BFH Beschluss v. - V B 51/02

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) überließ Prostituierten im Streitjahr 1998 in einem von ihr gepachteten Ladenlokal Räume zur Ausübung ihrer Tätigkeiten. Sie schloss mit ihnen jeweils einen ”Nutzungsvertrag”, in dem sich die ”Mieterin” für jeden Tag der Nutzung verpflichtete, 150 DM zu zahlen. Weiter war vereinbart: ”Der Mieterin ist bekannt, dass die Räumlichkeiten gleichzeitig an weitere Dritte vermietet sind. Bezüglich der Art und Zeit der Nutzung werden sich die Mieter untereinander verständigen.”

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) besteuerte die Umsätze der Klägerin durch die geschilderte Nutzungsüberlassung. Das FA lehnte es —auch in der Einspruchsentscheidung— ab, die geschilderte Nutzungsüberlassung jeweils als steuerfreien Umsatz durch Grundstücksvermietung (nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des UmsatzsteuergesetzesUStG 1993—) zu beurteilen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Jahresumsatzsteuerbescheid für 1998 ab. Zur Begründung legte es dar, dass die Klägerin den Prostituierten nicht einzelne Räume zur Berufsausübung überlassen habe. Vielmehr habe sie eine Vielzahl unterschiedlich ausgestatteter Räume an Gruppen von Prostituierten mit wechselnden Beteiligten bereit gestellt. Eine derartige Nutzung entspreche nicht dem Leitbild der Miete i.S. von §§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Klägerin habe Leistungen eigener Art ausgeführt, die nicht nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1993 steuerfrei seien.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgezählten Zulassungsgründen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO), sind nicht vorhanden.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Hierzu muss die Beschwerde nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, eine konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage hervorheben, ihre über den Streitfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit dartun und ferner ausführen, warum die Frage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.). Die Beschwerdebegründung muss ergeben, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar ist (BFH-Beschlüsse vom XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).

Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen in der Beschwerdeschrift nicht. Es reicht nicht aus, dass die Klägerin meint, es sei notwendig Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen. Weshalb dies notwendig sein soll, begründet sie nicht. Eine andere abstrakte klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage legt sie nicht dar, sondern verweist pauschal auf ihr sonstiges Vorbringen.

2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß dargelegt.

a) Eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 FGO) ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (, BFH/NV 2002, 217; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 147; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 41). Dass ungeklärte Rechtsfragen im allgemeinen Interesse zu entscheiden wären, trägt die Klägerin nicht vor; denn sie will eine Überprüfung zur Zimmerüberlassung an Prostituierte ”unter den fallbezogenen Bedingungen” erreichen.

Hinzu kommt, dass die Grundsätze geklärt sind, nach denen eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1993 anzunehmen ist (zuletzt , BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658; vgl. auch , BFH/NV 2002, 1345, - zur Vermietung von Räumen an Prostituierte). Eine einheitliche steuerpflichtige Leistung kann danach angenommen werden, wenn nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Betätigung auf dem Grundstück auszuüben, aus der Sicht des Leistungsempfängers im Vordergrund steht. Es ist auch geklärt, dass ein Hauptelement eines Grundstücksmietvertrages die Dauer der Grundstücksnutzung ist (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-150/99 - Stockholm Lindöpark, Rz. 27, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2001, 153). Bei nur kurzfristiger und gegenständlich beschränkter Nutzung ist ein Hauptelement eines Mietvertrages i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1993, Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nicht erfüllt.

Der Streitfall gibt auch keine Veranlassung, die Revision deshalb zuzulassen, um Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen, weil die Vorentscheidung im allgemeinen Interesse einer Korrektur durch eine Revisionsentscheidung bedarf, weil z.B. die Auslegung revisiblen Rechts durch die Vorinstanz fehlerhaft ist und der unterlaufene Fehler von erheblichem Gewicht und geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen (z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; vom XI B 25/01, BFH/NV 2002, 213, und vom XI B 43/01, BFH/NV 2002, 191). Die angegriffene Entscheidung des FG weist im Streitfall keine derartigen Mängel aus.

b) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO, weil der Zulassungsgrund ”Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung” auch die Divergenz der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des BFH oder eines anderen obersten Bundesgerichts umfasst, scheidet aus, weil die Begründung der Beschwerde insoweit nicht den Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.

Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz (Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur ”Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung"; § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F.) muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der (mutmaßlichen) Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, zuletzt u.a. , noch nicht veröffentlicht).

Die Klägerin meint, es bestehe eine Divergenz der Vorentscheidung zu dem (BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209). Sie stellt aber keine unvereinbaren Rechtssätze aus der Vorentscheidung und dem bezeichneten Urteil des BFH gegenüber. Die Entscheidungen divergieren im Übrigen schon deswegen nicht, weil sie nicht vergleichbare Sachverhalte betreffen. Die in dem Urteil des BFH in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209 behandelte steuerpflichtige Vermietung von Parkplätzen findet in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1993 auch eine besondere umsatzsteuerrechtliche Beurteilung.

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Das FG hat weder eine überraschende Entscheidung gefällt noch das rechtliche Gehör der Klägerin verkürzt. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen des Streitfalls waren schon Gegenstand der Einspruchsentscheidung. Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Schriftsatz des FA und die aufgrund dieser Verhandlung ergangene Entscheidung behandelten keine tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, zu denen die Klägerin nicht hätte Stellung nehmen können. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG am hatte die Klägerin auch Gelegenheit zu den entscheidungserheblichen Tat- und Rechtsfragen Ausführungen zu machen.

Deshalb hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung auch nicht dargelegt, zu welchen tatsächlichen Umständen und zu welchen Rechtsfragen sie noch hätte Ausführungen machen wollen, welchen Inhalt ihre Ausführungen gehabt hätten und aus welchem Grund sie dadurch die Entscheidung des FG —ausgehend von dessen materiell-rechtlichen Auffassung— hätte beeinflussen können.

4. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 212
BFH/NV 2003 S. 212 Nr. 2
TAAAA-68461