BFH Beschluss v. - V B 65/02

Gründe

I. Die 1991 gegründete Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Bürogemeinschaft in Form einer GbR, beantragte bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) am in einem Vordruck für die Gewerbeanmeldung die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991/1993.

Am reichte die Klägerin eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1991 ein, in der sie —für das FA nicht erkennbar— die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet hatte. Weil die Klägerin für die Streitjahre 1991 und 1992 keine Steuererklärungen abgab, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 1991 und 1992 und ging dabei von vereinbarten Entgelten aus. Die darauf ergangenen Steuerfestsetzungen für 1991 und 1992 standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aufgrund von nachträglich für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen, in denen die Klägerin ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten erklärte, ergingen unter dem Änderungsbescheide, die wiederum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—) standen.

Mit Schreiben vom reichte die Klägerin berichtigte Steuererklärungen für 1991 bis 1994 ein, in denen sie als Bemessungsgrundlagen für die erklärten Umsätze vereinnahmte Entgelte zugrunde legte. Sie wies auf die seinerzeit gestellten Anträge für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten hin.

Das FA lehnte es —auch in der Einspruchsentscheidung— ab, die Steuerfestsetzungen entsprechend zu ändern. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage auf Verpflichtung zur Änderung der Steuerfestsetzungen für 1991 und 1992 ab. Zur Begründung legte es dar, die Ablehnung des FA, die Steuer auf Grund von vereinnahmten Entgelten festzusetzen, sei nicht ermessensfehlerhaft (§ 102 der FinanzgerichtsordnungFGO—), weil das FA dies bisher nicht durch einen begünstigenden Verwaltungsakt gestattet habe. Nach Eintritt der formellen Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzungen für die Streitjahre sei das FA auch nicht mehr verpflichtet, eine Wahlrechtsänderung von der erklärten Soll- zur Ist-Versteuerung zu gestatten.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Abweichung von dem (BFH/NV 1997, 407).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO), sind nicht vorhanden.

2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des , BFH/NV 2000, 1495; vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51). Die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig; denn sie ist geklärt und lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten.

a) Die Klägerin sieht folgende Rechtsfrage als klärungsbedürftig an:

”Reicht es für die Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, § 20 Abs. 1 UStG aus, dass der Steuerpflichtige einen Antrag stellt, z.B. formlos oder sogar wie hier im Rahmen seiner Angaben in amtlichen Fragebögen, die ihm vom Finanzamt zugeschickt werden - und zu deren Beantwortung er sogar mit Zwangsgeld angehalten wird - wenn die Finanzbehörde daraufhin keine erkennbare ausdrückliche Entscheidung trifft.”

b) Die gestellte Rechtsfrage braucht nicht in einem Revisionsverfahren geklärt zu werden, weil sie aus § 20 Abs. 1 Satz 1 UStG 1991/1993 eindeutig beantwortet werden kann.

Danach ist für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ein Antrag notwendig, auf Grund dessen das FA nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob es die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erstmals oder nach einem Wechsel von der Soll- zur Istbesteuerung gestattet. Die Entscheidung wird durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 AO 1977) getroffen. Der Verwaltungsakt muss bekannt gegeben werden, um wirksam zu sein (§ 124 Abs. 1 AO 1977). Die Bekanntgabe braucht nicht förmlich zu erfolgen. Der Verwaltungsakt kann auch formlos durch eine erkennbare Gestattung der beantragten Besteuerung bekannt gegeben werden. Daraus ergibt sich, dass keine Gestattung zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vorhanden ist, wenn das FA keine oder keine nach außen erkennbare Entscheidung trifft. Dementsprechend hat der BFH bereits entschieden (Beschluss vom V B 163/99, BFH/NV 2000, 897), dass der Steuerpflichtige die Gestattung des FA, die Steuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, nicht allein daraus ableiten kann, dass er einen Antrag an das FA auf Gestattung gestellt hat.

3. Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Ein Grund, die Revision wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, besteht nicht, weil die behauptete Abweichung nicht vorliegt. Die Vorentscheidung weicht nicht von Entscheidungen des BFH ab, sondern wendet die Rechtsprechung des BFH zur Änderung eines Wahlrechts auf den Streitfall an.

Das FG hat die Änderung der geänderten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerfestsetzungen (§ 164 Abs. 2 AO 1977) nicht aus Gründen ausgeschlossen, die im Gegensatz zu dem bezeichneten BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 407 stehen. Vielmehr hat das FG dies aus anderen auf den Streitfall angewendeten Grundsätzen gemäß dem (BFHE 185, 82, BStBl II 1998, 420) abgelehnt. Ob dies gerechtfertigt ist, ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls hat das FG ausdrücklich auf die formelle Unanfechtbarkeit einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerfestsetzung abgestellt und nicht —wie die Klägerin annimmt— entschieden, dass eine solche Steuerfestsetzung nicht mehr änderbar wäre.

4. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 210
BFH/NV 2003 S. 210 Nr. 2
WAAAA-68473