BVerwG Beschluss v. - 9 A 8/16

Entscheidung über die Kosten der Umverlegung einer Telekommunikationslinie im Planergänzungsbeschluss

Leitsatz

1. § 7 Abs. 4 UmwRG schließt die Anwendbarkeit der Präklusionsregelung des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG auch in Fällen aus, in denen eine UVP-Pflicht bestehen kann, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalls die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen ergibt.

2. Es spricht viel dafür, dass über die Kostenpflicht nach § 72 Abs. 3 TKG (juris: TKG 2004) nicht in einem Planergänzungsbeschluss entschieden werden darf, weil im Planfeststellungsverfahren positive Leistungspflichten zu Lasten Dritter ohne eine gesonderte gesetzliche Grundlage nicht begründet werden können.

Gesetze: § 7 Abs 4 UmwRG, § 72 Abs 1 TKG 2004, § 72 Abs 3 TKG 2004, § 73 Abs 4 S 3 VwVfG, § 161 Abs 2 VwGO

Gründe

I

1Im Zuge der Herstellung der bestandskräftig planfestgestellten Anschlussstelle Grabow der Bundesautobahn A 14 wurde eine teilweise in einem Forstweg und im Übrigen entlang der Bundesstraße B 5 verlaufende Telekommunikationslinie der Klägerin überbaut. Auf Antrag des Vorhabenträgers und auf der Grundlage einer mit ihm abgestimmten Planung der Klägerin stellte der Beklagte mit Planergänzungsbeschluss vom den Plan für die Umverlegung der Telekommunikationslinie auf eine neue Trasse fest. Außerdem erlegt der Planergänzungsbeschluss die Kosten der Umverlegung im Bereich des Forstwegs dem Vorhabenträger, für ihren Verlauf entlang der B 5 hingegen der Klägerin auf. Nur gegen Letzteres richtete sich deren Anfechtungsklage. Nach der Ankündigung des Beklagten, den Planergänzungsbeschluss hinsichtlich der angefochtenen Kostenentscheidung aufzuheben, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II

21. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Denn die Beteiligten haben den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 26. und in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

32. Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen. Denn die zulässige Klage wäre voraussichtlich begründet gewesen.

4a) Die Klägerin war mit ihren gegen die angefochtene Kostenentscheidung erhobenen Einwendungen nicht nach § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen.

5Nach dem am in Kraft getretenen § 7 Abs. 4 UmwRG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom (BGBl. I S. 1298), der der vollständigen Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - dient (BT-Drs. 18/9526 S. 43), findet § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG in Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG keine Anwendung. Der Planergänzungsbeschluss des Beklagten stellt eine solche Entscheidung dar. Es handelt sich um eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit eines Vorhabens, für das eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Denn für die Änderung oder Erweiterung eines UVP-pflichtigen Vorhabens wie den Bau der A 14 besteht nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.

6b) Darüber hinaus spricht viel dafür, dass die Klägerin mit ihrer Klage bereits deshalb Erfolg gehabt hätte, weil es an einer Rechtsgrundlage fehlt, die angefochtene Kostenentscheidung im Planfeststellungsverfahren zu treffen.

7Nach § 17c FStrG in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird die Zulässigkeit eines Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf die von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt. Neben der Planfeststellung sind weitere behördliche Entscheidungen nicht erforderlich. Nach § 17c FStrG in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden dabei durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den von dem Plan Betroffenen umfassend geregelt. Auf dieser Grundlage kann sich eine den gesetzlichen Anforderungen genügende fernstraßenrechtliche Planfeststellung zwar in dem für die Durchführung des Planvorhabens erforderlichen Maß über Rechte und rechtlich geschützte Belange Dritter bis hin zur Zulassung der Enteignung hinwegsetzen. Durch eine solche Planfeststellung können aber ohne eine gesonderte gesetzliche Grundlage nicht zu Lasten Dritter positive Leistungspflichten begründet werden. Die Festlegung solcher Leistungspflichten geht über die mit der Planfeststellung erreichbare Pflicht Dritter zur Duldung von Eingriffen in bestehende Rechtspositionen hinaus und bedarf demgemäß nach dem aus Art. 20 Abs. 3 GG und den Grundrechten ableitbaren Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einer gesonderten gesetzlichen Grundlage ( 4 C 58 und 59.76 - BVerwGE 58, 281 <284 f.> und vom - 4 C 28.79 - BVerwGE 65, 346 <348 f.>). An einer solchen gesetzlichen Grundlage dürfte es hier fehlen.

