BVerwG Beschluss v. - 9 C 18/16

Aussetzung des Verfahrens analog § 94 VwGO

Gesetze: § 94 VwGO, § 47 Abs 1 VwGO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 1 B 11.15 Urteilvorgehend Az: 10 K 1152/10

Gründe

1Die Aussetzung beruht auf § 94 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Aussetzung beschließen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Bei der Prüfung der Gültigkeit eines Bebauungsplans nach § 47 Abs. 1 VwGO geht es zwar nicht um ein solches Rechtsverhältnis, sondern um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage; § 94 VwGO ist insoweit aber entsprechend anwendbar (vgl. 4 B 75.00 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 15 S. 6 m.w.N.).

2Die Gültigkeit des von der Beklagten am als Satzung beschlossenen und am bekannt gegebenen Bebauungsplans "Radwegabschnitt Groß Breese", auf dessen Grundlage sie am die Einleitung eines Enteignungsverfahrens beschlossen hat, ist vorgreiflich für den Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers, der den Streitgegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens bildet. Denn der Kläger würde, die Wirksamkeit des Bebauungsplans unterstellt, von der Beklagten etwas herausverlangen, was er ihr alsbald zurückzugewähren hätte. Der Vorgreiflichkeit steht nicht entgegen, dass die Bekanntgabe des Bebauungsplans erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts als dem grundsätzlich maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt erfolgt ist. Denn bei dem nachträglichen Inkrafttreten eines Bebauungsplans handelt es sich um eine Rechtsänderung, die das Revisionsgericht im gleichen Umfang zu beachten hat, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (vgl. 6 C 34.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2 Rn. 12 m.w.N.).

3Im Rahmen des dem Senat in § 94 VwGO eingeräumten richterlichen Ermessens erweist sich die Aussetzung als sachgerecht. Sie ermöglicht es dem sachnäheren Bausenat des Oberverwaltungsgerichts, sich vorrangig mit der Gültigkeit des - dem Brandenburger Landesrecht zugeordneten - Bebauungsplans auseinanderzusetzen. Zudem vermeidet sie die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, die bei einem Nebeneinander von Normenkontrolle und Individualklage nicht auszuschließen ist (vgl. 4 B 75.00 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 15 S. 6). Das 4 C 24.91 - (BVerwGE 94, 100), auf das sich der Kläger für seinen abweichenden Standpunkt beruft, behandelt eine grundlegend andere Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet war, dass die Unwirksamkeit des damaligen Bebauungsplans bei der Entscheidung über den Folgenbeseitigungsanspruch bereits rechtskräftig feststand. Für die hier vorzunehmende Ermessensentscheidung ist dieses Urteil daher unbehelflich.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:160817B9C18.16.0

Fundstelle(n):
UAAAG-55960