BAG Urteil v. - 4 AZR 831/16

Eingruppierung eines Sicherheitsmitarbeiters in den Anhang "Kerntechnische Anlagen" des Entgelttarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen Berlin und Brandenburg

Gesetze: § 1 TVG, § 5 AtG, § 6 AtG, § 7 AtG, § 9 AtG, Ziff 5.2 BMU-RSI6-20080704-KF01

Instanzenzug: Az: 41 Ca 6175/15 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 5 Sa 170/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und über tarifvertragliche Vergütungsansprüche nach dem Anhang Kerntechnische Anlagen zu dem mit Wirkung ab dem allgemeinverbindlichen Entgelttarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen Berlin und Brandenburg vom (im Folgenden Anhang KTA 2014).

2Die Beklagte erbringt für das H-Zentrum B (im Folgenden HZB) am Standort B Sicherheitsdienstleistungen. An diesem Standort befindet sich neben zahlreichen weiteren Gebäuden auch der Kernforschungsreaktor BER II. Dessen Errichtung war der Rechtsvorgängerin des HZB mit Bescheid vom nach § 7 AtG genehmigt worden. Weitere Teilgenehmigungen wegen dessen Änderungen waren mit den Bescheiden vom und vom erteilt worden.

3Zur Erbringung der Sicherheitsdienstleistungen setzt die Beklagte insgesamt 42 Sicherheitsmitarbeiter ein; 27 schusswaffentragende Mitarbeiter sind im sog. Objektsicherungsdienst tätig, die restlichen Mitarbeiter, darunter der Kläger, werden als sog. Institutswachpersonal eingesetzt.

4Seit Januar 2015 ist die Beklagte vertraglich gegenüber dem HZB verpflichtet, eine Personalreserve für den Objektsicherungsdienst vorzuhalten, dh. die Mitarbeiter des Institutswachpersonals müssen über die notwendigen Ausbildungen und Genehmigungen verfügen, um jederzeit im Objektsicherungsdienst eingesetzt werden zu können. Dementsprechend ist auch der Kläger im Umgang mit Schusswaffen geschult worden. Auch hat der Objektsicherungsbeauftragte des HZB im Februar 2015 erfolgreich die Überprüfung der Zuverlässigkeit des Klägers gemäß Atomgesetz iVm. der Richtlinie „Anforderungen an den Objektsicherungsdienst in kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen“ (Stand ) - Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) vom (GMBl. S. 810) - veranlasst. Diese Richtlinie regelt ua. die Aufgaben des Objektsicherungsdienstes (Ziff. 2) und die Anforderungen an dessen Angehörige (Ziff. 4) sowie ihre Ausrüstung (Ziff. 5). In Ziff. 5.2 wird ausgeführt:

5Der Kläger, der eine Ausbildung zur „Geprüften Werkschutzkraft“ absolviert hat, ist seit September 1999 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages von als Sicherheitsmitarbeiter tätig und wird am Standort des HZB in B eingesetzt. Er hat dort Innen- und Außenkontrollgänge durchzuführen. Bei den Außenkontrollgängen hat er den das ganze HZB-Gelände umschließenden Außenzaun zu kontrollieren. Seine Kontrollgänge führen ihn auch an den Maschinenhäusern und den Kühltürmen des Kernforschungsreaktors vorbei. Die Beklagte zahlte an ihn zuletzt eine Vergütung iHv. 9,40 Euro brutto/Stunde und eine Zulage iHv. 1,00 Euro brutto/Stunde sowie Zuschläge für Nachtarbeit iHv. 10 %, für Sonntagsarbeit iHv. 25 % und für Feiertagsarbeit iHv. 50 %.

6Mit Schreiben vom forderte der Kläger von der Beklagten erfolglos ab Januar 2015 eine Stundenvergütung gemäß § 3 Ziff. 1.2 Anhang KTA 2014 sowie Zeitzuschläge nach § 5 Anhang KTA 2014.

7Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger - nach mehreren Klageerweiterungen - Vergütungsansprüche für die Monate Januar bis Juli 2015 sowie die Feststellung der tariflichen Vergütungspflicht der Beklagten begehrt. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit erfüllte die Voraussetzungen des § 3 Ziff. 1.2 Anhang KTA 2014. Das gesamte Gelände des HZB in B stelle eine kerntechnische Anlage dar. Jedenfalls werde er „an“ einer kerntechnischen Anlage eingesetzt. Seine Wachschutzrunden führten ihn an dem genehmigungsbedürftigen Bereich der kerntechnischen Anlagen, namentlich den Maschinenhäusern und den Kühltürmen des Forschungsreaktors, vorbei. Zudem werde seit Januar 2015 am Standort nicht mehr zwischen Institutswachpersonal und Objektsicherungsdienst unterschieden. Der Anspruch ergebe sich auch aus Annahmeverzug, da sich sein Arbeitsvertrag auf die Tätigkeit im Objektsicherungsdienst konkretisiert habe. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zuschläge folge zudem aus dem nachwirkenden Haustarifvertrag vom .

8Der Kläger hat zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Anhang KTA 2014 erfasse nur die Sicherheitsmitarbeiter, die aufgrund besonderer gesetzlicher Sicherheitsanforderungen einer höheren Qualifikation bedürften und erweiterte Pflichten hätten. Dies treffe nur für den Objektsicherungsdienst zu, in dem der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht eingesetzt worden sei. Im Übrigen sei der Kläger kein Sicherheitsmitarbeiter „in“ einer kerntechnischen Anlage, was nach der Begriffsbestimmung im Anhang KTA 2014 Voraussetzung für eine entsprechende Vergütung sei. Auf den gekündigten Haustarifvertrag könne der Kläger seine Ansprüche nicht stützen, dessen Nachwirkung sei konkludent ausgeschlossen.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang der zuletzt gestellten Anträge stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner durch den Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

11Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar beruht das Urteil des Berufungsgerichts auf einem Rechtsfehler, es stellt sich dennoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Sowohl der Eingruppierungsfeststellungsantrag zu 1. als auch die Zahlungsanträge zu 2. bis 8. sind zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf eine höhere Vergütung und entsprechender höherer Zuschläge für den Zeitraum bis . Ein solcher ergibt sich weder aus § 3 Ziff. 1.2, § 5 Anhang KTA 2014, da der Kläger kein Sicherheitsmitarbeiter iSv. § 2 Ziff. 1 Anhang KTA 2014 ist, der in einer kerntechnischen Anlage tätig ist, noch aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB.

12I. Für den Streitfall sind die nachfolgenden tarifvertraglichen Regelungen von Bedeutung:

131. Der im Streitzeitraum für allgemeinverbindlich erklärte „Entgelttarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen Berlin und Brandenburg vom “, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft e. V. (BDSW), Landesgruppen Berlin und Brandenburg und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Berlin-Brandenburg (im Folgenden ETV) sieht ua. in § 14 (Schlussbestimmungen) vor:

142. In dem Anhang Kerntechnische Anlagen zum ETV (Anhang KTA 2014) ist auszugsweise Folgendes geregelt:

153. Am hatte die Gewerkschaft ver.di mit der Beklagten einen Haustarifvertrag geschlossen (im Folgenden HausTV). Diesen kündigte die Beklagte mit Schreiben vom zum gegenüber ver.di. Im HausTV ist ua. geregelt:

16II. In Anwendung dieser tarifvertraglichen Regelungen steht den vom Kläger geltend gemachten Forderungen zwar nicht schon entgegen, dass er - wie das Landesarbeitsgericht meint - bei seiner Arbeit keine Schusswaffe bei sich führt. Seine Klage ist aber deshalb unbegründet, weil die begehrte Vergütung nach § 3 Ziff. 1.2, § 5 Anhang KTA 2014 die Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter in einer kerntechnischen Anlage gemäß § 2 Ziff. 1 Anhang KTA 2014 voraussetzt, was beim Kläger nicht der Fall ist.

171. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln und ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ( - Rn. 19; - 4 AZR 503/12 - Rn. 19, BAGE 150, 184).

182. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht den Anhang KTA 2014 dahingehend ausgelegt, dass die Tarifvertragsparteien die in Ziff. 5 der Bekanntmachung des BMU vom genannten Anforderungen an die „Ausrüstung des Objektsicherungsdienstes“ als Voraussetzung für eine Vergütung nach § 3 Ziff. 1.2 Anhang KTA 2014 angesehen haben.

