BFH Beschluss v. - III B 3/01

Gründe

I. Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, haben vor dem Finanzgericht (FG) eine Klage wegen Einkommensteuer 1987 und 1990 erhoben. Berichterstatter dieses Verfahrens ist Richter am FG A. Mit Schreiben vom haben die Kläger Richter am FG B, der dem selben Senat angehört, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung haben sie auf die Ablehnungsgesuche vom in den Sachen 15 K 940/96 F sowie 15 V 3433/00 A (E) und die dort eingereichten eidesstattlichen Versicherungen verwiesen.

Die Kläger haben zugleich unter Hinweis auf die Ablehnungsanträge in den Verfahren 15 K 2146/97 F und 15 K 940/96 F den Senatsvorsitzenden (V) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In diesen Verfahren sind die Kläger ebenso wenig beteiligt wie in der Sache 15 V 3433/00 A (E).

Das FG lehnte die Ablehnungsgesuche —ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter— mit Beschluss vom ab. Die Ablehnungsgesuche seien unzulässig. Werde ein Ablehnungsgesuch ausschließlich auf das Verhalten eines Richters in früheren Verfahren gestützt, so sei es nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Dies müsse erst recht gelten, wenn die Kläger der jeweiligen Verfahren nicht identisch seien. Der Prozessvertreter habe nicht vorgetragen, aus welchen Gründen die Kläger des vorliegenden Verfahrens die Besorgnis herleiten könnten, B und V würden in ihrer Sache nicht unbefangen entscheiden. Rechtsmissbräuchlich sei der Ablehnungsantrag auch deshalb, weil die Befangenheitsgründe bereits zu einem erheblich früheren Zeitpunkt hätten geltend gemacht werden können. Für die verzögerte Antragstellung im vorliegenden Verfahren sei kein sachlicher Grund erkennbar.

Die Anträge könnten jedoch auch in der Sache keinen Erfolg haben. Selbst wenn die in den Verfahren geltend gemachten Befangenheitsgründe auch im vorliegenden Verfahren zum Tragen kämen —wofür nichts ersichtlich sei—, könnten sie die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen, wie der Senat in den Beschlüssen vom 15 K 940/96 F (Richter am FG B) und vom (Senatsvorsitzender) sowie im Beschluss vom 15 K 2146/97 F im Einzelnen dargelegt habe. Da lediglich die bereits geltend gemachten Befangenheitsgründe wiederholt würden, habe der Senat von der Einholung einer weiteren dienstlichen Äußerung von B und V abgesehen.

Mit ihren Beschwerden, denen das FG nicht abgeholfen hat, machen die Kläger geltend: Der Senat gehe zu Unrecht in seiner Entscheidung davon aus, dass das Ablehnungsgesuch unzulässig sei. Zwar stütze sich das Ablehnungsgesuch u.a. auch auf Verhaltensweisen des Richters in früheren Verfahren, in denen der Prozessbevollmächtigte der Kläger ebenfalls tätig gewesen sei, indessen sei anerkannt, dass ein gespanntes Verhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und einem Richter bei einer Prozesspartei die Besorgnis der Befangenheit begründen könne. Die ablehnende Einstellung des Richters müsse jedoch der Partei gegenüber irgendwie in Erscheinung getreten sein. Das Ablehnungsgesuch stütze sich auf eine Häufung von fehlerhaften Maßnahmen des V in verschiedenen Prozessen, in denen der Prozessbevollmächtigte der Kläger ebenfalls bevollmächtigt sei. Diese fehlerhaften Maßnahmen stellten nach Auffassung der Kläger einen Ablehnungsgrund dar, weil sie ihrem Inhalt und der Häufigkeit nach auf eine unsachliche Einstellung des Richters schließen ließen und teilweise willkürlich seien.

Dieser Eindruck sei bei den Klägern in ihrem eigenen Verfahren dadurch entstanden, dass der Senat vor Ablauf der den Klägern für den zur Gegenäußerung auf die dienstliche Äußerung des B gesetzten Frist bereits am den Befangenheitsantrag abgelehnt hätte. Auch wenn es sich bei diesem Beschluss um einen Senatsbeschluss handele, so sei er doch unter Federführung des V zustande gekommen, es sei denn, der Senat wolle zum Ausdruck bringen, dass V von seinen Beisitzern überstimmt worden sei.

Nicht nachvollziehbar sei die Unterstellung des Senats, der Ablehnungsantrag sei in der erkennbaren Absicht der weiteren Prozessverzögerung gestellt worden. Den Klägern stehe, bevor in ihrer Sache ein Ablehnungsantrag gestellt werde, eine gewisse Bedenkzeit und das Recht zu, sich umfangreich zu informieren.

