BFH Urteil v. - X R 97/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gewährte den Klägern im Jahr 1968 und in den Folgejahren antragsgemäß erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für ein Wohnhaus. Aus einer zu den Steuerakten genommenen Abschreibungstabelle ergibt sich, dass für einen Ausbau des Wohnhauses ab 1973 eine weitere Förderung gemäß § 7b EStG zuerkannt worden ist; die erhöhten Absetzungen betrugen danach jährlich 350 DM.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG für ein weiteres Objekt. Das FA lehnte den Antrag wegen Objektverbrauchs gemäß § 10e Abs. 4 EStG ab. Die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 7b EStG für die zweite Fördermaßnahme 1973 werde durch die Abschreibungstabelle dokumentiert. Objektverbrauch trete nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige die Förderung ohne entsprechenden Antrag erhalten und sich die Steuervergünstigung auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt habe, sofern dieser die entsprechenden Steuerbescheide nicht angefochten habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Objektverbrauch sei nicht eingetreten. Da für die im Jahr 1973 durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen (Innentüren und Fußböden) erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG nach der gesetzlichen Regelung nicht in Betracht gekommen seien, sei der Vortrag der Kläger, sie hätten diese auch nicht beantragt, glaubhaft. Außerdem sei aus den Steuerfestsetzungen für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass das FA die erhöhten Absetzungen ohne Antrag gewährt habe. Die Steuerbescheide für die Jahre 1977 und 1978 wiesen lediglich in einer Gesamtsumme einen Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von jeweils 1 271 DM aus, dessen Zusammensetzung (zwei Förderbeträge nach § 82a der Einkommensteuer-DurchführungsverordnungEStDV— und die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG) nicht erläutert und aus den Steuerbescheiden selbst auch sonst nicht erklärbar sei. Sie ergebe sich ausschließlich aus den Steuerakten.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 10e EStG. Für die Frage des Objektverbrauchs komme es nicht darauf an, ob die Kläger erhöhte Absetzungen beantragt hätten und ob sie die Gewährung durch das FA hätten erkennen können. Im Übrigen obliege es den Klägern nachzuweisen, dass sie keine erhöhten Absetzungen beantragt hätten. Dieser Nachweispflicht seien sie nicht nachgekommen. Anhand der vorgelegten Unterlagen lasse sich nur feststellen, dass die durchgeführten Baumaßnahmen dem Grunde nach nicht nach § 7b EStG begünstigt gewesen seien, nicht jedoch, dass kein Antrag nach § 7b EStG gestellt worden sei. Die verbleibende Ungewissheit müsse zu Lasten der Kläger gehen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den vollen Steuerabzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 19 800 DM sowie die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG für zwei Kinder berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des FA ist durch die Gewährung der erhöhten Absetzungen für die Modernisierungsmaßnahme im Jahr 1973 kein Objektverbrauch eingetreten.

1. Der Steuerpflichtige kann Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und Abs. 2 EStG nur für eine Wohnung, einen Ausbau oder eine Erweiterung in Anspruch nehmen (§ 10e Abs. 4 Satz 1 EStG). Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, erhalten die Grundförderung für insgesamt zwei der genannten Objekte (§ 10e Abs. 4 Satz 2 EStG). Den Abzugsbeträgen stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gleich (§ 10e Abs. 4 Satz 3 EStG).

2. Im Streitfall wurden den Klägern erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für zwei andere Objekte gewährt, bevor sie das streitige Objekt fertig stellten. Im Jahr 1968 und den Folgejahren berücksichtigte das FA antragsgemäß erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für ein Wohnhaus; ab 1973 erfolgte —wie sich aus einer zu den Steuerakten genommenen Abschreibungstabelle ergibt— eine weitere Förderung gemäß § 7b EStG für einen Ausbau des Wohnhauses. Dennoch ist kein Objektverbrauch eingetreten, da sich die Kläger die Förderung des Ausbaus ab 1973 nicht zurechnen lassen müssen.