19a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, eine Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter mit Abschluss als geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft (IHK) oder Werkschutzfachkraft (IHK) im Objektsicherungsdienst sei Voraussetzung für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nach § 3 Ziff. 1.2, § 5 Anhang KTA 2014 des allgemeinverbindlichen ETV. In der Tabelle des § 3 Anhang KTA 2014 sind die ersten zwei Spalten mit „Lohngruppe / Tätigkeit“ überschrieben. Dabei dienen die Angaben in der zweiten Spalte der Beschreibung der von den Sicherheitsmitarbeitern auszuübenden Tätigkeiten. Die jeweils in dieser zweiten Spalte dargestellten Tätigkeitsmerkmale sind unter der Ziff. 1. mit „Objektsicherungsdienst“ überschrieben. Diese Formulierung - „Objektsicherungsdienst“ - stellt einen vor die Klammer gezogenen Oberbegriff für die in den Lohngruppen 1.1 bis 1.4 geregelten Tätigkeitsmerkmale dar, auch und gerade weil in der Lohngruppe 1.1 die Formulierung „Sicherheitsmitarbeiter im Objektsicherungsdienst“ als Grundlohngruppe nochmals gesondert aufgeführt ist. Bei anderem Verständnis würde die Voranstellung und die Bezifferung mit „1.“ keinen Sinn ergeben. Daraus erschließt sich zwingend, dass auch in den Lohngruppen zu 1.2 bis 1.4 eine Tätigkeit im Objektsicherungsdienst gefordert wird und gegeben sein muss.

20b) Dem Landesarbeitsgericht ist weiter zu folgen, wenn es angenommen hat, zur Auslegung des Begriffs Objektsicherungsdienst sei auf die Richtlinie des BMU zurückzugreifen. Die Tarifvertragsparteien haben für den Geltungsbereich des Tarifvertrags auf die Genehmigung der kerntechnischen Anlage nach §§ 567 und 9 AtG abgestellt. Es ist dabei davon auszugehen, dass sie damit für den Begriff des Objektsicherungsdienstes von dem Begriffsverständnis ausgegangen sind, das den entsprechenden Genehmigungen und der Richtlinie des BMU zugrunde liegt. Es handelt sich insofern um einen in diesem Zusammenhang gebräuchlichen Fachbegriff. Übernehmen die Tarifvertragsparteien einen einschlägigen Fachbegriff, so ist davon auszugehen, dass dieser Begriff auch in der Terminologie des Tarifvertrags dieselbe Bedeutung haben soll, wie er sie in den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften hat (vgl.  -).

21c) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, dass sich die Vergütung nach § 3 Anhang KTA 2014 ausweislich der Tabelle nach der „Tätigkeit“ des Arbeitnehmers und nicht nach der „Ausstattung“ des Beschäftigten richtet. Dementsprechend kann bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer die Tätigkeit eines Sicherheitsmitarbeiters im Objektsicherungsdienst verrichtet, nur auf die tätigkeitsbezogenen Anforderungen der Richtlinie des BMU und nicht weitergehend auf die unter Ziff. 5 der Richtlinie des BMU genannten Anforderungen an die „Ausrüstung des Objektsicherungsdienstes“ zurückgegriffen werden.

22So erscheint es fernliegend, die für eine an einen Angehörigen des Objektsicherungsdienstes zu zahlende Vergütung vom Tragen wetterfester Kleidung bei der Arbeit abhängig zu machen, wie es von Ziff. 5.1 der Richtlinie gefordert wird. Im Übrigen wäre eine Vergütung nach § 3 Ziff. 1.2 Anhang KTA 2014 auch ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer zwar keine Pistole, aber eine andere (Schuss-)Waffe bei sich führen würde, weil die Vorgaben des BMU in Ziff. 5.1 der Richtlinie nur das Führen einer Pistole vorsehen.

23Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass die tarifliche Vergütung davon abhängig sein soll, dass der Arbeitnehmer eine Schusswaffe bei sich führt. Soweit das Landesarbeitsgericht auf den nicht mehr geltenden Anhang KTA 2010 abgestellt hat, kann dem nicht gefolgt werden (zu grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung eines Tarifvertrags  - Rn. 22, BAGE 150, 184). § 2 Ziff. 1.2. Anhang KTA 2010 sah ua. für die Zahlung der Lohnsätze nach § 3 vor, dass der Mitarbeiter,

24Das Führen einer Schusswaffe war hiernach früher ausdrücklich als eine weitergehende, tarifliche Anforderung für eine höhere Vergütung formuliert worden. Diese Anforderung findet sich nunmehr in § 2 Anhang KTA 2014 nicht mehr. Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese ausdrücklich erfolgte Auslassung darauf beruht, dass die Tarifvertragsparteien das Führen von Schusswaffen als selbstverständliches Wesenselement eines Objektsicherungsdienstes angesehen und deshalb von einer weiteren Tarifierung dieses Merkmals abgesehen haben. Es ist vielmehr naheliegend, dass sie dieses nicht mehr tarifierte Merkmal nicht mehr zur Voraussetzung einer Vergütung nach § 3 Anhang KTA 2014 machen wollten.

253. Die Klage ist gleichwohl unbegründet, weil der Kläger keine Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Objektsicherungsdienst in einer kerntechnischen Anlage nach § 3 Ziff. 1.2 iVm. § 2 Ziff. 1 Anhang KTA 2014 erbringt. Dies folgt aus einer Auslegung dieser tariflichen Regelung.

26a) Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Vergütung nach § 3 Ziff. 1.2 Anhang KTA 2014 ist eine Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter im Objektsicherungsdienst. Für den Begriff des Sicherheitsmitarbeiters enthält der Anhang KTA 2014 in § 2 Ziff. 1 eine eigene Definition. Danach sind Sicherheitsmitarbeiter Mitarbeiter, die „in“ einer kerntechnischen Anlage tätig sind, aufgrund ihrer besonderen Ausbildung zum Dienst „in“ einer solchen eingesetzt werden und durch den Auftraggeber zugelassen sind.

27b) Nach dem - für die Auslegung von Tarifverträgen in erster Linie maßgeblichen (st. Rspr., vgl.  - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204) - Wortlaut der Tarifregelung und dem allgemeinen Wortverständnis dieser Präposition (siehe Duden Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache 2. Aufl. zu 1. a)) ist eine Tätigkeit und ein Einsatz „in“ einer kerntechnischen Anlage erforderlich, die in den Geltungsbereich einer Genehmigung nach §§ 5, 6, 7 und 9 AtG fällt. Der klare Wortlaut und der Sinn und Zweck der Tarifnorm sowie die Systematik der tariflichen Regelungen sprechen für dieses Verständnis.

28aa) Der Wortlaut der Tarifnorm („in“) lässt für sich genommen keinen Spielraum für Interpretationen.

29bb) Weiterhin macht die Tarifsystematik einen Unterschied zwischen Tätigkeiten „an“ und „in“ einer kerntechnischen Anlage. Für ein wortlautgetreues Verständnis des § 2 Ziff. 1 Anhang KTA 2014 spricht der Umstand, dass die Tarifregelung offensichtlich an die Regelungen zum Objektsicherungsdienst der Richtlinie des BMU anknüpfen will. Die Richtlinie definiert dabei den Objektsicherungsdienst nur „in“ kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen und nicht auch einen Dienst „an“ solchen Anlagen. Ferner streitet aus systematischen Gründen auch der HausTV für ein solches Verständnis. Jedenfalls die Gewerkschaft ver.di als Tarifvertragspartei sowohl des HausTV als auch des ETV und seiner Anhänge ist davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer im Bereich Außensicherung und Pfortendienste im HZB nicht vom Geltungsbereich des Anhangs KTA 2010, dem der Geltungsbereich des Anhangs KTA 2014 entspricht, erfasst wurden. Dementsprechend scheint eine solche tarifliche Differenzierung den Zweck zu verfolgen, für die Bewachungstätigkeiten im Besonderen („in“ einer kerntechnischen Anlage) eine höhere Vergütung aufgrund der pauschal angenommenen höheren Verantwortung und möglicher höherer Gefährdungen und Gefahren zu gewähren.

