BGH Beschluss v. - 2 StR 129/17

Wiedereinsetzung im Strafverfahren: Anfechtung des Revisionsverwerfungsbeschlusses; Formfehler bei Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls als Wiedereinsetzungsgrund; Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs

Gesetze: § 44 StPO, § 45 StPO, § 346 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/24 KLs 4/15

Gründe

I.

1Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Urteilsverkündung wurde dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, die sich auch zur Frist für die Revisionsbegründung äußerte.

2Der Angeklagte legte durch Schriftsätze der beiden Verteidiger B.   und P.   Revision ein. Das Urteil wurde Rechtsanwalt B.   am und Rechtsanwalt P.   am zugestellt.

3Da eine Revisionsbegründung bisher nicht eingegangen war, hat das der Rechtsanwalt P.    am zugestellt wurde, die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Mit einem am eingegangenen Schriftsatz hat dieser für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und das Rechtsmittel begründet. Dazu hat er vorgetragen und anwaltlich versichert, das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugestellt worden. Habe keiner der verschiedenen Verteidiger in der Tatsacheninstanz durchgehend an der Hauptverhandlung teilgenommen, sei dem Angeklagten - schon von Amts wegen - nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn auch nur einem seiner Verteidiger das Hauptverhandlungsprotokoll nicht zugestellt worden sei. Jedenfalls treffe den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung. Dieser habe sich mehrfach bei ihm, Rechtsanwalt P.    , nach den Fristen erkundigt. Der Angeklagte habe auf seine Erklärung vertrauen dürfen, die Revisionsbegründungsfrist beginne erst nach Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn.

II.

4Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig.

51. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass der Revisionsverwerfungsbeschluss des Landgerichts gemäß § 346 Abs. 1 StPO vom Angeklagten nicht gesondert angegriffen wurde, denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch unabhängig von einem solchen Revisionsverwerfungsbeschluss beantragt werden und die Wiedereinsetzung führt dann gegebenenfalls zur Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. RG, Beschluss vom - IV T.B. 44/19, RGSt 53, 286, 288 f.; , BGHSt 25, 89, 91). Jedoch leidet der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten an Mängeln im Tatsachenvortrag und dessen Glaubhaftmachung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO.

62. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen. Die erforderlichen Angaben sind, ebenso wie ihre Glaubhaftmachung, Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags (vgl. , NStZ-RR 2015, 145 f.). Ein Wiedereinsetzungsantrag muss daher unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann (vgl. LR/Graalmann-Scherer, StPO, 27. Aufl., § 45 Rn. 13). Daran fehlt es hier.

7a) Aus einem Formfehler bei der Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an einen von mehreren Verteidigern ergibt sich kein Wiedereinsetzungsgrund. Es gibt nur ein Rechtsmittel des Angeklagten, dessen Revisionsbegründungsfrist im vorliegenden Fall bereits mit der ersten Urteilszustellung, hier derjenigen an Rechtsanwalt B.    am , beginnt und deshalb am endete. Durch eine am angeordnete und am bewirkte Urteilszustellung an Rechtsanwalt P.      wurde die dann bereits abgelaufene Revisionsbegründungsfrist nicht wieder neu eröffnet, denn für erst nach Fristablauf bewirkte Doppelzustellungen gilt § 37 Abs. 2 StPO nicht (vgl. , BGHSt 22, 221, 223). Auf die Zustellungen an Rechtsanwalt P.    kommt es daher nicht an.

8b) Ein anwaltliches Verschulden bei der Versäumung der Frist hat sich der Angeklagte nicht zurechnen zu lassen. Jedoch ergibt sich aus dem Vorbringen kein Sachverhalt, bei dessen Vorliegen der Angeklagte ohne eigenes Verschulden an der Wahrnehmung der Frist gehindert war. Er kannte aufgrund der Rechtsmittelbelehrungen die Revisionsbegründungsfrist. Welche Abreden er mit Rechtsanwalt B.   zur Durchführung des Revisionsverfahrens getroffen hat, der ebenfalls für ihn Revision eingelegt hat, ist nicht dargetan. Auch die Gespräche mit Rechtsanwalt P.    , aus denen sich ein schutzwürdiges Vertrauen des Angeklagten auf dessen Auskünfte ergeben soll, sind nicht näher mitgeteilt worden. Ob der Angeklagte sich vor Fristablauf oder etwa erst nach dem Revisionsverwerfungsbeschluss „mehrfach“ bei Rechtsanwalt P.    „nach den einzuhaltenden Fristen und deren Beginn bzw. Ablauf erkundigt“ hat, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Es ist im Übrigen auch - ungeachtet des Antrags des Generalbundesanwalts, den Wiedereinsetzungsantrag zu verwerfen - im nachgereichten Schriftsatz vom nicht erläutert worden. Dass der Angeklagte tatsächlich auf die unzutreffende Behauptung von Rechtsanwalt P.    vertraut hat, die Frist zur Revisionsbegründung werde erst nach ordnungsgemäßer Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls an ihn in Lauf gesetzt, hat der Angeklagte nicht behauptet. Er hat nur die Meinung geäußert, er habe darauf vertrauen dürfen. Das genügt nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:270617B2STR129.17.0

Fundstelle(n):
QAAAG-56112