Anforderungen an die Nachkalkulation der Umsätze einer Cocktailbar als Voraussetzung für die Verwerfung einer formell ordnungsgemäßen
Kassenbuchführung und die Begründung einer Schätzungsbefugnis
Leitsatz
1. Die formelle ordnungsgemäße Kassenbuchführung einer Cocktailbar ist nicht schon wegen kleinerer Mängel als insgesamt nicht
mehr ordnungsgemäß zu verwerfen, z. B. weil an zwei aufeinander folgenden Tagen für die Endsummenbons dieselbe Nummer vergeben
worden ist, die mutmaßliche Fehlfunktion des Kassengeräts auch durch eine Anfrage beim Hersteller nicht aufgeklärt werden
kann, und wenn zudem wegen Ausfalls der Registrierkasse Endsummenbons für zwei Wochen nicht vorliegen.
2. Die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ist nur entkräftet, wenn das Finanzamt nachweist, dass
das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann; an die Methodik einer solchen Schätzung sind wesentlich
strengere Anforderungen zu stellen als in Fällen, in denen wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin eine Schätzung
der Einnahmen durchgeführt werden muss.
3. Eine Nachkalkulation kann nur dann eine Schätzungsbefugnis begründen, wenn sie in ihren Einzelheiten nachvollziehbar ist,
wozu u. a. eine weitgehende Aufgliederung des Wareneinsatzes und ein genauer Überblick über das Preisgefüge erforderlich sind.
4. Grundsätzlich muss der Wareneinsatz bei der Nachkalkulation in so viele Warengruppen aufgeteilt werden, wie unterschiedliche
Aufschlagsätze im Betrieb vorkommen. Eine Zusammenfassung zu Gruppen mit gleichartigen Waren ist jedoch zulässig, wenn in
etwa gleichhohe Aufschlagsätze angewandt werden. Ist der Wareneinsatz nicht bereits im Wareneingangsbuch (Warenkonto) aufgegliedert,
muss sich der Betriebsprüfer dieser Arbeit selbst unterziehen. Er hat die Aufgliederung in seinen Arbeitsunterlagen betragsmäßig
festzuhalten und auf Verlangen offenzulegen.
5. Besonders sorgfältig sind die Aufschlagsätze für die einzelnen Warengruppen zu ermitteln. Besteht die Gruppe aus mehreren
Artikeln mit unterschiedlichen, aber beieinander liegenden Aufschlagsätzen, ist anhand des Mengenumsatzes und der einzelnen
Aufschlagsätze ein gewogener mittlerer Aufschlagsatz zu bilden. Auch Preisänderungen innerhalb eines Jahres sind bei der Bildung
des mittleren Aufschlagsatzes zu berücksichtigen. Sind solche Preisänderungen erheblich, kann Anlass bestehen, einzelne oder
sogar alle Warengruppen zeitlich aufzuteilen und für die einzelnen Zeitabschnitte unterschiedliche Aufschlagsätze zu bilden.
Sofern der Betriebsprüfer nicht auf Angaben des Steuerpflichtigen zurückgreifen kann, muss er die Ermittlung der Aufschlagsätze
belegbar festhalten und ggf. offenlegen.
6. Diese Voraussetzungen (siehe 4. und 5.) sind nicht erfüllt, wenn der Prüfer bei der Nachkalkulation einer Cocktailbar u.
a. nicht die Getränke nicht als solche kalkuliert, sondern statt dessen deren Einzelbestandteile als verkaufte Getränke behandelt,
und damit die Kalkulation nicht auf die tatsächlichen Geschäftsabläufe in der Bar, sondern auf von ihm erdachte Verkaufsvorgänge
mit zum Teil auch erdachten Verkaufspreisen bezieht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): BB 2018 S. 661 Nr. 12 BBK-Kurznachricht Nr. 5/2018 S. 202 EFG 2018 S. 165 Nr. 3 KÖSDI 2018 S. 20663 Nr. 3 RAAAG-64806
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