Instanzenzug: Az: 39 Ca 11015/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 3 Sa 676/12 Urteilnachgehend Az: 2 BvR 2293/17 Nichtannahmebeschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Belang - darüber, ob die Vergütung des Klägers durch griechische Gesetze gekürzt worden ist.
2Die beklagte Republik Griechenland betreibt in M ein privates Lyzeum, an dem der Kläger seit 1981 als Lehrer beschäftigt ist. Dort besteht ein Gremium (vom Kläger als Finanzausschuss, von der Beklagten als Schulkommission bezeichnet), dem die Direktorin der Schule, ein Mitglied des Elternbeirats und der Kläger angehören, und das nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts damit „betraut“ ist, für die Mitarbeiter Abrechnungen zu erstellen und deren Gehälter von einem Konto der Beklagten zu überweisen.
3Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Formulararbeitsvertrag vom , in dem es auszugsweise heißt:
4Die monatliche Vergütung des Klägers betrug bis Februar 2010 4.073,11 Euro brutto, bestehend aus Grundvergütung, Ortszuschlag und Zulagen. In den Gehaltsbescheinigungen heißt es: „Bezahlt nach: BAT - IIb (§ 23, § 24 Absatz 1 und 2)“. Ab März 2010 erhielt der Kläger zunächst 5.170,11 Euro brutto mit dem Vermerk „Bezahlt nach: TVöD Entgeltgruppe 15 - Hochschulabschluss Erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten Stufe 5 - §§ 16, 17 - 29 Jahre Arbeitsvertrag“.
5Die Republik Griechenland erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 über dringende Maßnahmen zur Bewältigung der Krise der Staatsfinanzen, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes enthält es ua. folgende Regelungen:
6Darüber hinaus erließ die Republik Griechenland das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem:
7Die Beklagte kürzte unter Berufung auf die vorgenannten Gesetze rückwirkend für die Zeit ab Januar 2010 die Vergütung des Klägers. Dies teilte sie ihm mit Schreiben vom wie folgt mit:
8Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit der am eingereichten und mehrfach - zuletzt in der Berufungsinstanz - erweiterten Klage für den Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2013 die Differenz zwischen der vor der Kürzung erhaltenen und der tatsächlich gezahlten Vergütung verlangt. Er hat behauptet, er sei mit seinem Einverständnis im März 2010 rückwirkend zum in Entgeltgruppe 15 Stufe 5 TVöD mit geringfügigem Abschlag eingestuft worden. Die griechischen Gesetze könnten den Inhalt seines in Deutschland zu erfüllenden, deutschem Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht ändern.
9Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Außerdem hat sie bestritten, dass die Vergütung des Klägers im März 2010 wirksam erhöht worden sei.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hat mit Beschluss vom das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchen durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Rechtsstreit Republik Griechenland ./. Nikiforidis (Beschluss vom - 5 AZR 962/13 (A) - BAGE 151, 75) ausgesetzt.
Gründe
12Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
13I. Die Klage ist zulässig.
14Die beklagte Republik Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Staatenimmunität. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für Lehrkräfte, die an der Ersatzschule der Beklagten in N im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, in seinem am heutigen Tag ergangenen Urteil ( - Rn. 15 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden. Insoweit weist der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens keine entscheidungserheblichen Unterschiede auf. Die beklagte Republik Griechenland hat nicht geltend gemacht, dass der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses in nennenswertem Umfang hoheitliche Tätigkeiten ausübt.
15II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
161. Im Ergebnis zu Recht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass die Klage begründet wäre, wenn das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt des Klägers - wie von ihm behauptet - im Streitzeitraum 5.170,11 Euro brutto betragen hätte. Denn die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers nicht gekürzt. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung verwiesen ( - Rn. 25 ff.).
172. Indes tragen die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht dessen Annahme, das Bruttogehalt des Klägers sei im März 2010 rückwirkend zum von 4.073,11 Euro auf 5.170,11 Euro wirksam erhöht worden. War dies - wie die Beklagte geltend macht - nicht der Fall, hat der Kläger trotz der „Kürzung“ im Streitzeitraum mehr Vergütung erhalten, als ihm zustünde, was zur Klageabweisung führen würde.
