Keine rückwirkende Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz
Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn er erst nach Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist gestellt wurde.
Gesetze: FGO § 116 Abs 3, FGO § 56 Abs 1, FGO § 56 Abs 2
Instanzenzug:
Tatbestand
1 I. Mit Urteil vom hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), mit der sie sich gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2008 bis 2010 wandte, als unbegründet abgewiesen, soweit sie nicht bereits unzulässig war. Das Urteil wurde der Klägerin am zugestellt.
2 Am ging beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Telefax des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, mit dem dieser Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und ankündigte, die Begründung erfolge „innerhalb der zulässigen Begründungsfrist“.
3 Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom wurde dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Begründungsfrist abgelaufen sei und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Hierauf teilte dieser am mit, er sei davon ausgegangen, dass zur Begründung eine Frist von zwei Monaten gegeben sei. Diese beziehe sich aber auf das ursprüngliche Urteil, es handele sich eindeutig um ein Versehen. Es werde daher rückwirkend zum eine Fristverlängerung von einem Monat zur Einreichung der Begründung beantragt.
Gründe
4 II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
5 1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen und die Begründung beim BFH einzureichen. Die Begründungsfrist kann gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden. Eine darüber hinausgehende Verlängerung ist nicht möglich (vgl. , BFH/NV 2015, 860, Rz 8).
6 a) Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten am zugestellt, sodass die reguläre Begründungsfrist am ablief. Eine Begründung ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen, sondern erst mit Schriftsatz vom und damit verspätet.
7 b) Der Antrag der Prozessbevollmächtigten vom , die Beschwerdebegründungsfrist (rückwirkend) zum um einen Monat zu verlängern, ist schon deshalb unzulässig, weil er erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist gestellt wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 145/07, und vom X B 126/02, BFH/NV 2003, 505).
8 2. Der Klägerin kann im Streitfall keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt werden.
9 a) Die Klägerin hat trotz Hinweises der Geschäftsstelle keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Eine gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dies voraussetzt, dass die präsenten und gerichtsbekannten Tatsachen eine Wiedereinsetzung rechtfertigen (, Leitsatz). Der Prozessbevollmächtigte hat insoweit lediglich vorgetragen, er habe versehentlich nicht berücksichtigt, dass die Zweimonatsfrist mit der Zustellung des Urteils beginne und ein entsprechender Hinweis in der Eingangsbestätigung der Geschäftsstelle nicht enthalten gewesen sei.
10 b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Begründungsfrist i.S. des § 56 Abs. 1 FGO „ohne Verschulden“ versäumt worden ist. „Ohne Verschulden“ verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist jemand dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat (vgl. , BFH/NV 2001, 410; vom XI R 44/97, BFH/NV 1998, 1056; vom II R 6/91, BFH/NV 1994, 440).
Wer sich nicht informiert, obwohl dies möglich und zumutbar wäre, und deshalb eine Frist versäumt, ist nicht ohne Verschulden an einem rechtzeitigen Handeln gehindert. Deshalb entschuldigen nur solche Tatsachenirrtümer eine Fristversäumnis, die selbst bei Wahrung der möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden waren (, BFH/NV 2007, 1626, m.w.N.).
11 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelte der Prozessbevollmächtigte nicht ohne Verschulden. Aus der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils ergibt sich eindeutig und unmissverständlich, dass die Beschwerde „innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen“ ist. Einem Bevollmächtigten, der die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde anficht, ist es möglich und zumutbar, die dafür geltenden Voraussetzungen sorgfältig zu lesen und zu beachten.
12 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.130917.VB64.17.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2018 S. 45 Nr. 1
CAAAG-61386