Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog nach dem Tod des 1991 verstorbenen Erblassers (E), des Vaters des Klägers, aus von diesem abgeschlossenen Lebensversicherungen als Bezugsberechtigter Versicherungsleistungen in Höhe von 171 272 DM. E war bis zu seinem Tode als Angestellter beschäftigt. Er hatte die Lebensversicherungen in den Jahren 1966 bis 1990 abgeschlossen. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hatte E durch Bescheid vom vom an gemäß Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom (BGBl I, 88) i.d.F. des Art. 2 § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil (Finanzänderungsgesetz 1967) vom (BGBl I, 1259) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte durch Bescheid vom gegen den Kläger —ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 71 200 DM— Erbschaftsteuer nach Steuerklasse I in Höhe von 2 492 DM fest, wobei er die Leistung aus der befreienden Lebensversicherung als nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) steuerpflichtig behandelte. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hob den angefochtenen Bescheid auf. Es hielt § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG für nicht anwendbar, weil Leistungen an Hinterbliebene des Erblassers aus einer befreienden Lebensversicherung wie gesetzliche Hinterbliebenenrenten und die Versorgung der Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers aufgrund Tarifvertrags, Betriebsvereinbarung, Ruhegeldordnung, betrieblicher Übung, des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder Einzelvertrags nicht der Erbschaftsteuer unterlägen. Die Befreiung der Versicherungsleistungen von der Erbschaftsteuer sei auch mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geboten, weil E durch den Abschluss der Versicherung seine familienrechtliche Pflicht zur Versorgung seiner Angehörigen erfüllt habe. Im Hinblick auf diese Verpflichtung fehle es auch an der Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Verhältnis des E zum Kläger. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 507 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Es beantragt, das Urteil des aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Rechtsauffassung des FG, dass Leistungen an Hinterbliebene eines Arbeitnehmers aufgrund einer zur Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung nicht der Besteuerung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen, kann nicht gefolgt werden.
a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird.
Die an den Kläger ausgezahlte Versicherungssumme erfüllt diese Voraussetzungen, weil der Kläger als Bezugsberechtigter der von E abgeschlossenen Versicherungsverträge bei dessen Tod unmittelbar einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer auf Zahlung der Versicherungssumme erworben hat (§§ 328 Abs. 1, 330 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—, § 166 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag —VVG#MDASH;).
Anders als bei den Versorgungsansprüchen der Hinterbliebenen von Beamten, Richtern und Soldaten bzw. bei den Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung mit Zwangsmitgliedschaft, denen regelmäßig eine vertragliche Grundlage fehlt, beruht die Auszahlung der Versicherungssummen an den Kläger auf den zwischen dem E und dem Lebensversicherungsunternehmen abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass E die Versicherungsverträge mit dem Ziel abgeschlossen hat, sich nach Art. 2 § 1 Satz 1 Buchst. b AnVNG von der Pflichtversicherung befreien zu lassen. Dieses Motiv vermag das Merkmal der ”vertraglichen Grundlage” nicht zu beseitigen. Die ”befreiende” Lebensversicherung unterscheidet sich in keiner Beziehung von jedem anderen, unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallenden Lebensversicherungsvertrag. Auch der Versicherungsnehmer einer (befreienden) Lebensversicherung hat aufgrund der vertraglichen Rechtsbeziehungen zum Verpflichteten (Versicherer) die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis bezüglich der Fortdauer des Vertrags und der sich daraus ergebenden Ansprüche. Er unterliegt —anders als der in der Rentenversicherung versicherte Arbeitnehmer— keinen gesetzlichen Beschränkungen, sondern kann den Versicherungsvertrag nach § 165 Abs. 1 VVG kündigen, den Rückkaufswert beanspruchen, die Ansprüche beleihen, die Einsetzung der Hinterbliebenen als Bezugsberechtigte ändern oder den Versicherungsschutz durch Nichterfüllung der Pflichten aus dem Vertrag aufs Spiel setzen (vgl. , BGHZ 67, 262), ohne dass dies im Hinblick auf die einmal erfolgte Befreiung von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung Folgen hätte.