18a) Zur Gehaltserhöhung hat der Kläger im Wesentlichen nur vorgebracht, er sei im März 2010 mit seinem Einverständnis von der Beklagten „in die Entgeltgruppe 15 Stufe 5 mit einem geringfügigen Abschlag eingestuft“ worden. Als Beweis hierfür hat er die „Einvernahme beider Parteien“ sowie die Gehaltsabrechnungen Januar bis Juli 2010 angeboten. Dass er zu diesem Zeitpunkt aufgrund der bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 15 Stufe 5 TV-L oder TVöD gehabt hätte, erschließt sich daraus indes nicht.
19aa) Gemäß Art. 2 und Art. 6 Arbeitsvertrag richtet sich die Vergütung „nach BAT“ in der jeweils gültigen Fassung. Diese Vereinbarung enthält eine kleine dynamische Bezugnahme, die durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst lückenhaft geworden ist. Die Regelungslücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen und zu ermitteln, welche der Nachfolgeregelungen für die Vergütung des Klägers maßgebend sein soll ( - Rn. 14 ff., seither st. Rspr.). Wäre dies der TVöD, wäre er am gemäß den Bestimmungen der §§ 3 ff. TVÜ-Bund (oder der §§ 3 ff. TVÜ-VKA) in den TVöD überzuleiten gewesen. Käme man aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zu dem Ergebnis, die Vergütung des Klägers richte sich nach der Tarifsukzession - wie bei den angestellten Lehrkräften der griechischen Schule in N - nach dem TV-L, wäre er am gemäß den Bestimmungen der §§ 3 ff. TVÜ-Länder in den TV-L überzuleiten gewesen. Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen. Die von ihm vorgelegten Gehaltsbescheinigungen zwingen vielmehr zu der Annahme, dass eine tarifgerechte Überleitung in den TVöD oder TV-L nicht stattgefunden hat. Denn noch im Februar 2010 setzte sich sein Gehalt aus Grundvergütung, Ortszuschlag und Zulagen - also wie vormals vom BAT vorgesehen - zusammen.
20bb) Ebenso wenig bietet der bisherige Sachvortrag des Klägers Anhaltspunkte dafür, dass im März 2010 gleichsam die unterbliebene Überleitung nach den Regeln eines der Überleitungstarifverträge nachgeholt worden wäre. Auch eine überleitungsunabhängige Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 15 TVöD oder TV-L kommt zum damaligen Zeitpunkt nicht in Betracht. Der Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes ist am in Kraft getreten, § 20 Abs. 1 TV EntgO Bund, der Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für Lehrkräfte der Länder am , § 12 Abs. 1 TV EntgO-L.
21b) Sollen die Parteien „im März 2010“ eine von den bisherigen Vereinbarungen unabhängige, gegebenenfalls übertarifliche Vergütung vereinbart haben, kann der Senat über deren - von der Beklagten bestrittenen - Wirksamkeit aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
22aa) Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, an welchem Tag in welcher Besetzung (mit ihm?) der - in der Terminologie des Klägers - Finanzausschuss der Schule welchen Beschluss gefasst haben soll. Zudem ist weder dargetan noch festgestellt, aufgrund welcher Tatsachen dieses Gremium gesetzlich oder rechtsgeschäftlich zur Vertretung der Republik Griechenland beim Abschluss oder bei Änderungen von Arbeitsverträgen legitimiert gewesen sein soll.
23bb) Wenige Tage vor der Berufungsverhandlung hat der Kläger sodann ein auf den datiertes, nicht unterzeichnetes Schreiben des Finanzausschusses vorgelegt, dessen Echtheit und richtige Übersetzung der Beklagtenvertreter in der Berufungsverhandlung zu Protokoll bestritten hat. Danach soll der Finanzausschuss nicht erst im März, sondern schon im Januar 2010, den Kläger in die Entgeltgruppe 15 Stufe 5 „TVöD/TV-L“ eingestuft und einen Arbeitsvertrag vom ergänzt haben. Soll darin ein Angebot zu einer entsprechenden Änderung der arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarung liegen, fehlt es wiederum an Sachvortrag des Klägers zu einer darauf bezogenen gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht dieses Gremiums. Dazu hatte die Beklagte schon in der Klageerwiderung geltend gemacht, der Finanzausschuss bzw. - in ihrer Terminologie - die Schulkommission sei „weder zur Vertretung der Republik Griechenland befugt, noch für Vertragsfragen zuständig“.
