Mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng verbundene Umsätze
, zur Lieferung von Medikamenten (Zytostatika)
Bezug: BStBl 2016 I, 1043
1. Allgemeines
Mit dem Betrieb der in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichneten Einrichtungen sind solche Umsätze eng verbunden, die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen (vgl. , BStBl 1978 II, 173). Die Umsätze dürfen nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen (Abschn. 4.14.6 Abs. 1 UStAE).
Umsätze eines Krankenhauses sind nicht mehr eng verbunden i. S. des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, wenn die ihnen zugrundeliegenden Leistungen in einem abgrenzbaren Bereich außerhalb der typischen Tätigkeit der Einrichtung erbracht werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Krankenhaus mit diesen Leistungen in eine gewisse Konkurrenz zu anderen nicht begünstigten Unternehmen tritt. Zweifelsfälle sind dabei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen.
Krankenhäuser, Kurkliniken, Vorsorge- und Rehabilitationskliniken usw. können die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG in Anspruch nehmen, wenn es sich um Einrichtungen handelt, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa – gg UStG erfüllen (Abschn. 4.14.5 Abs. 1 UStAE). Liegen diese Voraussetzungen vor, sind Unterbringung und Verpflegung der Patienten als eng verbundene Umsätze zu qualifizieren und deshalb umsatzsteuerfrei (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 1 UStAE). Wegen der einzelnen Voraussetzungen wird auf Abschn. 4.14.5 Abs. 2 – 22 UStAE verwiesen.
Die Leistungen dieser Einrichtungen sind nur insoweit steuerfrei, als sie sich auf den Bereich der Zulassung, des Vertrages bzw. der Regelung nach Sozialgesetzbuch beschränken (Abschn. 4.14.5 Abs. 24 Satz 2 UStAE). Die Steuerbefreiung ist nur der Art nach und nicht dem Umfang nach beschränkt. So fallen Leistungen, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, wie z. B. Chefarztbehandlung, Doppel- oder Einzelzimmerbelegung, ebenfalls unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Abschn. 4.14.5 Abs. 25 UStAE).
2. Eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbundene Umsätze
Folgende Leistungen können nach den Vorgaben der MwStSystRL – ergänzend zu den Regelungen in Abschn. 4.14.6 Abs. 2 UStAE – als eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundene Umsätze angesehen werden:
Beherbergung und Verpflegung von ärztlich verordneten Begleitpersonen von Patienten. Die Begleitpersonen müssen an der Versorgung der Patienten beteiligt sein und ihre Anwesenheit muss für die Behandlung oder den Behandlungserfolg medizinisch notwendig sein. Die medizinische Notwendigkeit muss durch eine Bestätigung des behandelnden Arztes – einweisender Arzt oder auch der aufnehmende Klinikarzt – nachgewiesen werden (vgl. Rundvfg. vom ).
Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten und die damit verbundene Gestellung von medizinischem Hilfspersonal durch Einrichtungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG an andere Einrichtungen dieser Art, an angestellte Ärzte für deren selbständige Tätigkeit und an niedergelassene Ärzte zur Mitbenutzung (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UStAE). Als Großgeräte gelten beispielsweise:
Linksherzkatheter-Messplätze (LHM)
Computertomographie-Geräte (CT)
Kernspintomographie-Geräte (MR)
Positronen-Emissions-Computer-Tomographen (PET)
Linearbeschleuniger (LIN)
Telecobalt-Geräte (Co-60)
Geräte zur extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie wie Nierenlithotripter (NIL) und Gallenlithotripter (GAL)
Diagnostische Bio-Magnetismus-Anlagen (BMA)
Personalgestellung an niedergelassenen Arzt. Voraussetzung hierfür ist:
sie muss für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten unerlässlich sein,
sie darf nicht dazu bestimmt sein, dem Krankenhaus zusätzliche Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 134 MwStSystRL).
Entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung eines Krankenhauses an einen dort angestellten Arzt für das Betreiben einer eigenen Praxis im Krankenhaus.
3. Nicht eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbundene Umsätze
Folgende Leistungen können nach den Vorgaben der MwStSystRL – ergänzend zu den Regelungen in Abschn. 4.14.6 Abs. 3 UStAE – nicht als eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundene Umsätze angesehen werden und sind deshalb ab dem der Umsatzsteuer zu unterwerfen:
Lieferungen von Waren (zusätzliche Getränke, Süßigkeiten, Zeitschriften) an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher
Lieferung von Speisen und Getränken einer Krankenhausküche an Dritte außerhalb des Krankenhauses
Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und sonstigen Naturalleistungen an das Personal
Überlassung von Büchern, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Fernsprechanlagen an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher zur Mitbenutzung
Betrieb einer Kindertagesstätte (Betreuung der Kinder von Arbeitnehmern)
Personalgestellungen, wenn die unter Tz. 2. genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Beherbergung und Verpflegung von Besuchern und Gästen
Beherbergung und Verpflegung von Patienten im Zusammenhang mit der Durchführung offener Badekuren. Die Ermittlung der nicht begünstigten Umsätze ist dabei aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stets nach dem Verhältnis der Umsätze vorzunehmen, auch wenn im Einzelfall eine räumliche Trennung der Gäste möglich ist.