30cc) Der weitere Hinweis des Klägers, der Anhang KTA 2014 zu den Lohngruppen/Tätigkeiten enthalte keine Tätigkeitsmerkmale, die sich auf eine Tätigkeit „an“ kerntechnischen Anlagen bezögen, ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag wortlautgetreu anzuwenden ist. In dieser möglichen Diskrepanz zwischen Tarifgruppengestaltung und fachlichem Anwendungsbereich (§ 1 Ziff. 2 Anhang KTA 2014: „… alle Sicherheitsdienstleistungen an und in kerntechnischen Anlagen…“) liegt kein Widerspruch, der zu einem unklaren Gesamtzusammenhang tariflicher Regelungen führen würde. Zu einem möglichen Widerspruch würde es nur kommen, wenn der fachliche Geltungsbereich nach seinem Wortlaut nur Tätigkeiten „in“ kerntechnischen Anlagen erfassen würde, während der Begriff des Sicherheitsmitarbeiters auch Tätigkeiten „an“ solchen Anlagen erfasste. Hinzu kommt, dass § 1 Ziff. 2 Anhang KTA 2014 nur von „Sicherheitsdienstleistungen“ und nicht von „Sicherheitsmitarbeitern“ wie in § 2 Ziff. 1 Anhang KTA 2014 spricht. Dabei müssen nicht zwangsläufig alle Mitarbeiter, die Sicherheitsdienstleistungen erbringen, auch Sicherheitsmitarbeiter sein.

31c) Da die tarifliche Regelung klar verständlich ist, liegt - entgegen der Auffassung der Revision - kein redaktionelles Versehen vor. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Redaktionsversehen können nur dann zu einer vom Tarifwortlaut abweichenden Auslegung des Tarifvertrags führen, wenn die Tarifnorm nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang unklar ist ( - zu II 4 der Gründe, BAGE 82, 1; - 4 AZR 114/90 - BAGE 66, 177). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

32d) Soweit der Kläger schließlich einwendet, er sei bei seiner Tätigkeit zumindest teilweise den gleichen oder ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie die Kollegen, die in der kerntechnischen Anlage eingesetzt seien, rechtfertigt dieser Hinweis keine andere Auslegung der Tarifnorm. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, Tarifverträge daraufhin zu untersuchen, ob sie die beste oder gerechteste Lösung enthalten (vgl.  - zu I 3 c aa der Gründe). Dies käme einer nach Art. 9 Abs. 3 GG unzulässigen Tarifzensur gleich.

33e) Da der Kläger nach den Feststellungen im Berufungsurteil und dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Vortrag des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einer kerntechnischen Anlage tätig war, die in den Geltungsbereich einer Genehmigung nach §§ 5, 6, 7 und 9 AtG fällt, besteht kein tariflicher Anspruch auf die geltend gemachte höhere Vergütung.

34aa) Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts hat der Kläger erstinstanzlich selbst nicht behauptet, Sicherheitsdienstleistungen „in“ einer kerntechnischen Anlage iSd. Tarifregelung zu verrichten. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass er mit seinen arbeitstäglichen Bewachungsrundgängen das Merkmal „an“ einer kerntechnischen Anlage erfüllt, weil sein Bewachungsweg ihn auch an den Maschinenhäusern und Kühltürmen vorbeiführt.