8Anders als etwa § 12 Abs. 4 FStrG, der für die Errichtung neuer und die wesentliche Änderung bestehender Kreuzungen ausdrücklich eine Regelung der Kostenaufteilung im Planfeststellungsbeschluss vorsieht, enthält § 72 Abs. 3 TKG, auf den der Beklagte die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin gestützt hat, keine Ermächtigung, im Planfeststellungsbeschluss über die Verpflichtung zu entscheiden, die Kosten einer nach § 72 Abs. 1 TKG erforderlichen Änderung einer Telekommunikationslinie zu tragen. Die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes über die Verlegung oder Veränderung von Telekommunikationslinien und die dabei entstehenden Kosten stellen vielmehr im Grundsatz ein eigenständiges und vollständiges Regelungssystem dar, dessen Anwendbarkeit keine Anordnung im Planfeststellungsbeschluss voraussetzt ( 9 A 6.01 - juris Rn. 31 und Beschluss vom - 6 B 41.08 - Buchholz 442.066 § 75 TKG Nr. 1 Rn. 9 jeweils für den Fall späterer besonderer Anlagen). Etwaige Streitigkeiten können vielmehr im Verwaltungsrechtsweg geklärt werden ( a.a.O. Rn. 3 ff.). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Betreiber der Telekommunikationslinie ausnahmsweise seinerseits eine Regelung im Planfeststellungsbeschluss verlangen kann ( a.a.O. Rn. 31 a.E.), bedarf hier keiner Entscheidung.

9c) Schließlich hätte sich die angefochtene Kostenentscheidung voraussichtlich mangels hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG M-V) als rechtswidrig erwiesen.

10Weder aus ihr selbst noch aus dem gesamten Inhalt des Planergänzungsbeschlusses, insbesondere seiner Begründung, oder den weiteren erkennbaren Umständen, lässt sich der Inhalt der Kostenentscheidung vollständig, klar und unzweideutig entnehmen (vgl. 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 <284>). Sie erlegt der Klägerin die Kosten der Umverlegung für den Verlauf der Telekommunikationslinie entlang der B 5 auf. Da die bisherige Telekommunikationslinie nicht beseitigt, sondern lediglich funktional durch die planfestgestellte neue Telekommunikationslinie ersetzt wird, können in diesem Bereich selbst Kosten nicht entstehen. Zwar spricht dies dafür, dass der Beklagte insoweit der Klägerin nicht die Kosten der Beseitigung der bisherigen Telekommunikationslinie, sondern einen Teil der Kosten der Herstellung der diese in ihrer Funktion ersetzenden neuen Telekommunikationslinie auferlegen wollte. Es ist aber nicht erkennbar, ob dies in einem bestimmten Verhältnis zu den Gesamtkosten oder für bestimmte Teilstrecken oder Anlagenteile der neuen Telekommunikationslinie geschehen sollte. Kriterien für eine Kostenaufteilung (etwa: Länge der bisherigen Teilstrecken entlang des Forstweges und der B 5, Kosten der Herstellung dieser Teilstrecken, fiktive Kosten ihrer Beseitigung, Länge oder Kosten der Querung der B 5 und Länge oder Kosten der neuen Telekommunikationslinie im Übrigen) werden im Planergänzungsbeschluss weder ausdrücklich genannt noch lassen sie sich sonst daraus herleiten oder aus den Umständen erschließen.

113. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:290617B9A8.16.0

Fundstelle(n):
FAAAG-51691