde.

12Hier belegen die Feststellungen zur Mehrzahl der einzelnen Taten jedoch schon nicht, dass die Geschädigten bereits beim ursprünglichen Kauf ihrer Wohnungen aufgrund eines bestehenden Missverhältnisses von Erträgen und Belastungen oder sonst falscher Versprechungen übervorteilt worden waren (vgl. Fälle 1, 2, 4, 7, 9, 10, 12 bis 16, 20, 22 und 23). Darüber hinaus hat das Landgericht für keinen der übrigen Fälle festgestellt, dass die Angeklagten um die Ursachen ihnen bekannter wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Verkaufsinteressenten wussten oder deren etwaige vorausgegangene Übervorteilung beim finanzierten Immobilienerwerb voraussehbar war. Dies lag auch deshalb nicht auf der Hand, weil in einer Reihe dieser übrigen Fälle (Fälle 5, 6, 8, 17 und 24) der ursprüngliche Eigentumserwerb in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit der bei den abgeurteilten Taten aufgetretenen Vermittler stand und das Landgericht diese für „möglicherweise gutgläubig“ gehalten hat.

13Entsprechendes gilt für die vom Landgericht bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen angeführte strafschärfende Erwägung, die meisten Geschädigten hätten sich noch weiter verschulden müssen, um die geforderte Bargeldsumme aufbringen zu können. Es ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass den Angeklagten eine für die Geschädigten nötige Aufnahme weiterer Darlehen, die das Landgericht ohnehin nur bei zwölf der 26 Betrugstaten festgestellt hat (Fälle 4, 7 bis 12, 14 bis 17 und 23), bekannt oder voraussehbar gewesen wäre.

14b) Darüber hinaus hat das Landgericht den für die Strafzumessung bestimmenden Gesichtspunkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 458/10, wistra 2011, 335 mwN, und vom - 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 520) außer Acht gelassen hat, in welcher Höhe den Geschä-digten tatsächlich ein Schaden verblieben ist. Insofern wäre etwa in den Blick zu nehmen gewesen, dass im Fall 1 nach einer Rückzahlung durch den Angeklagten T.       in Höhe von 2.576 Euro nur noch ein Schaden von 5.524 Euro verblieb, die Geschädigten im Fall 6 von dem Angeklagten M.    von ihrer Barzahlung in Höhe von 7.000 Euro später 3.000 Euro zurückerhielten, sich der Schaden im Fall 11 durch eine Rückzahlung M.    s um 1.400 Euro reduzierte und M.    im Fall 14 den Geschädigten einen Teil ihrer Barzahlung und der von ihnen überwiesenen Darlehensraten über eine von mehreren Betrugsopfern beauftragte Rechtsanwältin erstatten ließ (UA S.10, 38 f.).

15c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler zu geringeren Einzelstrafen gekommen wäre. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den Aussprüchen über die Gesamtstrafen die Grundlage. Mit der Aufhebung der die Strafzumessung betreffenden Feststellungen sollen dem neuen Tatgericht insoweit insgesamt widerspruchsfreie Urteilsfeststellungen insbesondere zur Schadenshöhe ermöglicht werden.

164. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Das angefochtene Urteil hat bei der Bemessung der Einzelstrafen namentlich unberücksichtigt gelassen, dass durch die Taten jeweils Schäden in unterschiedlicher Höhe entstanden sind. Das neue Tatgericht wird deshalb den bei den einzelnen Taten verursachten Gesamtschaden jeweils zu ermitteln und die Einzelstrafen gegebenenfalls nach den festgestellten Schadenssummen differenzierend festzusetzen haben (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 626/98, NStZ 1999, 244, 245; vom - 5 StR 361/02, NStZ-RR 2003, 72 f.; vom - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, und vom - 2 StR 566/13, StV 2015, 172).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:291117B5STR335.17.0

Fundstelle(n):
wistra 2018 S. 256 Nr. 6
CAAAG-71563