35bb) Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz und mit seiner Revision geltend gemacht hat, er sei von der Beklagten auch „in“ einer kerntechnischen Anlage eingesetzt worden, bleibt sein Vortrag ohne Substanz. Zwar hat er sich auch in der Verhandlung vor dem Senat nochmals darauf berufen, bei dem gesamten Gelände des HZB handele es sich um eine kerntechnische Anlage. Damit hat er jedoch die ihm obliegende Darlegungslast nicht erfüllt. Der Geltungsbereich des Anhangs KTA 2014 zum ETV stellt nicht auf eine beliebige kerntechnische Anlage ab, sondern nur auf solche, die in den Geltungsbereich einer Genehmigung nach den §§ 5, 6, 7 und 9 AtG fallen. Der Kläger hat es aber unterlassen, über die von der Beklagten in der Berufungsbegründung vom bezeichneten und in dem mit Schriftsatz vom eingereichten Lageplan hervorgehobenen Baukörper hinaus weitere Anlagenteile konkret zu benennen, die einer atomrechtlichen Genehmigung nach den §§ 5, 6, 7 und 9 AtG unterfallen, und in denen er seine Arbeitsleistung erbringt. Spätestens nachdem die Beklagte mit der Berufungsbegründung die Genehmigungen vom , vom und vom zumindest in Auszügen vorgelegt hatte, wäre es Sache des Klägers gewesen, konkrete Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ergibt, dass weitere Teile des HZB in den Geltungsbereich entsprechender Genehmigungen nach dem AtG fallen. Er hat jedoch insbesondere keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass - entgegen der Behauptung der Beklagten, es liege eine Genehmigung nach § 2 AtG vor - auch die Zentralstelle „Z“ als Landessammelstelle einer Genehmigung nach den §§ 5, 6, 7 und 9 AtG unterfällt. Auch der Vortrag, die Außenschutzanlagen „dürften“ Bestandteil der Genehmigung sein, genügt nicht, zumal der Kläger diese Schlussfolgerung offensichtlich aus den Ausführungen des - X 575/77, X 578/77, X 583/77 -) zieht, wonach der Anlagebegriff des § 7 Abs. 1 AtG auch die Schaltanlagengebäude, das Reaktorhilfsanlagengebäude, das Maschinenhaus sowie die Kühlwassersysteme einschließlich des Kühlturms umfassen soll. Damit hat der VGH aber gerade keine Aussage zu den Außenschutzanlagen getroffen. Soweit der Kläger weiter anführt, seine Rundgänge führten auch am Maschinenhaus und an dem Kühlturm des BER II vorbei, ist dieser im Kern unstreitige Vortrag unerheblich, weil sein Rundweg ihn eben nur an diesen Gebäuden vorbei führt und er keine Tätigkeit in diesen Anlagen erbringt.

36III. Ein höherer Vergütungsanspruch folgt auch nicht aus Annahmeverzug, § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB, den der Kläger mit seiner Hilfsbegründung geltend gemacht hat.

371. § 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern hält nur den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht ( - Rn. 16, BAGE 154, 100; - 5 AZR 593/12 - Rn. 23, BAGE 149, 169). Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der „versprochenen“ Dienste an. Der Arbeitgeber kommt nach § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Das Angebot des Arbeitnehmers muss die vertragsgemäße Arbeit betreffen ( - Rn. 13), wobei zu berücksichtigen ist, dass die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO Sache des Arbeitgebers ist ( - Rn. 24, BAGE 126, 316). Diese Arbeitsleistung muss der Arbeitnehmer im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis tatsächlich anbieten, § 294 BGB ( - Rn. 41). Ein wörtliches Angebot genügt, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen ( - Rn. 50; - 5 AZR 886/12 - Rn. 41, BAGE 151, 45).

382. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass sich die Beklagte mit der Annahme seiner Dienste als Sicherheitsmitarbeiter mit einer besonderen Ausbildung „in“ einer kerntechnischen Anlage in Verzug befunden hat. Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob der Kläger auch eine Bewachungstätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter „in“ einer kerntechnischen Anlage arbeitsvertraglich geschuldet hat. Jedenfalls hat er schon nicht dargetan, dass und wann sowie in welcher Weise er eine solche vertraglich geschuldete Arbeitsleistung der Beklagten tatsächlich angeboten hat.

39IV. Soweit der Kläger schließlich seine Klage hinsichtlich der erhöhten Zuschläge hilfsweise auch auf den HausTV stützt, ist ein solcher Anspruch nicht gegeben. Es mangelt schon an der Darlegung, warum dieser Tarifvertrag für sein Arbeitsverhältnis gelten oder Anwendung finden soll. Eine Mitgliedschaft des Klägers in der Gewerkschaft ver.di ist nicht festgestellt oder sonst ersichtlich. Auf eine vertragliche Vereinbarung über die Anwendbarkeit des HausTV auf sein Arbeitsverhältnis hat der Kläger seine Klage nicht gestützt.

40Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung Ansprüche des Klägers aus dem HausTV für den Zeitraum ab dem aufgrund der Regelungen in § 3 Ziff. 1 HausTV iVm. § 11 Ziff. 2 ETV wegen der Neuausschreibung des Bewachungsauftrags im HZB in B abgelehnt. Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger mit der Revision nicht mehr angegriffen.

41V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:050717.U.4AZR831.16.0

Fundstelle(n):
XAAAG-57874