(Überwachung der Telekommunikation: Zulässigkeit der Erhebung retrograder Standortdaten und einer retrograden Funkzellenabfrage)
Gesetze: § 100a Abs 3 StPO, § 100b Abs 1 StPO, § 100b Abs 2 StPO, § 100b Abs 3 StPO, § 100g Abs 1 S 1 Nr 1 StPO, § 100g Abs 2 StPO, § 100g Abs 3 StPO, § 101a StPO, § 162 StPO, § 169 StPO, § 12 StPOEG, § 96 TKG, § 113b TKG
Gründe
1In Ergänzung zu seinem ursprünglichen Antrag vom , der die Anordnung einer Funkzellenabfrage auf der Grundlage des § 100g Abs. 3 StPO i.V.m. § 100g Abs. 2 StPO beinhaltete, hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof nun auch die Anordnung einer Funkzellenabfrage basierend auf § 100g Abs. 3 StPO i.V.m. § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO beantragt.
2Mit Ablauf der Überleitungsvorschrift des § 12 EGStPO zum , der die retrograde Erhebung der nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG gespeicherten Standortdaten bis auf der Grundlage des § 100g Abs. 1 StPO in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom ermöglichte, besteht keine gesetzliche Grundlage mehr nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG gespeicherte Standortdaten rückwirkend zu erheben, § 100g Abs. 1 Satz 3 StPO. Die Erhebung von retrograden Standortdaten ist ausschließlich auf der Grundlage von § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b TKG zulässig.
3Dies steht nach dem Willen des Gesetzgebers einer retrograden Funkzellenabfrage gemäß § 100g Abs. 3 i.V.m. § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO jedoch nicht grundsätzlich entgegen. Der Gesetzgeber ging bei der Regelung der Funkzellenabfrage in § 100g Abs. 3 StPO (Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom [BGBl. I S. 2218]) ausdrücklich davon aus, dass eine Funkzellenabfrage nicht ausschließlich die Erhebung von Standortdaten, sondern die Erhebung aller Verkehrsdaten beinhaltet (Gesetzesbegründung S. 36, BT-Drucks. 18/5088), mithin auch die retrograde Funkzellenabfrage durch Heranziehung der gemäß § 96 TKG gespeicherten Verkehrsdaten grundsätzlich möglich ist, § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO. Da - wie ausgeführt - für die rückwirkende Erhebung der gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG gespeicherten Standortdaten jedoch seit keine gesetzliche Grundlage mehr besteht, dürfen für die retrograde Funkzellenabfrage auf der Grundlage des § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO Standortdaten nicht herangezogen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von dem seit geltenden Verbot der rückwirkenden Erhebung der gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG gespeicherten Standortdaten, in § 100g Abs. 3 Satz 1 StPO eine Ausnahme zulassen wollte, sind nicht ersichtlich und würden dem Regelungsgefüge des § 100g StPO und der damit verbundenen Intention des Gesetzgebers, sowohl die Erhebung der Standortdaten als auch die Funkzellenabfrage wegen der damit verbundenen erhöhten Beeinträchtigungen an besondere Voraussetzungen zu knüpfen (vgl. Gesetzesbegründung S. 35/36, BT-Drucks. 18/5088), widersprechen.
4Inwieweit auf dieser Basis technisch eine Funkzellenabfrage durchführbar ist, bleibt der Ausführung derselben vorbehalten.
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WimmerRichter am Bundesgerichtshof
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:030817B1BGS237.17.0
Fundstelle(n):
PAAAG-67494