Die Kläger können gegen den vom FA angenommenen Objektverbrauch erfolgreich einwenden, dass die erhöhten Absetzungen für den Ausbau ohne Antrag gewährt wurden und die Förderung nach § 7b EStG für sie nicht erkennbar war.

a) Die Beurteilung des FG, wonach die Kläger die erhöhten Absetzungen für den Ausbau ihres Hauses ab dem Jahr 1973 nicht beantragt haben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG ist davon ausgegangen, dass die Kläger für die im Jahr 1973 durchgeführte Modernisierungsmaßnahme keinen Antrag auf erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG gestellt haben, da weder die Erneuerung der Innentüren noch der Fußböden nach der damaligen Rechtslage steuerbegünstigt war und ein solcher Antrag unter Berücksichtigung der angesichts der geringen Aufwendungen erzielbaren Steuervorteile äußerst unvernünftig gewesen wäre. Der Einwand des FA, die Kläger seien entgegen der Wertung durch das FG ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen und die verbleibende Ungewissheit gehe zu ihren Lasten, berührt die Beweiswürdigung des FG (§ 96 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), die vom Senat nur daraufhin zu überprüfen ist, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht auf einem Verstoß gegen die Denkgesetze oder einer Verletzung von Erfahrungssätzen beruht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 118 Rz. 30, mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung). Derartige Verstöße werden vom FA jedoch nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das FG konnte unter Berücksichtigung der festgestellten Tatsachen davon ausgehen, dass die Kläger im Jahr 1973 keine erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG beantragt haben.

b) Nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. , BFH/NV 1994, 785, m.w.N.) kommt es für die Frage des Objektverbrauchs nach § 7b Abs. 5 EStG nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige erhöhte Absetzungen beantragt hat. Objektverbrauch tritt auch dann ein, wenn die erhöhten Absetzungen in der Vergangenheit zu Unrecht gewährt worden sind und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Allein maßgeblich für den Objektverbrauch ist das Ergebnis, dass eine Steuervergünstigung nach § 7b EStG vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommen worden ist, die sich auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat. Sollen die erhöhten Absetzungen erst für ein späteres Objekt in Anspruch genommen werden, muss der Steuerpflichtige die Steuerfestsetzungen, in denen erhöhte Absetzungen trotz Fehlens eines entsprechenden Antrags gewährt werden, anfechten. Der erkennende Senat hat sich im Beschluss vom X B 93/01 (BFH/NV 2002, 190) dieser Rechtsprechung auch für die Nachholung des Abzugsbetrags nach § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG angeschlossen.

Indes beruhen die beiden vorgenannten Entscheidungen auf der Erwägung, dass eine Anfechtung des Steuerbescheides zur Vermeidung des Objektverbrauchs nur dann verlangt werden kann, wenn es für ihn erkennbar war, dass das FA erhöhte Absetzungen angesetzt hat. Im Falle des BFH-Urteils in BFH/NV 1994, 785 hatte das FA den Steuerpflichtigen in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid darauf hingewiesen, dass es erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG berücksichtigt hat. Im Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 190 war aus der Höhe des als Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung angesetzten Betrags offensichtlich, dass das FA bei der Einkommensteuerveranlagung nicht nur den Abzugsbetrag für dieses Jahr, sondern auch die Steuervergünstigung des Vorjahres berücksichtigt hatte.

Da im Streitfall die Gewährung der erhöhten Absetzungen durch das FA nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG für die Kläger nicht erkennbar war, müssen sich die Kläger die Förderung des Ausbaus ab dem Jahr 1973 nicht entgegenhalten lassen. Das FA hat in den Erläuterungen zu den Einkommensteuerbescheiden nicht darauf hingewiesen, dass es weitere erhöhte Abschreibungen nach § 7b EStG angesetzt hat. Auch war dies angesichts der geringen Höhe der Steuervergünstigung nicht offensichtlich. Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die sich nach den Feststellungen des FG aus den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG sowie zwei Förderbeträgen nach § 82a EStDV zusammensetzten, betrugen lediglich 1 271 DM. Für die Kläger bestand daher keine Veranlassung oder gar Pflicht, sich nach der Art der berücksichtigten Verlustbeträge zu erkundigen und die betreffenden Steuerfestsetzungen anzufechten.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1428 Nr. 11
CAAAA-67904