Zu Unrecht habe der Senat von der Einholung einer dienstlichen Äußerung durch V abgesehen. Die frühere dienstliche Äußerung des V setze sich nicht damit auseinander, aus welchen Gründen der Senat vor Ablauf der selbst gesetzten Frist die Beschwerden zurückgewiesen habe. Es hätte die Kläger schon interessiert, ob sich V in dieser Sache für befangen oder nicht befangen erklärt hätte. Da eine richterliche Stellungnahme unterblieben sei, sei davon auszugehen, dass der Vortrag der Kläger hinsichtlich der von ihnen geäußerten Ablehnungsgründe zutreffe, da andernfalls V widersprochen hätte. Außerdem werde auf die Beschwerdebegründung in der Sache 15 K 2146/97 F (Az. des Bundesfinanzhofs —BFH—: VIII B 103/00) und in der Sache 15 K 940/96 F verwiesen.

Fest stehe, dass V in den Verfahren 15 V 3433/00 A (E), 15 K 2146/97 F, 15 K 940/96 F und in 14 weiteren Verfahren entweder nicht zu begründenden Handlungsdruck auf den Prozessbevollmächtigten bzw. dessen Mitarbeiter ausgeübt sowie schikanöse Fristen gesetzt und Termine bestimmt habe oder in seiner Eigenschaft als Senatsvorsitzender federführend für abweisende Gerichtsbeschlüsse gewesen sei, die vor Ablauf der von ihm selbst gesetzten Fristen zur Stellungnahme gefasst worden seien.

Diese fehlerhaften Maßnahmen des V beruhten nach Auffassung der Kläger auf einer unsachlichen, willkürlichen Einstellung des Richters und stellten in ihrer Gesamtheit einen Grund dar, der die Kläger befürchten lasse, V werde in ihrer Sache nicht unparteiisch entscheiden.

Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat keine Stellungnahme zur Sache abgegeben.

II. Die gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist statthaft. Zwar kann nach § 128 Abs. 2 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) ein Beschluss über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mehr mit der Beschwerde angefochten werden. Gemäß Art. 4 2.FGOÄndG richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung aber nach den bis zum geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Vorliegend ist der angefochtene Beschluss vor dem zugestellt worden.

2. Das FG hat die Befangenheitsanträge gegen B und V zu Recht abgelehnt. Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom I B 100/94, BFH/NV 1997, 369). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 369).

3. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die von den Klägern vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Die Kläger stützen ihr Befangenheitsgesuch zu Unrecht auf ein Verhalten des V in früheren Verfahren, an denen sie selbst nicht beteiligt sind oder waren. Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter, die in anderen Verfahren des Prozessbevollmächtigten zutage getreten sind, können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit in dem konkreten Verfahren begründen, wenn eine ablehnende Einstellung auch in diesem Verfahren erkennbar geworden ist (, BFH/NV 2001, 1126). Im Streitfall haben die Kläger weder in ihrem Befangenheitsgesuch noch in der Beschwerdebegründung derartige Umstände dargelegt.

Die Kläger tragen vor, im Streitfall ergebe sich die sachliche Voreingenommenheit von V ihnen gegenüber daraus, dass der Senat über das Ablehnungsgesuch gegen Richter B bereits am entschieden habe, obwohl dem Prozessbevollmächtigten eine Frist bis zum gesetzt worden sei, sich zu der dienstlichen Stellungnahme des B zu äußern.

Dies ist unzutreffend; vielmehr sind im Streitfall die Ablehnungsgesuche sowohl gegen V als auch gegen B erst mit dem angefochtenen Beschluss vom abgelehnt worden. Weitere Gründe, die auf eine Voreingenommenheit des V gegenüber den Klägern schließen lassen könnten, haben die Kläger nicht vorgetragen. Ebenso wenig ergibt sich aus ihrer Beschwerdebegründung, weshalb die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuches gegen B rechtswidrig sein soll.

Das FG war auch nicht gehalten, erneute dienstliche Stellungnahmen von B und V gemäß § 44 Abs. 3 ZPO einzuholen. Die geltend gemachten Ablehnungsgründe gegen V entsprachen denen in dem Verfahren 15 K 940/96 F. V hatte sich in diesem Verfahren am dienstlich zu dem dort gestellten Befangenheitsantrag geäußert, der u.a. auch damit begründet worden war, der Senat habe ihm die zusammengefasste dienstliche Äußerung des B vom mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum übersandt, sein Ablehnungsgesuch aber bereits zu einem früheren Zeitpunkt zurückgewiesen. Darin erklärt V, bei Beschlussfassung sei von einem Ablauf der Frist ausgegangen worden. Das Ablehnungsgesuch gegen B verwies auf die Ablehnungsgesuche in den Verfahren 15 K 940/96 F und 15 V 3433/00 A (E). In seiner zusammengefassten dienstlichen Äußerung vom zu diesen und weiteren Befangenheitsanträgen hatte B erklärt, er sei in diesen Sachen nicht voreingenommen und halte sich nicht für befangen. Da in vorliegendem Verfahren keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen wurden, war auch eine erneute Stellungnahme von B entbehrlich.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 529 Nr. 4
YAAAA-68254