Gestellung von Personal einer Krankenhausapotheke an die Krankenhausapotheke eines anderen Krankenhausträgers
Ebenfalls nicht eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbunden sind Leistungen einer Zeitarbeitsfirma, die ausschließlich auf die bloße Gestellung bzw. den Verleih/die Vermittlung von Personal an diese Einrichtungen zielen. Der Zweck der Leistungen ist hierbei nicht auf die Erbringung von Pflegeleistungen gerichtet (vgl. auch Tz 1.). Derartige Leistungen sind daher umsatzsteuerpflichtig.
4. Abgabe von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krebstherapien
Entgegen der Verwaltungsauffassung hat der , BStBl 2016 II, 781, die vorausgegangene Entscheidung des Finanzgerichts Münster, dass es sich bei der Abgabe von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krebsbehandlungen um einen mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen, und damit steuerfreien Umsatz handelt, bestätigt. Es sei nicht zwischen stationär und ambulant im Krankenhaus behandelten Patienten zu differenzieren, da die Verabreichung von Arzneimitteln zur Durchführung einer Heilbehandlung im Krankenhaus stets unentbehrlich zur Erreichung des verfolgten therapeutischen Zieles sei. Dies gilt laut dem BFH selbst dann, wenn bei der Behandlung durch sogenannte „ermächtigte Krankenhausärzte” Leistungen durch zwei unterschiedliche Unternehmer erbracht werden (die Heilbehandlung durch den ermächtigten Krankenhausarzt und die Abgabe der Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke). Nach Ansicht des BFH kommt es für die Beurteilung als „eng verbundener Umsatz” – anders als für die Beurteilung von Haupt- und Nebenleistung – nicht auf die Identität des Leistenden, sondern allein auf die Identität des Leistungsempfängers der Heilbehandlungsleistung an.
Mit BStBl 2016 I, 1043, hat die Verwaltung das BFH-Urteil V R 19/11 in einem engen Rahmen umgesetzt. Danach sind die Umsätze aus der Abgabe von Medikamenten nur dann nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei, wenn die Medikamente „patientenindividuell” sind bzw. durch die Krankenhausapotheke des behandelnden Krankenhauses hergestellt und im Rahmen einer ambulant in den Räumen des Krankenhauses durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung (ungeachtet der sozialrechtlichen Ermächtigungsform) verabreicht werden.
Fallen hierbei die Standorte der Krankenhausapotheke eines Krankenhauses und des behandelnden Krankenhauses auseinander, ist dies unschädlich, soweit es sich um denselben Unternehmer handelt. Dies gilt auch, wenn es sich bei den an den verschiedenen Standorten betriebenen Krankenhäusern um zwei rechtlich eigenständige Krankenhäuser verschiedener Trägergesellschaften (Mutter- und Tochtergesellschaft) handelt, wenn diese organschaftlich miteinander verbunden sind und insofern umsatzsteuerlich ein einheitliches Unternehmen bilden.
Unterwirft der Unternehmer diese Umsätze dem allgemeinen Steuersatz und macht insoweit unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend, wird dies für Umsätze, die vor dem ausgeführt worden sind, nicht beanstandet. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Unternehmer die Übergangsregelung einheitlich für sämtliche Umsätze in Anspruch nimmt. So kann er sich beispielsweise für die an gesetzliche Krankenkassen erbrachten Zytostatikalierferungen auf die Grundstäze des BFH-Urteils V R 19/11 berufen, während er die Umsätze an Selbstzahler und Privatversicherte umsatzsteuerpflichtig belässt. Folglich sind dann etwaige Korrekturen hinsichtlich des Vorsteuerabzuges und der Rechnungsberichtigungen nach § 14c UStG zu berücksichtigen.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG im Zusammenhang mit dem , BStBl 2015 II, 123 kommt nicht in Betracht. Die Übergangsregelung soll es den betroffenen Krankenhäusern lediglich ermöglichen, für die Vergangenheit an der mit der bisherigen Verwaltungsauffassung übereinstimmenden Verfahrensweise festzuhalten. Vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils I R 82/12 im BStBl II vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Abgabe von Zytostatika an Patienten durch die Krankenhausapotheke zur anschließenden ambulanten Verabreichung im Krankenhaus einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle und damit der Regelbesteuerung unterlag. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung des BFH-Urteils I R 82/12 mit BStBl 2015 I, 76 hatte der BFH bereits im Verfahren V R 19/11 geurteilt und die Entscheidung auf seiner Internetseite veröffentlicht (Veröffentlichungsdatum ), so dass die Unternehmer damit rechnen mussten, dass die Finanzverwaltung sich auch in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht noch zur Abgabe von Zytostatika äußern würde. Ein Vertrauenstatbestand konnte bei dieser Sachlage nicht entstehen.
Dem gegenüber gehören Umsätze aus der Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten, die zwar zur unmittelbaren Anwendung während der ambulanten Behandlung im Krankenhaus verabreicht werden, aber nicht „patientenindividuell zugeschnitten” sind, nicht zu den eng verbundenen Umsätzen. Diese Umsätze sind daher steuerpflichtig. Hierunter fallen unter anderem Fertigarzneimittel, auch wenn sie als Begleitmedikamente verabreicht werden.
Die bisherige Rundvfg. vom wird aufgehoben.
OFD Frankfurt/M. v. - S 7170 A-92-St 16
Fundstelle(n):
CAAAG-70578