Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine in der Schweiz (Drittland) ansässige Gesellschaft ohne Umsätze im Inland, beantragte am Vergütung von Vorsteuerbeträgen für 1992 und 1993. Zugleich beantragte sie, die bereits abgelaufene Abgabefrist rückwirkend nach § 109 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu verlängern, weil ihr das Vorsteuervergütungsverfahren bisher unbekannt gewesen sei.
Die erwähnten Anträge lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Bundesamt für Finanzen —BfF—) am ab. Gegen die Bescheide über die Ablehnung der Vergütung von Vorsteuerbeträgen für 1992 und 1993 ist kein Rechtsbehelf eingelegt worden.
Die Rechtsbehelfe der Klägerin gegen die Ablehnung der Fristverlängerung verwarf das BfF in der Einspruchsentscheidung vom als unzulässig. Es wies zur Begründung darauf hin, eine Entscheidung über die Ablehnung der Fristverlängerung könne sich nicht mehr auf das bestandskräftig abgeschlossene Vergütungsverfahren auswirken.
Dagegen erhob die Klägerin Klage u.a. mit der Begründung, eine positive Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag müsse nachträglich zu einer Änderung des Bescheids über die Ablehnung des Vergütungsantrags führen. Auf die rückwirkende Fristverlängerung habe sie, die Klägerin, einen Anspruch, weil die Frist verlängerbar und nach der gängigen Verwaltungspraxis auch verlängert worden sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Ansicht, mit der Bestandskraft des Bescheids über die Ablehnung der Vergütungsanträge sei ein Bedürfnis für die Klägerin entfallen, eine Entscheidung über die rückwirkende Verlängerung der Frist für die Anträge auf Vorsteuervergütung zu erhalten. Außerdem stehe der rückwirkenden Fristverlängerung entgegen, dass es sich bei der in § 61 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1991 und 1993 (UStDV) enthaltenen Regelung über die Frist von sechs Monaten für den Antrag auf Vorsteuervergütung um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist handele. Dies ergebe die richtlinienkonforme, an Art. 7 Abs. 1 Satz 4 der Achten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern —Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige— 79/1072/EWG —Richtlinie 79/1072/EWG— (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1979 Nr. L 331/11) orientierte Auslegung der Durchführungsbestimmung. Auf die Antragsfrist in § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1991/1993 sei § 109 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 deshalb nicht anwendbar.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Sie hält es für eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, ob § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1991/1993 eine nicht verlängerbare gesetzliche Ausschlussfrist vorsehe. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) bisher noch nicht entschieden. Diese Rechtsfrage sei in der Rechtsprechung der FG, in Stellungnahmen der Verwaltung (u.a. Abschn. 243 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992 —UStR 1992—) und der Literatur nicht eindeutig beantwortet worden.
Außerdem sei die Revision wegen Verletzung von Verfahrensrecht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Das FG habe gegen § 74 FGO verstoßen, weil es das Verfahren nicht ausgesetzt habe, bis eine Entscheidung des BFH in einem von vier Musterverfahren vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision.
Das BfF ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Klägerin hat keine durchgreifenden Zulassungsgründe dargetan.
1. Anwendbar ist die FGO i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
2. Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob der für die Streitjahre geltende § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1991/1993 eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist vorsieht.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO u.a., dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darlegt, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit).
b) Im Streitfall ist die dargelegte Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen in Frage gestellten Feststellungen des FG hat das BfF die Vergütungsanträge der Klägerin für 1992 und 1993 bestandskräftig abgelehnt. Damit steht unanfechtbar fest, dass die Klägerin keine Vergütung von Vorsteuern für diese Zeiträume beanspruchen kann. Wird ein Bescheid unanfechtbar, bewirkt dies materielle Bestandskraft. Der Entscheidungssatz des Bescheids gilt als richtig (, BFH/NV 1995, 275). Damit kann die Klägerin die Ablehnung der Vorsteuervergütung für 1992 und 1993 nicht mehr anfechten, solange die Ablehnungsbescheide wirksam sind.
Die von der Klägerin mit dem Revisionsverfahren erstrebte (positive) Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 über die rückwirkende Verlängerung der Fristen für die Anträge auf Vorsteuervergütung für 1992 und 1993, die sechs Monate nach Ablauf des Kalenderjahres abgelaufen waren, kann die Wirkung der Bestandskraft der erwähnten Bescheide nicht durchbrechen. Das wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung über die rückwirkende Fristverlängerung für die Abgabe des Antrags auf Vorsteuervergütung als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO 1977) wirken würde. Der Senat hat mehrfach entschieden (Beschlüsse des , BFH/NV 2001, 1368; vom V B 137/00; vom V B 192/00, jeweils Hinweise in BFH/NV 2001, 1369), dass es sich bei dieser Entscheidung nicht um einen Grundlagenbescheid handelt, der zur Änderung eines bestandskräftigen Folgebescheids verpflichtet (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977). Die Entscheidung über die Fristverlängerung ist nicht für die Festsetzung der Vorsteuervergütung bindend.
3. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, erfüllt die Beschwerde nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Die Klägerin bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht, aus welchen Gründen die gerügte Unterlassung der Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) wegen der Anhängigkeit von sog. Musterverfahren für die Entscheidung im Streitfall bedeutsam sein könnte.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 381 Nr. 3
SAAAA-68431