24cc) Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf berufen hat, die Gehaltserhöhung sei „aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach der Modellumstellung G“ erfolgt, ergibt sich aus dem vom Kläger in der Berufungsverhandlung übergebenen Schreiben an Frau G vom , dass diese von VergGr. IIa BAT in die Entgeltgruppe 13 TVöD „übergeleitet“ wurde. Wieso aber „Gleichbehandlung“ erforderte, den Kläger in die Entgeltgruppe 15 „überzuleiten“, erschließt sich aus dessen Sachvortrag nicht, zumal nach den Daten der Schreiben des Finanzausschusses der Kläger vor Frau G „umgestellt“ worden sein müsste.
25c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine dem Kläger ohne Vertretungsmacht angebotene Gehaltserhöhung sei nach § 177 Abs. 1 BGB von der Beklagten konkludent genehmigt worden, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Denn die Genehmigung schwebend unwirksamer Geschäfte durch schlüssiges Verhalten nach § 177 Abs. 1 BGB setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich anzusehende Geschäft verbindlich werden zu lassen ( - Rn. 36 mwN).
26aa) Dass die Beklagte zur Vergütung ihrer Lehrkräfte in M Haushaltsmittel auf dem Konto des Lyzeums zur Verfügung stellt, kann schon deshalb kein Ausdruck ihres Willens sein, das Gehalt des Klägers zu erhöhen, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerade der Finanzausschuss der Schule selbst die Überweisung der Gehälter veranlasst. Folgte man der Logik des Landesarbeitsgerichts, dann hätte entgegen § 177 Abs. 1 BGB nicht der Vertretene, sondern wiederum der Vertreter ohne Vertretungsmacht das schwebend unwirksame Geschäft genehmigt.
27bb) Des Weiteren lässt sich aus dem schriftsätzlichen Sachvortrag des Klägers und seinen protokollierten Erklärungen in der Berufungsverhandlung nicht nachvollziehen, dass die vom Finanzausschuss erstellten Abrechnungen im Griechischen Generalkonsulat in M oder im Griechischen Bildungsministerium (auch) auf Vertragsänderungen hin überprüft werden würden und - wenn ja - von einer Stelle, die gesetzlich oder kraft rechtsgeschäftlicher Vollmacht zu Arbeitsvertragsänderungen, insbesondere auch zu Gehaltserhöhungen, befugt wäre. Allein das Wissen der mit der technischen Abwicklung der Gehaltszahlung befassten Stelle reicht nicht aus, Kenntnis und Genehmigung der für eine Vertragsänderung zuständigen Vertreter der beklagten Republik Griechenland anzunehmen (vgl. - zur Rückforderung einer Gehaltsüberzahlung - - Rn. 16, BAGE 136, 54).
28cc) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom (!) ein Schreiben des Finanzausschusses an ihn vom in das Verfahren eingeführt hat, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann, § 559 Abs. 1 ZPO. Danach soll der „Erziehungsattaché Bayern die Umstellung (des) Arbeitsvertrages vom BAT-Bundesangestelltentarifvertrag auf den neuen TVöD/TV-L seit dem “ bewilligt haben. Sollte die damit vom Kläger erstmals behaupte Genehmigung der streitigen Gehaltserhöhung durch den „Erziehungsattaché Bayern“ unstreitig bleiben, wird vom Kläger ergänzend darzulegen sein, aufgrund welcher Tatsachen der Genannte zur Vertretung der Beklagten beim Abschluss oder der Änderung von Arbeitsverträgen berechtigt ist.
29d) Nachdem das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf eine Ergänzung des Sachvortrags hingewirkt hat, gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), dem Kläger dazu in einem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu geben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:260417.U.5AZR744.16F.0
Fundstelle(n):
LAAAG-56225