LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss v. - L 21 AS 1459/17 B ER, L 21 AS 1460/17 B
Leitsatz
Leitsatz:
1. Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist. Steht eine ungeklärte unionsrechtliche Rechtsfrage im Raum, muss das Tatsachengericht diesen Umstand bei der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Situation der Antragssteller einbeziehen.
2. Hinsichtlich des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II werden in der Literatur und Rechtsprechung der sozialgerichtlichen Tatsachengerichte europarechtliche Bedenken erhoben. Diese rechtfertigen es nicht grundsätzlich, den gesetzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II einstweilen nicht anzuwenden. Eine Ausnahme ist dann angezeigt, wenn besondere Umstände (hier: grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG wegen einer Schwangerschaft mit bevorstehender Entbindung) dies erfordern.
3. Die europarechtlichen Bedenken gegen den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c SGB II rechtfertigen seine Nichtanwendung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich nicht. Denn das leistungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Koordinierungsverordnung) wird durch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), begrenzt. Diese leistungsrechtliche Schrankenregelung greift auch dann, wenn das leistungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 bei einem Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (Freizügigkeitsverordnung) herangezogen werden soll.
Fundstelle(n): JAAAG-69372
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LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.09.2017 - L 21 AS 1459/17 B ER, L 21 AS 1460/17 B
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