Ein Angestellter, der von der Befreiungsmöglichkeit nach Art. 2 § 1 Satz 1 AnVNG Gebrauch macht, hat sich gegen eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden. Deshalb kann es sich bei den Leistungen aus der befreienden Lebensversicherung auch nicht um ein Surrogat für sozialversicherungsrechtliche Ansprüche handeln, das erbschaftsteuerrechtlich wie diese zu behandeln wäre; dies gilt selbst dann, wenn die Versicherungsleistungen nach Art oder Höhe mit den Versorgungsleistungen aus der gesetzlichen Pflichtversicherung vergleichbar sein sollten. Der Arbeitnehmer, der die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wählt, hat sich für eine auf (Versicherungs-)Vertrag beruhende, von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasste Altersvorsorge entschieden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterfallen aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung zwar auch einzelvertraglich vereinbarte, auf arbeits- oder dienstvertraglicher Regelung beruhende Versorgungsansprüche bis zur Angemessenheitsgrenze aus Gleichbehandlungsgründen nicht dem Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (vgl. , BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715; vom II R 33/78, BFHE 134, 156, BStBl II 1982, 27, und vom II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322), Leistungen aus einer ”befreienden” Lebensversicherung unterfallen aber nicht dem Bereich der betrieblichen, d.h. in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis ”erdienten” Altersversorgung, selbst wenn üblicherweise vom Arbeitgeber Zuschüsse zum Beitragsaufwand gezahlt werden. Die vom Arbeitnehmer in eigener Verantwortung als Versicherungsnehmer abgeschlossene Versicherung wird durch die Arbeitgeberzuschüsse nicht zu einer betrieblichen Altersversorgung (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2000, § 81 Rdnr. 404; , Der Betrieb 1993, 490 ff.). Denn die Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers hinsichtlich des Versicherungsvertragsverhältnisses wird durch die Arbeitgeberzuschüsse nicht berührt.
b) Neben dem Erfordernis der vertraglichen Begründung des erworbenen Vermögensvorteils (vgl. Buchst. a) setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch voraus, dass die Zuwendung an den Dritten (Kläger) im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet ist, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tode des Erblassers (Zuwendenden) eintritt. Insofern besteht eine vergleichbare Rechtslage wie beim Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall (vgl. , BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181). Aus der Zuordnung dieser Zuwendungen zu den Erwerben von Todes wegen kann deshalb nicht gefolgert werden, dass diese Erwerbe in gleicher Weise der Erbschaftsteuer unterliegen wie die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG genannten (so allerdings noch , BFH/NV 1986, 96). Vielmehr ist der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur erfüllt, wenn die Zuwendung zu einer objektiven Bereicherung beim Zuwendungsempfänger geführt hat und der Erblasser insoweit den Willen zur Freigebigkeit hatte.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Auszahlung der Versicherungssumme an den Kläger hat nicht nur zu dessen objektiven Bereicherung geführt, sondern stand auch weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung des Klägers, noch diente sie zur Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit.
Der Kläger hatte gegen E insbesondere keinen familienrechtlichen Anspruch auf die Zuwendung der Versicherungssumme (a.A. Pahlke, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 10, 928, 931 f.; Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 3 Tz. 311). E war zwar zu seinen Lebzeiten zum Kindesunterhalt verpflichtet, nicht aber zur Sicherung des Unterhalts des Klägers über seinen Tod hinaus. Die für Ehegatten geltenden Unterhaltsregelungen in §§ 1361 Abs. 1 Satz 2, 1578 Abs. 3 BGB sind auf den Kindesunterhalt gemäß den §§ 1601 ff., 1610 BGB nicht entsprechend anwendbar (vgl. Staudinger/Engler/Kaiser, Bürgerliches Gesetzbuch, Neubearbeitung 2000, § 1610 Rn. 154, im Anschluss an das Urteil des Reichsgerichts vom IV 169/36, RGZ 1152, 356, 359).
2. Die Sache ist spruchreif. Die an den Kläger ausgezahlte Versicherungssumme stellt einen Vermögensvorteil i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG dar. Das FA hat sie deshalb zu Recht der Besteuerung unterworfen. Die Klage war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 648 Nr. 5
LAAAA-68186